Die Südsteiermark versteckt sich wie ein gut gehütetes Geheimnis zwischen zwei Welten. Nördlich wächst die Landschaft zu den markanten Erhebungen der Alpen heran, während sich im Süden sanfte Hügelketten mit Rebstöcken in ornamentaler Präzision über die Landschaft ziehen. Diese geografische Ambivalenz macht die Region zu einem kulinarischen Zwischenreich, in dem alpine Tradition auf weinbäuerliches Handwerk trifft. Dirndlkleider und Lederhosen begegnen hier Weingläsern und Verkostungsnotizen.
Die Rebhänge werden steiler, je mehr man sich der Grenze zu Slowenien nähert. Mancher Weinbauer bewirtschaftet seine Parzellen in Hanglagen, die Bergsteigern Respekt abverlangen würden. Nicht ohne Grund nennen die Einheimischen einige Lagen liebevoll "steirische Vertikalen". Oberhalb der höchstgelegenen Weinberge, die sich bis auf etwa 600 Meter über dem Meeresspiegel erstrecken, übernimmt dann die Almwirtschaft das Regiment. Diese unmittelbare Nachbarschaft zweier kulinarischer Kulturkreise hat einen ganz eigenen Genusshorizont geschaffen.
Die südsteirische Weinstraße schlängelt sich über 25 Kilometer von Ehrenhausen bis Leutschach durch eine Landschaft, die aussieht wie der feuchte Traum eines Landschaftsmalers. Buschenschanken – die regionstypischen Weingasthäuser – besetzen strategisch die aussichtsreichsten Hügelkuppen. Hinter ihnen tauchen bei klarem Wetter die schroffen Konturen der Karawanken und der Steiner Alpen auf. Diese Kulisse, die das Auge mal in mediterrane, mal in alpine Gefilde führt, prägt auch die Küche der Region.
Die steirische Winzerwelt: Mehr als nur Sauvignon Blanc
Die Südsteiermark hat sich längst als erstklassige Weinbauregion etabliert. International Furore macht vor allem der Sauvignon Blanc, der hier eine markante, unverwechselbare Stilistik entwickelt. Die spezifischen klimatischen Bedingungen – kontinentale Wärme trifft auf kühle Bergluft – verleihen den Weinen eine saftige Frucht bei gleichzeitig animierender Säurestruktur. Besondere Bedeutung hat dabei die ausgeprägte Temperaturdifferenz zwischen Tag und Nacht, die für Aromentiefe und Eleganz sorgt. Etwas unterzuckerte Kenntnisnahme findet hingegen oft der Morillon, wie der Chardonnay in der Steiermark traditionell genannt wird.
Wer im Frühjahr durch die Reben wandert, bemerkt ein eigenartiges Phänomen: In den Weinbergen blüht es später als unten im Tal, während es auf den Almen früher zur Sache geht als in den Niederungen. Diese unterschiedlichen Vegetationsrhythmen haben die Winzer zu nutzen gelernt. Die Lese findet oft bis in den späten Oktober statt – dann, wenn auf den Bergen bereits der erste Schnee liegen kann. Die daraus resultierende lange Reifezeit gibt den Trauben Zeit, komplexe Aromatik zu entwickeln, ohne dass die Säure vollständig abgebaut wird.
Die Winzerfamilie Tement in Berghausen hat sich mit ihrem Spitzensauvignon "Zieregg" einen Namen gemacht, der weit über die Landesgrenzen hinausreicht. Bei Manfred Tement merkt man, wie sehr die Berg-Mentalität auch die Weinbauern prägt: "Wir arbeiten extrem steil, manchmal an der Grenze zum Halsbrecherischen. Das schafft einen anderen Zugang zum Wein – weniger Produktionsorientierung, mehr Respekt vor der Landschaft."
Besucher können bei zahlreichen Weingütern nicht nur verkosten, sondern auch tiefere Einblicke in die Besonderheiten des steirischen Terroirs erhalten. Das Weingut Skoff Original bietet etwa Weinwanderungen an, bei denen Genießer die unterschiedlichen Bodenformationen kennenlernen und verstehen, warum derselbe Rebstock je nach Standort völlig unterschiedliche Geschmacksprofile entwickelt. Die Region hat sich die Mühe gemacht, ihre Weinbergslagen ähnlich wie in Burgund zu klassifizieren – ein Zeichen für das gewachsene Qualitätsbewusstsein.
Vom Berg auf den Tisch: Alpine Küche neu interpretiert
Die kulinarische Identität der Südsteiermark ist geprägt vom Spannungsverhältnis zwischen alpenländischer Deftigkeit und mediterraner Leichtigkeit. In den Buschenschanken wird traditionell auf "kalte Küche" gesetzt – die Gesetzgebung erlaubt das Servieren von Brettljausen, hausgemachten Aufstrichen und Gebäck, nicht aber von warmen Speisen. Doch aus dieser Beschränkung haben die Betreiber eine Tugend gemacht. Das Steirische Wurzelfleisch – eingesalzenes und gepökeltes Schweinefleisch – schmeckt eben auch kalt hervorragend zum frischen Welschriesling.
In den Restaurantküchen der Region beobachtet man hingegen eine spannende Neuinterpretation der alpinen Kulinarik. Köche wie Gerhard Fuchs vom Restaurant "Die Weinbank" in Ehrenhausen nutzen konsequent regionale Produkte, interpretieren sie jedoch zeitgemäß. Auf seiner Karte findet man versteckt-witzige Kreationen wie "Gamsschinken im Brennnesselbad" oder "Forelle mit Almkräutern und Wiesenchampignons". Es geht darum, die Essenz der Alpenküche zu destillieren und mit moderner Leichtigkeit zu verbinden – passenend zu den elegant-fruchtigen Weinen der Region.
Das Restaurant "Kogel 3" thront auf einer Anhöhe bei Heimschuh und verkörpert geradezu idealtypisch die Fusion aus Berg und Tal. Die Speisekarte liest sich wie eine kulinarische Landkarte der Region: Steirisches Kürbiskernöl trifft auf Bergkäse aus dem nahen Kainachtal, Saiblingsfilet aus den Alpenseen wird mit Wildkräutern aus dem eigenen Garten zubereitet. Die Weinkarte ist naturgemäß von steirischen Tropfen dominiert, doch auch Weine aus dem benachbarten Slowenien finden sich darauf – Grenzen spielen in der Kulinarik längst keine Rolle mehr.
Hartnäckig hält sich in der Region der Brauch des "Federnschleißens" – ein geselliges Ereignis, bei dem Gänsefedern für die Herstellung von Bettdecken verarbeitet werden. Dabei wird natürlich auch gegessen und getrunken. Die traditionellen Speisen bei solchen Anlässen – Verhackertes (ein grob gehackter Speck) auf Schwarzbrot, eingelegter Schafskäse und verschiedene Würste – finden sich heute auf den Jausenkarten der Buschenschanken wieder.
Genusswandern: Mit dem Glas in der Hand die Landschaft erleben
Die Südsteiermark hat früh erkannt, dass Weinbau und Wandertourismus eine perfekte Symbiose eingehen können. Zahlreiche ausgeschilderte Genusswanderwege führen durch die Weinberge und bieten immer wieder Einkehrmöglichkeiten. Der "Sausal Weinweg" etwa verbindet auf 14 Kilometern mehrere Buschenschanken, Vinotheken und Aussichtspunkte. Der Weg schlängelt sich durch Weinberge, Wälder und über Hügelkämme – ein Mikrokosmos der steirischen Landschaftsvielfalt. Der "Schilcherweinweg" führt durch die Weststeiermark, wo der typisch rosafarbene Schilcherwein zuhause ist. Hier wird der Blaue Wildbacher angebaut, eine autochthone Rebsorte, die es sonst nirgendwo gibt.
Die "Südsteirische Weinstraße" ist keineswegs nur eine Fahrstraße, sondern gleichzeitig ein Wanderweg, der die schönsten Aussichtspunkte der Region verbindet. Kurz vor Leutschach erreicht man bei der Remschnigg Alm den alpinen Teil – hier verschwinden die Weinreben und machen Platz für saftige Almwiesen und Mischwälder. Wanderer haben von hier aus bei klarem Wetter einen grandiosen Blick auf die Weinhügel im Süden und die Alpengipfel im Norden.
Eine Besonderheit der Region sind die organisierten Weinwanderungen mit professioneller Begleitung. Dabei erklärt ein Winzer oder Sommelier während der Wanderung die Besonderheiten der Weinberge, während an verschiedenen Stationen unterschiedliche Weine verkostet werden. Besonders reizvoll: die "Vollmondwanderung" zwischen den Weinbergen, bei der man mit einem Glas Sauvignon Blanc in der Hand den Sonnenuntergang und anschließend den Aufgang des Mondes über den Karawanken beobachten kann. Wanderführer Ludwig Maurer beschreibt diese Erfahrung als "fast mystisch" – und das ist keineswegs übertrieben.
Die Bewegung in der hügeligen Landschaft schafft Appetit. Gut, dass alle paar Kilometer eine Buschenschank wartet. Eine Besonderheit ist die "Buschenschank-Rallye", bei der man einen Stempelpass erhält und verschiedene Einkehrmöglichkeiten ansteuert. Wer alle Stempel gesammelt hat, erhält eine Flasche Wein als Belohnung. Sportbegeisterte können auch den "WeinKulturWeg" mit dem Mountainbike erkunden – allerdings empfiehlt sich dann etwas Zurückhaltung bei der Verkostung.
Buschenschank-Kultur: Mehr als nur ein Ort zum Essen und Trinken
Die Buschenschank ist ein kulturelles Phänomen, das tief in der steirischen Seele verankert ist. Der Name leitet sich vom "Buschen" – einem Strauß aus Föhrenzweigen – ab, der traditionell über dem Eingang angebracht wurde und signalisierte: Hier wird Wein ausgeschenkt. Die Buschenschanken durften ursprünglich nur eigenen Wein und selbst hergestellte kalte Speisen anbieten. Diese Tradition hat sich bis heute gehalten, auch wenn manche Betriebe inzwischen ein erweitertes Angebot haben.
Die typische Buschenschank liegt auf einer Anhöhe mit Blick über die Weinberge. Holztische und Bänke laden zum Verweilen ein, die Atmosphäre ist ungezwungen. Serviert wird auf Holzbrettern – die berühmte "Brettljause" besteht aus hausgemachten Würsten, Speck, Käse, eingelegtem Gemüse und Aufstrichen. Dazu gibt es frisches Brot und natürlich Wein aus eigener Produktion. Die Preise sind moderat, die Portionen großzügig. Man sitzt oft mit anderen Gästen am selben Tisch – eine Situation, die schnell zu Gesprächen führt.
Ein außergewöhnlicher Vertreter dieser Gattung ist die "Buschenschank Mahorko" in der Nähe von Gamlitz. Der Betrieb liegt in einem Naturpark und ist nur zu Fuß erreichbar – ein etwa 30-minütiger Aufstieg ist nötig. Die Mühe lohnt sich: Von der Terrasse aus blickt man auf die Weinberge im Vordergrund und die Alpen am Horizont. Die servierten Weine stammen ausschließlich von Steillagen, die Jause besteht aus Produkten der umliegenden Höfe. Hier verschmelzen Berg- und Weinkultur auf natürliche Weise.
In Erinnerung bleiben auch die "Klapotetz" – hölzerne Windmühlen, die in den Weinbergen stehen und mit ihrem Klappern Vögel vertreiben sollen. Ihr rhythmisches Geräusch ist der Soundtrack des südsteirischen Sommers. Sie sind nicht nur funktional, sondern auch identitätsstiftend für die Region – kaum ein Souvenir kommt ohne das Bild dieser markanten Konstruktionen aus.