Schweiz

Die Hauptstadt des Wallis: Sion und 7.000 Jahre Geschichte auf zwei Hügeln

Zwei mittelalterliche Burgen ragen über die Walliser Hauptstadt. Zwischen Weinbergen und Rhone-Ebene wartet eine der ältesten Städte der Schweiz mit überraschend vielen Geschichten auf.

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Zwischenablage

Wer das erste Mal nach Sion kommt, reibt sich unwillkürlich die Augen. Da liegt diese Stadt mitten im breiten Rhonetal, umgeben von schneebedeckten Viertausendern und Weinbergen – und dann ragen plötzlich zwei markante Felshügel mit mittelalterlichen Burgen in die Höhe. Wie gemalt sieht das aus, fast zu perfekt für eine richtige Stadt. Aber Sion ist sehr real und sehr alt – eine der ältesten Städte der Schweiz mit 7.000-jähriger Geschichte.

Die Stadt liegt auf etwa 510 Metern über Meer im Mittelwallis beidseits der Rhone und hat sich ihren unverwechselbaren Charakter über die Jahrhunderte bewahrt. Der alte Siedlungskern befindet sich nördlich des Rhoneufers und wird vom Bachlauf der Sionne durchflossen, der heute größtenteils unterirdisch verläuft. Was sofort ins Auge sticht: Die zwei Burghügel Valère und Tourbillon prägen das Stadtbild wie zwei steinerne Wächter aus längst vergangenen Zeiten.

Valère und Tourbillon – Die Wahrzeichen auf den Hügeln

Ohne diese beiden Hügelburgen wäre Sion nur eine weitere Alpenstadt. Mit ihnen wird sie zu einem der fotogensten Orte der Schweiz. Das Schloss Tourbillon wurde Ende des 13. Jahrhunderts unter Bischof Boniface de Challant erbaut und diente als Residenz der Bischöfe von Sion. Die Lage ist spektakulär – auf einem steilen Felshügel thronend, mit weitem Blick über das Rhonetal.

Allerdings hatte das Schloss auch eine turbulente Geschichte. Es wurde 1417 während der Raron-Affäre niedergebrannt, einem Krieg zwischen dem Volk des Wallis und den Bischöfen. Heute sind nur noch die imposanten Ruinen erhalten, aber gerade das macht den Reiz aus. Der Aufstieg dauert gut zehn Minuten und ist etwas steil, aber die Aussicht entschädigt für alles.

Gegenüber auf dem Valère-Hügel steht die Basilika Notre-Dame de Valère – und die ist wirklich ein Juwel. Nach der Mutter eines römischen Stadtpräfekten ist der Hügel Valère mit der Basilika benannt. Eine alte bischöfliche „Curia" wird urkundlich bereits im Jahre 999 erwähnt, auch wenn über ihr damaliges Aussehen nichts bekannt ist. Die heutige Basilika beherbergt eine der ältesten spielbaren Orgeln der Welt – ein Instrument aus dem 14. Jahrhundert, das noch heute erklingt.

Steinzeit-Spuren und keltische Geheimnisse

Man könnte meinen, mit dem Mittelalter fängt in Sion die Geschichte an. Weit gefehlt. Ausgrabungen beweisen, dass die Gegend um Sion bereits in der Steinzeit besiedelt war. Das ist schon beeindruckend genug, aber es kommt noch dicker: 5000-jährige Steindolmen und eine der größten keltischen Totenstädte der Schweiz belegen die lange Besiedlung.

Diese Funde machen deutlich, dass Sion schon immer ein wichtiger Ort war. Die Lage zwischen den Alpen und dem Rhonetal, an der Kreuzung alter Handelswege, war strategisch perfekt. Kein Wunder, dass sich hier über Jahrtausende Menschen niederließen und ihre Spuren hinterließen. Spannend ist dabei, dass viele dieser archäologischen Schätze noch nicht vollständig erforscht sind – Sion gibt seine Geheimnisse nur langsam preis.

Durch die Altstadt flanieren

Die Altstadt von Sion ist überschaubar, aber voller Überraschungen. Wer vom Bahnhof kommt, läuft etwa zwanzig Minuten bis ins Zentrum – oder nimmt den Bus Sédunois. Die Gassen sind nicht so touristisch überlaufen wie anderswo, hier spürt man noch das echte Walliser Leben. In den kleinen Läden gibt es regionale Spezialitäten, und in den Cafés hört man verschiedene Sprachen durcheinander – Französisch, Deutsch, Walliser Patois.

Die charmante Altstadt bietet zahlreiche Museen, lauschige Lokale, ausgezeichnete Restaurants und den malerischen Markt. Besonders der Wochenmarkt ist ein Erlebnis – hier verkaufen Bauern aus der Region ihre Produkte, von Walliser Roggenbrot bis zu Bergkäse. Dazu kommt der Duft von gerösteten Nüssen und frischen Kräutern. So riecht das Wallis.

Zwischen den Häusern der Altstadt verstecken sich immer wieder kleine Überraschungen: historische Gebäude, welche sonst für die Öffentlichkeit geschlossen sind, werden bei speziellen Führungen zugänglich gemacht. Da erfährt man dann Geschichten, die in keinem Reiseführer stehen.

Museen und Kultur

Sion hat für eine Stadt ihrer Größe erstaunlich viele Museen. Das Geschichtsmuseum Wallis in der Basilika Valère ist schon wegen der Lage einen Besuch wert. Hier wird die bewegte Geschichte des Kantons lebendig erzählt – von den Römern bis zur modernen Schweiz. Das Naturmuseum zeigt die einzigartige Flora und Fauna der Walliser Alpen, und wer sich für zeitgenössische Kunst interessiert, findet in verschiedenen Galerien spannende Ausstellungen.

Eine Tour durch die verschiedenen Museen, die Kunst und Bistum thematisieren, lohnt sich, um der vielschichtigen Geschichte näher zu kommen. Manche Museen sind in historischen Gebäuden untergebracht, was den Besuch noch authentischer macht. In den Kellern findet man manchmal noch originale Gewölbe aus dem Mittelalter.

Wein und Genuss

Das Wallis ist Weinland, und Sion liegt mittendrin. Die Rebhänge ziehen sich die Hänge hinauf, soweit das Auge reicht. In den Celliers de Sion kann man täglich von 10 bis 20 Uhr drei oder sechs Weine degustieren. Das ist praktisch, weil man so verschiedene Walliser Weine probieren kann, ohne von Keller zu Keller zu fahren.

Die Walliser haben ihre eigenen Rebsorten – Petite Arvine, Humagne, Amigne –, die es nur hier gibt. Diese Weine schmecken nach Sonne und Schiefer, nach den steilen Hängen und der trockenen Höhenluft. In den Restaurants von Sion werden sie perfekt zu regionalen Spezialitäten serviert: Walliser Teller mit Trockenfleisch und Alpkäse, Raclette vom echten Walliser Käse, dazu frisches Roggenbrot.

Ausflüge in die Umgebung

Von der Stadt aus lassen sich Täler, bekannte Urlaubsorte und touristische Sehenswürdigkeiten entdecken. Die Lage ist perfekt für Tagesausflüge. Nur 20 Minuten entfernt liegt das große Netz von Skipisten, Wander- und Mountainbikewegen mit außergewöhnlicher Aussicht vom Mont-Fort auf 3.330 Metern.

Verbier ist quasi um die Ecke, das Mattertal mit Zermatt eine Stunde entfernt, die Aletsch-Region zum Greifen nah. Aber auch weniger bekannte Täler wie das Val d'Hérens oder das Val d'Anniviers sind schnell erreicht. Wer es lieber gemütlich mag, fährt nach Saillon mit seinen Thermalbaden oder besucht das mittelalterliche Saint-Pierre-de-Clages.

Praktische Tipps

Die beste Zeit für einen Besuch in Sion ist eigentlich das ganze Jahr über. Im Frühling blühen die Aprikosenbäume, im Sommer sind die Weinberge grün, im Herbst färben sich die Rebblätter golden, und im Winter liegt manchmal sogar etwas Schnee in der Stadt – auch wenn das im trockenen Wallis eher selten ist.

Das Château de Tourbillon ist vom 15. März bis 30. April von 11 bis 17 Uhr geöffnet, vom 1. Mai bis 30. September von 10 bis 18 Uhr und der Eintritt ist frei. Der Weg zu den beiden Orten erfordert mindestens 10 Minuten Laufzeit und die letzte Wegstrecke muss zu Fuß zurückgelegt werden – also feste Schuhe einpacken.

Mit dem Auto erreicht man Sion über die Autobahn A9, Ausfahrt Sion-Est, Richtung Parking de la Cible oder Parking du Nord. Wer mit dem Zug kommt, steigt am SBB-Bahnhof Sion aus und nimmt den Bus oder läuft die zwanzig Minuten in die Altstadt – ein schöner Spaziergang mit Blick auf die Burghügel.

Warum Sion mehr ist als ein Zwischenstopp

Viele kennen Sion nur als Durchgangsstation auf dem Weg in die bekannteren Walliser Ferienorte. Das ist schade, denn die Stadt hat deutlich mehr zu bieten als gedacht. Hier kann man in Ruhe die Geschichte des Wallis erkunden, ohne von Touristenmassen überrannt zu werden. Die Mischung aus römischen Fundamenten, mittelalterlichen Burgen, gemütlicher Altstadt und modernem Leben ist einzigartig.

Wer das Wallis wirklich verstehen will, sollte in Sion anfangen. Hier laufen alle Fäden zusammen – die Geschichte, die Kultur, die Landschaft, die Menschen. Von den Burghügeln aus sieht man das ganze Tal mit seinen schneebedeckten Gipfeln, und man versteht, warum dieser Ort seit Jahrtausenden Menschen anzieht. Sion ist nicht laut, nicht übertrieben spektakulär, aber echt. Und manchmal ist das genau das Richtige.

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