Frankreich

Lac d'Allos: Höchster natürlicher Bergsee Europas und ein Paradies für Naturfans

Ein türkisfarbener Spiegel, eingebettet zwischen zerklüfteten Gipfeln des Mercantour-Massivs. Der Lac d'Allos bildet den Mittelpunkt dieser alpinen Traumlandschaft.

Frankreich  |  Natur & Aktivitäten
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Zwischenablage

Wenn von spektakulären Hochgebirgsseen die Rede ist, fallen meist Namen wie der Schweizer Oeschinensee oder der österreichische Achensee. Doch der wahre Höhenrekordhalter unter den natürlichen Bergseen Europas versteckt sich im südlichen Zipfel der französischen Alpen: Der Lac d'Allos thront auf beachtlichen 2.228 Metern über dem Meeresspiegel und bildet damit das wasserreiche Kronjuwel des Nationalparks Mercantour. Mit einer Fläche von knapp 60 Hektar streckt sich sein türkisblaues Wasser wie ein unregelmäßiger Fingerabdruck der Eiszeit zwischen schroffen Gipfeln und sanften Alpenwiesen.

Der glaziale Ursprung des Sees verrät sich nicht nur in seiner beträchtlichen Tiefe von stellenweise über 40 Metern, sondern auch in der charakteristischen U-Form des umgebenden Talkessels. Was beim ersten Anblick besonders ins Auge sticht: Die ungewöhnliche Färbung des Wassers, das je nach Lichteinfall zwischen Petrol und strahlend Türkis changiert. Schuld daran sind feinste Mineralpartikel, die vom Gletscherwasser aus dem umliegenden Gestein gelöst werden und dem See seinen unverwechselbaren Farbton verleihen. Überragt wird diese Wasserfläche vom Mont Pelat, der mit 3.051 Metern den höchsten Punkt des östlichen Mercantour markiert.

In einer Region, die sonst eher für ihre Küste und die mondänen Badeorte an der Côte d'Azur bekannt ist, bietet der Lac d'Allos einen erfrischenden Kontrast. Nur etwa 80 Kilometer Luftlinie trennen das kühle Hochgebirgswasser von den überfüllten Stränden Nizzas – geografisch nah und doch in puncto Atmosphäre Welten voneinander entfernt. Selbst im Hochsommer, wenn unten an der Küste die Temperaturen gnadenlos über die 30-Grad-Marke klettern, herrscht hier oben meist angenehme Frische mit Tageswerten um die 20 Grad.

Geschichte und Entstehung

Der Lac d'Allos verdankt seine Existenz den massiven Eispanzern, die vor rund 15.000 Jahren die Alpentäler ausfüllten. Beim Rückzug dieser Gletscher am Ende der letzten Eiszeit gruben die schmelzenden Eismassen tiefe Becken in den Untergrund. Gleichzeitig türmten sie am unteren Ende des heutigen Sees natürliche Dämme aus mitgeschlepptem Gesteinsmaterial auf – Moränen genannt, die bis heute das Wasser im Talkessel zurückhalten.

Die Region um den See war bereits in prähistorischer Zeit besiedelt. Archäologische Funde belegen, dass nomadische Hirten schon vor mehr als 4.000 Jahren ihre Herden auf den umliegenden Sommerweiten grasen ließen. Im Mittelalter wurde der See dann erstmals in Urkunden erwähnt – damals unter dem Namen "Laus de Allos", was schlicht "See von Allos" bedeutet. Die Namensgebung geht auf das nahegelegene Bergdorf Allos zurück, dessen Ursprünge bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen.

Lange Zeit spielte der See eine wichtige Rolle für die lokale Fischereiwirtschaft. Die Mönche des nahegelegenen Klosters Saint-Dalmas setzten dort im 16. Jahrhundert erstmals Forellen aus, um ihre Fastenzeiten zu überbrücken. Diese Fischpopulation existiert bis heute, wenngleich der See mittlerweile nicht mehr kommerziell befischt wird. Für die örtlichen Bauern diente der See über Jahrhunderte hinweg als wichtige Wasserstelle für ihre Viehherden während der Sommermonate.

Erst mit dem Aufkommen des Alpintourismus gegen Ende des 19. Jahrhunderts wandelte sich die Bedeutung des Lac d'Allos. Anfangs zog er hauptsächlich wohlhabende Bergsteiger an, die dem Trubel der aufkommenden Küstenresorts entfliehen wollten. Die Einrichtung des Nationalparks Mercantour im Jahr 1979 brachte dann zusätzlichen Schutz für dieses einzigartige Ökosystem und machte den See einem breiteren Publikum bekannt.

Der Nationalpark Mercantour

Der Lac d'Allos liegt inmitten des Nationalparks Mercantour, einem der zehn französischen Nationalparks und zweifellos einem der spektakulärsten. Auf einer Fläche von über 650 Quadratkilometern erstreckt sich hier eine der artenreichsten Regionen Europas – ein wahrer Hotspot der Biodiversität, in dem alpine und mediterrane Einflüsse aufeinandertreffen.

Bemerkenswert ist vor allem der Reichtum an Pflanzenarten: Über 2.000 verschiedene Blütenpflanzen wurden hier katalogisiert, darunter zahlreiche Endemiten, die nur in diesem kleinen Fleckchen Erde vorkommen. Um den Lac d'Allos herum blühen im Früh- und Hochsommer wahre Farbexplosionen aus Alpenrosen, Enzian, Edelweiß und seltenen Orchideenarten. Besonders augenfällig ist der scharfe Kontrast zwischen den kargen Felsregionen oberhalb des Sees und den saftig grünen Almwiesen an seinen Ufern.

Die Tierwelt steht dem floristischen Reichtum in nichts nach. Steinböcke balancieren mit verblüffender Leichtigkeit an den steilen Felswänden, während Gämsen in kleineren Rudeln die höheren Grasregionen durchstreifen. Das liebliche Pfeifen der Murmeltiere gehört zur akustischen Grundausstattung jeder Wanderung rund um den See – diese possierlichen Nager haben hier oben ihre Kolonien angelegt und lassen sich bei gutem Wetter ausgiebig beim Sonnenbaden beobachten. Mit etwas Glück kannst du sogar Steinadler am Himmel kreisen sehen, die majestätisch ihre Runden über dem Seebecken ziehen.

Tatsächlich ist der Mercantour auch einer der wenigen Orte in Westeuropa, wo in jüngster Zeit wieder Wölfe heimisch geworden sind. Keine Sorge – diese scheuen Tiere meiden den Menschen und sind für Wanderer praktisch nie zu sehen. Ihre Anwesenheit zeugt jedoch von der intakten Nahrungskette und dem gesunden Ökosystem des Parks.

Neben seiner natürlichen Bedeutung trägt der Nationalpark auch ein einzigartiges kulturelles Erbe. Im benachbarten Vallée des Merveilles ("Tal der Wunder") finden sich tausende prähistorische Felsritzungen, die von der jahrtausendealten menschlichen Präsenz in dieser Region zeugen. Diese älteste "Kunstgalerie" Frankreichs ist ein faszinierendes Zeitzeugnis, das bei einem verlängerten Aufenthalt in der Region unbedingt auf dem Programm stehen sollte.

Wann und wie zum Lac d'Allos?

Aufgrund seiner alpinen Höhenlage ist der Lac d'Allos nur während einer relativ kurzen Saison zugänglich. Von Mitte Juni bis Ende September präsentiert sich der See von seiner besten Seite – außerhalb dieser Zeit machen Schnee und Eis einen Besuch kompliziert bis unmöglich. Die Zufahrtsstraße bleibt im Winter geschlossen und wird meist erst im späten Frühjahr wieder geräumt.

Der ideale Zeitpunkt? Ende Juni bis Anfang Juli, wenn die Alpenwiesen in voller Blüte stehen und sich ein regelrechter Blütenteppich um den See legt. Gleichzeitig ist der Besucherandrang dann noch moderat. Im August, der französischen Hauptferienzeit, kann es hingegen durchaus voll werden auf den Wegen rund um den See. Wer die Ruhe sucht, kommt am besten wochentags oder wählt den September, wenn die Wanderwege wieder leerer und die Farben der beginnenden Lärchenverfärbung besonders intensiv sind.

Die Anreise erfolgt über die kleine Gemeinde Allos im Tal des Verdon. Von hier führt eine kurvenreiche, aber gut ausgebaute Bergstraße hinauf zum Parkplatz am Col d'Allos (2.247 m). Von dort sind es noch etwa 30-40 Minuten Fußmarsch bis zum See. Alternativ kannst du auch vom Parkplatz am Ende der D226 starten, der bereits näher am See liegt. Für die Anfahrt empfiehlt sich ein eigenes Fahrzeug, da öffentliche Verkehrsmittel in dieser abgelegenen Region Mangelware sind. Die nächsten größeren Städte sind Barcelonnette (30 km) und Digne-les-Bains (80 km).

Bei der Planung sollte unbedingt das Bergwetter berücksichtigt werden. Selbst im Hochsommer können hier oben plötzliche Wetterumschwünge auftreten – mit heftigen Gewittern, die binnen Minuten über dem See zusammenbrauen. Ein Blick auf die lokale Wettervorhersage ist daher Pflicht. Pack außerdem stets warme Kleidung ein, denn auch an sonnigen Tagen kann der Wind empfindlich kühl sein, und sobald die Sonne hinter den Bergen verschwindet, fällt die Temperatur rapide ab.

Da der See innerhalb der Kernzone des Nationalparks liegt, gelten besondere Schutzbestimmungen: Zelten ist verboten, Hunde müssen an der Leine geführt werden, und das Pflücken von Pflanzen steht unter Strafe. Diese Regeln mögen streng erscheinen, sorgen aber dafür, dass der See sein natürliches Gesicht bewahrt hat und auch für künftige Besuchergenerationen ein eindrucksvolles Naturerlebnis bietet.

Wanderwege und Aussichtspunkte

Der Lac d'Allos lässt sich auf verschiedene Weise erkunden. Am populärsten ist der etwa 5 Kilometer lange Rundweg, der den gesamten See umschließt und für den man je nach Tempo und Pausen zwischen 2 und 3 Stunden einplanen sollte. Der Pfad führt überwiegend flach am Ufer entlang, mit nur wenigen Steigungen, und ist daher auch für Familien mit Kindern oder weniger geübte Wanderer gut machbar. Unterwegs eröffnen sich immer wieder neue Perspektiven auf den See und die umliegenden Bergmassive.

Wer mehr Höhenmeter sammeln möchte, kann vom See aus den Aufstieg zum Gipfel des Mont Pelat wagen. Diese anspruchsvollere Tour führt über 800 Höhenmeter hinauf zum Dach des östlichen Mercantour und belohnt mit einem atemberaubenden Panoramablick, der bei klarer Sicht bis zum Mittelmeer reicht. Für den gesamten Auf- und Abstieg sollten mindestens 4-5 Stunden veranschlagt werden, und eine gewisse Trittsicherheit ist erforderlich, da der obere Teil des Weges über Geröllfelder führt.

Ein besonderer Geheimtipp für Fotografen ist der Sonnenaufgang am Ostufer des Sees. Wenn die ersten Strahlen über die Bergkämme kriechen und das türkise Wasser zum Leuchten bringen, entstehen Bilder von fast unwirklicher Schönheit. Zwar bedeutet dies, schon vor Tagesanbruch auf den Beinen zu sein, aber die Mühe wird durch die magische Morgenstimmung mehr als belohnt.

Knorrige, vom Wind zerzauste Lärchen säumen stellenweise das Ufer und bilden reizvolle Fotomotive vor der Kulisse des Sees. Besonders im Herbst, wenn sich die Nadeln goldgelb färben, entsteht ein faszinierender Farbkontrast zum Türkis des Wassers. Diese Lärchenwälder sind übrigens die höchstgelegenen ihrer Art in den französischen Alpen und zeugen von der besonderen Anpassungsfähigkeit dieser Baumart.

Ein weiterer lohnender Abstecher führt zum kleinen Bergsee Lac de la Petite Cayolle, der etwa eine Stunde Fußmarsch nordöstlich des Hauptsees liegt. Hier geht es deutlich ruhiger zu, und nicht selten hat man diesen versteckten Winkel ganz für sich allein. Der schmale Pfad dorthin schlängelt sich durch blumenübersäte Almwiesen und bietet unterwegs immer wieder grandiose Ausblicke auf die umliegende Berglandschaft.

Praktische Hinweise und Verhaltensregeln

Als Teil eines Nationalparks unterliegt der Lac d'Allos strengen Schutzbestimmungen, die zum Erhalt dieses einzigartigen Naturjuwels beitragen. Grundsätzlich gilt das Prinzip "Hinterlasse keine Spuren" – alles mitgebrachte Material, einschließlich Verpackungen und Essensreste, muss wieder mit ins Tal genommen werden. Abseits der markierten Wege sollte nicht gelaufen werden, um die empfindliche Alpine Vegetation nicht zu schädigen.

Das Sammeln von Pflanzen, Pilzen oder Mineralien ist im gesamten Parkgebiet untersagt, ebenso wie das Entfachen von Feuern. Für Fotografen wichtig: Drohnenflüge sind ohne Sondergenehmigung nicht erlaubt, da sie die Tierwelt stören könnten. Hunde dürfen zwar mitgeführt werden, müssen aber stets an der Leine bleiben – eine Regelung, die vor allem dem Schutz der Wildtiere und Weidetiere dient.

Die Nationalparkverwaltung bittet außerdem darum, bei Sichtung besonderer Tierarten – etwa Steinadler oder Wölfe – diese zu melden, da solche Beobachtungen wertvolle Daten für die wissenschaftliche Arbeit liefern. In den Besucherzentren in Allos und Colmars können entsprechende Formulare ausgefüllt werden.

Was die Ausrüstung betrifft, so sind feste Wanderschuhe auch für die einfacheren Routen rund um den See empfehlenswert. Die Witterung kann schnell umschlagen, daher sollten stets Regenjacke und warme Kleidung im Gepäck sein. Ein Hut und Sonnenschutz sind aufgrund der intensiven Höhensonne ebenfalls unverzichtbar. Da in der Umgebung des Sees keine Geschäfte oder Kioske existieren, sollte ausreichend Proviant und Trinkwasser mitgenommen werden.

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