Man muss schon genau hinschauen in der heutigen Hotellandschaft. Zwischen schlichten Hotels und funktionalen Businessherbergen verstecken sich wahre Schätze – Grandhotels aus der Belle Époque, die mehr sind als nur Übernachtungsmöglichkeiten. Sie sind lebendige Geschichtsbücher, deren Seiten von Kaisern, Künstlern und Kosmopoliten beschrieben wurden.
Diese Hotels entstanden in einer Epoche, als das Reisen zur Kunst wurde. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte die europäische Oberschicht die Alpen als Refugium. Was einst nur mutige Bergsteiger wagten, wurde plötzlich gesellschaftsfähig – sogar im Winter. Die Hoteliers jener Zeit bauten nicht einfach Beherbergungsbetriebe, sondern errichteten Paläste, die dem Anspruch ihrer illustren Gäste gerecht werden sollten.
Pontresina: Der Kronenhof und seine königlichen Gäste
Das Grand Hotel Kronenhof in Pontresina thront wie ein Märchenschloss über dem Engadin. Seit 1848 empfängt es Gäste, und man spürt beim Betreten der opulenten Eingangshalle sofort: Hier ist die Zeit stehengeblieben – im besten Sinne. Die Deckenmalereien, die kunstvoll geschnitzten Holzvertäfelungen und die schweren Kristalllüster schaffen eine Atmosphäre, die unmittelbar in die Belle Époque versetzt.
Spannend ist dabei, dass das Hotel nicht nur ein Museum ist, sondern ein lebendiger Organismus. In den Salons sitzen heute wie damals Menschen beim Afternoon Tea, allerdings tragen sie Fleecejacken statt Gehröcke. Der Service hat sich den modernen Zeiten angepasst, ohne den traditionellen Stil zu verlieren. Kellner in weißen Handschuhen sind hier keine Theatralik, sondern selbstverständlich.
Das Kronenhof ist heute als Kulturgut von nationaler Bedeutung eingestuft – eine Auszeichnung, die nicht leichtfertig vergeben wird. Die Verantwortung, die damit einhergeht, spürt man in jedem Detail. Von den restaurierten Jugendstil-Fenstern bis zu den original erhaltenen Parkettböden wurde nichts dem Zufall überlassen.
St. Moritz: Wo der Wintertourismus erfunden wurde
Das Kulm Hotel in St. Moritz kann für sich beanspruchen, den Wintertourismus erfunden zu haben. 1856 gegründet, war es der erste Ort, an dem Gäste nicht nur den Sommer, sondern auch die kalte Jahreszeit in den Bergen verbrachten. Johannes Badrutt, der visionäre Hotelier, machte seinen britischen Sommergästen eine Wette: Sie sollten den Winter in St. Moritz verbringen, und wenn es ihnen nicht gefiele, würde er die Reisekosten übernehmen.
Die Briten blieben – und mit ihnen kam der Ruhm. Das Kulm wurde zum gesellschaftlichen Zentrum der europäischen Aristokratie. Kaiser Wilhelm II. war Stammgast, ebenso wie zahlreiche Fürsten und Diplomaten. Heute wandelt man durch die Korridore und kann sich gut vorstellen, wie hier einst über die Geschicke Europas diskutiert wurde.
Die Architektur des Hotels spiegelt verschiedene Epochen wider. Der ursprüngliche Bau wurde mehrfach erweitert, ohne dabei seine Harmonie zu verlieren. Besonders beeindruckend ist die Aussicht: Vom Hotel blickt man direkt auf den St. Moritzersee und die umliegenden Gipfel. An klaren Tagen wirkt die Szenerie wie ein überdimensionales Gemälde.
Brienz: Über den Wolken am Giessbach
Das Grandhotel Giessbach hat eine der spektakulärsten Lagen aller Schweizer Hotels. Hoch über dem Brienzersee gelegen, ist es nur mit der historischen Standseilbahn erreichbar – der ältesten Europas. Schon die Anfahrt ist ein Erlebnis: Die kleine rote Bahn keucht seit 1879 den steilen Hang hinauf, und mit jedem Meter wird die Aussicht atemberaubender.
1875 eröffnet, durchlebte das Hotel wechselvolle Zeiten. In den 1980er Jahren stand es sogar vor dem Abriss. Eine beispiellose Rettungsaktion – finanziert durch Spenden aus der ganzen Schweiz – bewahrte es vor der Zerstörung. Franz Weber, dem Umweltschützer, ist es zu verdanken, dass wir heute noch durch die originalgetreu restaurierten Räume wandeln können.
Das Hotel besticht durch seine authentische Atmosphäre. Hier wurde nicht renoviert, sondern behutsam restauriert. Die Zimmer haben noch die ursprünglichen Proportionen, die Korridore knarren leise unter den Füßen, und aus den Fenstern blickt man auf eine Landschaft, die sich seit hundert Jahren kaum verändert hat. Der berühmte Giessbachfall rauscht direkt neben dem Hotel in die Tiefe – ein natürliches Schauspiel, das Gäste damals wie heute fasziniert.
Interlaken: Zwischen zwei Seen und drei Bergen
Das Victoria-Jungfrau Grand Hotel & Spa in Interlaken profitiert von einer Lage, die spektakulärer kaum sein könnte. Seit 1864 thront es zwischen Thuner- und Brienzersee, mit direktem Blick auf das Jungfraumassiv. Die drei berühmten Gipfel Eiger, Mönch und Jungfrau sind so präsent, dass man das Gefühl hat, sie anfassen zu können.
Was das Hotel besonders macht, ist die gelungene Verbindung von historischer Substanz und modernem Komfort. Der 5.500 Quadratmeter große Spa-Bereich ist ein Meisterwerk zeitgenössischer Architektur, das sich dennoch harmonisch in das historische Ensemble einfügt. In den Behandlungsräumen entspannt man sich mit Blick auf die Berge – eine Kulisse, die jeden Wellness-Katalog alt aussehen lässt.
Die Geschichte des Hotels ist eng mit der Entwicklung Interlakens als Tourismusort verbunden. Schon im 19. Jahrhundert war die Stadt ein beliebtes Ziel für Reisende, die die Alpen sicher und komfortabel erleben wollten. Das Victoria-Jungfrau war dabei stets erste Adresse – ein Status, den es bis heute behauptet hat.
Flims: Wo Jugendstil auf Moderne trifft
Das Waldhaus Flims, heute Waldhaus Flims Wellness Resort, ist ein Paradebeispiel dafür, wie historische Architektur und moderne Ansprüche harmonieren können. 1877 eröffnet, besticht das Hotel durch seinen märchenhaften Jugendstil-Pavillon und den größten Hotelpark der Schweiz.
Beim Spaziergang durch die weitläufige Parkanlage wird schnell klar, warum das Waldhaus schon immer ein besonderer Ort war. Alte Bäume spenden Schatten, verschlungene Wege führen zu versteckten Sitzplätzen, und überall riecht es nach Tannen und wilden Blumen. Es ist diese Ruhe, die das Hotel auszeichnet – fernab vom Trubel der großen Tourismusströme.
Die Architektur des Waldhaus ist einzigartig in der Schweizer Hotellandschaft. Der Jugendstil-Pavillon mit seinen geschwungenen Linien und floralen Ornamenten wirkt wie ein Kunstwerk inmitten der Bergwelt. Drinnen setzen sich die gestalterischen Details fort: kunstvolle Wandmalereien, handgeschnitzte Möbel und Glasfenster, die das Licht in allen Regenbogenfarben brechen.
Binn: Verborgener Schatz im Wallis
Das Hotel Ofenhorn im Binntal gehört zu den bestgehüteten Geheimnissen der Schweizer Hotellerie. 1883 eröffnet, hat es sich seinen ursprünglichen Charakter bis heute bewahrt. Hier findet man noch das originale Mobiliar aus der Gründerzeit – Stühle, Tische und Kommoden, die Geschichten von über 140 Jahren erzählen könnten.
Das Binntal selbst ist ein Naturjuwel, das nur wenige Touristen kennen. Wer hierher kommt, sucht nicht Action oder Remmidemmi, sondern Stille und Authentizität. Das Hotel Ofenhorn passt perfekt in diese Umgebung. Es ist Mitglied der Swiss Historic Hotels – eine Vereinigung, die sich der Erhaltung historischer Hotelkultur verschrieben hat.
Besonders reizvoll ist hier das Gefühl, in einer anderen Zeit zu leben. Die Zimmer sind spartanisch, aber stilvoll eingerichtet. Moderne Annehmlichkeiten gibt es natürlich auch, aber sie treten dezent in den Hintergrund. Was zählt, ist die Atmosphäre – und die ist unbezahlbar.
Engelberg: Phönix aus der Asche
Das Kempinski Palace Engelberg hat eine bewegte Geschichte hinter sich. 1905 als Grandhotel Winterhaus eröffnet, durchlebte es Höhen und Tiefen, stand zeitweise sogar leer. Nach einer umfassenden Renovierung wurde es 2021 wiedereröffnet – und das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Die Architekten haben es geschafft, die Eleganz der Belle Époque mit modernstem Komfort zu verbinden. Der 880 Quadratmeter große Spa-Bereich ist technisch auf dem neuesten Stand, aber gestalterisch fügt er sich nahtlos in das historische Ambiente ein. Von den Behandlungsräumen blickt man direkt auf die Berglandschaft – ein Panorama, das jeden Stress vergessen lässt.
Engelberg selbst ist ein charmanter Ort, der vom Kloster geprägt wird. Die Mönche leben hier seit über 900 Jahren, und ihre Ruhe und Besinnung scheint auf das ganze Tal abzufärben. Das Kempinski Palace profitiert von dieser besonderen Atmosphäre und bietet seinen Gästen einen Rückzugsort, der gleichermaßen luxuriös und spirituell ist.
Montreux: Barocker Prunk am Genfersee
Das Fairmont Le Montreux Palace am Genfersee ist ein Meisterwerk des Neobarocks. Seit 1906 empfängt es anspruchsvolle Gäste, und die Liste der berühmten Namen liest sich wie ein Who's Who der Weltgeschichte. Von Kaiserin Sissi bis zu modernen Pop-Stars – alle haben hier logiert.
Das Hotel steht unter Denkmalschutz und ist als Kulturgut von nationaler Bedeutung eingestuft. Diese Auszeichnung spürt man in jedem Detail: Die restaurierten Stuck-Decken, die prächtigen Kronleuchter und die kunstvoll geschnitzten Holzvertäfelungen schaffen eine Atmosphäre, die ihresgleichen sucht.
Montreux selbst ist eng mit der Musikgeschichte verbunden. Das berühmte Jazz Festival findet praktisch vor der Haustür statt, und das Hotel war schon immer ein beliebter Treffpunkt für Musiker. In den Bars und Salons spürt man noch heute diese besondere Atmosphäre – eine Mischung aus Nostalgie und künstlerischer Inspiration.
Luzern: Ein Märchenschloss über der Stadt
Das Hotel Château Gütsch in Luzern ist vielleicht das märchenhafteste aller Schweizer Grandhotels. Nach einem Brand im Jahr 1888 wurde es im Stil von Schloss Neuschwanstein wiederaufgebaut – eine architektonische Laune, die heute zu den Wahrzeichen der Stadt gehört.
1901 erhielt das Château seine heutige Gestalt, und seitdem thront es wie eine Fata Morgana über Luzern. Die Türme und Erker, die verzierten Balkone und die bunten Dächer schaffen eine Silhouette, die man nicht so schnell vergisst. Von hier oben hat man einen der schönsten Blicke auf den Vierwaldstättersee und die umliegenden Berge.
Die Gästeliste des Château liest sich wie ein Geschichtsbuch: Königin Victoria verbrachte 1868 mehrere Wochen hier, und ihr folgten zahlreiche andere Monarchen, Diplomaten und Künstler. Heute kann jeder in den Zimmern übernachten, in denen einst die Mächtigen der Welt residierten – ein Gefühl, das unbezahlbar ist.