Frankreich

Türkise Tiefe, schwindelnde Höhe: Der Lac de Monteynard und seine Hängebrücken

Türkisfarbenes Wasser trifft auf steile Schluchten. Zwischen den Berggipfeln schwingen zwei Hängebrücken in schwindelerregender Höhe. Am Lac de Monteynard-Avignonet wird Alpinnatur zum Abenteuer.

Frankreich  |  Sehenswertes & Attraktionen
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Zwischenablage

Der Lac de Monteynard-Avignonet zählt zu den versteckten Perlen des Départements Isère in der Region Auvergne-Rhône-Alpes. Fernab der bekannteren Seen wie dem Lac d'Annecy oder dem Lac du Bourget liegt dieser türkisfarbene Stausee eingebettet zwischen den wildromantischen Gebirgszügen des Vercors und des Trièves. Seine schimmernde Wasserfläche erstreckt sich über eine Länge von mehr als 10 Kilometern und erreicht stellenweise Tiefen von bis zu 115 Metern. Entstanden ist das Gewässer 1962 durch die Aufstauung des Flusses Drac – ein wasserbauliches Projekt, das die Landschaft grundlegend veränderte und heute ein faszinierendes Spannungsfeld zwischen menschgemachter Infrastruktur und wilder Natur bietet.

Die Besonderheit des Sees liegt nicht allein in seinem ungewöhnlich intensiven Türkis – eine Folge der Mineralien im Gletscherwasser, das den See speist. Der Lac de Monteynard ist vor allem für zwei spektakuläre Fußgängerhängebrücken bekannt geworden, die seit 2007 tiefe Schluchten über seinen Seitenarmen überspannen. Bei Wanderern, Abenteuerlustigen und Fotografen hat sich der See deswegen längst einen Namen gemacht, während er für den Massentourismus glücklicherweise nach wie vor unter dem Radar fliegt.

Die Hängebrücken – Nervenkitzel in luftiger Höhe

Die beiden Fußgängerhängebrücken über dem Lac de Monteynard-Avignonet sind keine gewöhnlichen Überquerungshilfen, sondern ingenieurstechnische Meisterwerke und echte Adrenalinkicks für Besucher. Sie tragen die recht prosaischen Namen "Passerelle de l'Ebron" und "Passerelle de la Drame" – benannt nach den beiden Flüssen, über deren Mündungsschluchten sie sich schwingen.

Die Passerelle de l'Ebron erreicht eine beachtliche Länge von 180 Metern und schwebt dabei 45 Meter über dem gelegentlich sichtbaren Flusslauf. Ihre Schwester, die Passerelle de la Drame, misst 220 Meter und hängt sogar 85 Meter über der Schluchttiefe. Beide Brücken wurden von dem Himalaya-Spezialisten und Ingenieur Alain Dindeleux konzipiert, der seine Erfahrungen aus dem Bau von Hängebrücken in Nepal auf dieses alpine Projekt übertrug. Der Clou: Die Konstruktionen sind bewusst flexibel gehalten – bei Wind oder wenn mehrere Menschen gleichzeitig die Brücke betreten, spürt man ein deutliches Schwanken. Nichts für schwache Nerven, aber genau das macht den besonderen Reiz dieser Übergänge aus.

Wenn man auf der Mitte einer der Brücken steht, schwankend über dem Abgrund, mit Blick auf das türkisfarbene Wasser tief unten und die majestätischen Berggipfel rundum, beschleicht einen unweigerlich ein Gefühl der Erhabenheit. Ein paar tief durchatmen, das Knistern der Stahlseile im Ohr und der Wind, der um die Ohren pfeift – Momente, die sich ins Gedächtnis einbrennen.

Der Rundwanderweg – Eine Tagestour der Extraklasse

Um beide Hängebrücken zu erleben, bietet sich der 12,5 Kilometer lange Rundwanderweg an, der unter Kennern als "Tour des Passerelles" bekannt ist. Starting point ist meist Mayres-Savel oder Treffort, wo ausreichend Parkmöglichkeiten vorhanden sind. Die komplette Umrundung nimmt etwa 4-5 Stunden in Anspruch – je nachdem, wie oft man für Fotos oder einfach zum Staunen anhält.

Der Pfad folgt größtenteils dem Seeufer, führt durch kleine Waldabschnitte und über offene Hänge mit spektakulären Ausblicken. Zwischendurch begegnet man immer wieder kleinen Badebuchten, wo sich eine Abkühlung in den erfrischenden Fluten anbietet. Zwar ist der Weg technisch nicht besonders anspruchsvoll, dennoch sollte man festes Schuhwerk tragen und ausreichend Wasser mitnehmen. Der Höhenunterschied auf der Strecke beträgt etwa 250 Meter.

Besonders reizvoll: Der Weg ist gut markiert, aber nicht überlaufen. Selbst in der Hochsaison begegnet man nur vereinzelt anderen Wanderern. Keine Seltenheit, dass man minutenlang allein ist, nur begleitet vom Plätschern der Wellen und dem gelegentlichen Kreischen eines Adlers, der über dem See kreist.

Wetter und beste Reisezeit – Planung ist alles

Der Lac de Monteynard-Avignonet liegt auf einer Höhe von etwa 500 Metern und ist damit klimatisch begünstigt. Von Mai bis Oktober präsentiert sich der See von seiner besten Seite, wobei die Sommermonate Juli und August natürlich die höchsten Temperaturen und stabilstes Wetter bieten. Da bringt's das Thermometer leicht auf 30 Grad und mehr – perfekt für Schwimmausflüge.

Eine Besonderheit des Sees ist der regelmäßig auftretende Nordwind "Le Vent Blanc" (Der weiße Wind), der sich nachmittags verstärkt und den See zu einem Paradies für Windsurfer und Kitesurfer macht. Für Wanderer kann dieser Wind je nach Stärke die Überquerung der Hängebrücken zu einem noch intensiveren Erlebnis machen – oder sie sogar temporär unmöglich werden lassen. Bei Sturmwarnungen werden die Brücken gesperrt, was bei der Tourenplanung zu berücksichtigen ist.

Der Frühling bietet mit seiner Blütenpracht und den noch schneebedeckten Gipfeln am Horizont besonders fotogene Panoramen, während der Herbst mit seiner klaren Luft und den bunten Laubwäldern ringsum magische Stimmungen zaubert. Im Winter sind die Hängebrücken in der Regel geschlossen, aber der See selbst mit seiner dann oft mystischen Nebelstimmung durchaus einen Abstecher wert.

Aktivitäten am und auf dem Wasser – Mehr als nur Wandern

Der Lac de Monteynard-Avignonet bietet weit mehr als nur die berühmten Hängebrücken. Das langgestreckte Gewässer ist ein Eldorado für Wassersportler. Wind- und Kitesurfer nutzen die verlässlichen Thermikwinde, die fast täglich über den See fegen. Der "Vent Blanc" setzt meist gegen Mittag ein und erreicht am Nachmittag seine stärkste Intensität – ein Phänomen, das den See zu einem der besten Surfreviere Frankreichs macht.

Für diejenigen, die es lieber ruhiger angehen lassen, bieten sich Stand-up-Paddling oder Kajakfahren an. Mehrere Verleihe in Treffort und Mayres-Savel stellen das nötige Equipment zur Verfügung. Besonders eindrucksvoll: Eine Kajaktour zu den Füßen der Hängebrücken, um die imposanten Konstruktionen einmal aus der Froschperspektive zu bestaunen. Das Platschen der Paddel im türkisblauen Wasser, während man langsam in die Schlucht hineingleitet und die Brücke in schwindelerregender Höhe über sich sieht – ein Perspektivwechsel, der sich lohnt.

Auch Angelfans kommen am Lac de Monteynard auf ihre Kosten. Der See beherbergt einen beachtlichen Bestand an Hechten, Zandern und Forellen. Für das Angeln ist allerdings eine französische Angelkarte erforderlich, die in den umliegenden Gemeinden erworben werden kann.

Kulinarisches und Übernachtung – Regionale Schätze entdecken

Die Gegend um den Lac de Monteynard-Avignonet ist keine typische Touristenregion mit unzähligen Restaurants und Hotels. Gerade das macht ihren besonderen Charme aus. In den umliegenden Dörfern wie Treffort und Mayres-Savel finden sich authentische Landgasthöfe, die regionale Spezialitäten servieren. Ein Muss: Der berühmte Käse "Bleu du Vercors-Sassenage", eine lokale Blauschimmelkäse-Variation, die hervorragend mit einem Glas Weißwein aus der Region harmoniert.

Für die Übernachtung bieten sich mehrere Optionen an. Direkt am See gibt es einen gut ausgestatteten Campingplatz in Treffort, der von April bis September geöffnet ist. Etwas rustikaler geht's auf den Naturcampingplätzen zu, die nur das Nötigste bieten, dafür aber mit direktem Seezugang punkten. Wer es komfortabler mag, findet in den umliegenden Dörfern charmante Chambres d'hôtes (Gästezimmer) oder Ferienwohnungen.

Eine besondere Erfahrung: Die Übernachtung in einer der traditionellen Berghütten, die von lokalen Vereinen bewirtschaftet werden. Hier teilt man sich oft den Schlafsaal mit anderen Wanderern, wird aber mit hausgemachter regionaler Küche und unvergleichlichen Sonnenauf- und -untergängen belohnt. Die Hütte "Refuge de la Peyrouse" liegt etwas oberhalb des Sees und bietet einen atemberaubenden Panoramablick über das gesamte Gebiet.

Anreise und praktische Tipps – Gut vorbereitet unterwegs

Der Lac de Monteynard-Avignonet liegt etwa 30 Kilometer südlich von Grenoble, der Hauptstadt des Départements Isère. Mit dem Auto erreicht man den See über die Autobahn A51, Ausfahrt Monestier-de-Clermont, und dann weiter über Landstraßen. Die nächsten Bahnhöfe befinden sich in Grenoble und Monestier-de-Clermont, von wo aus Busse in die Seenregion verkehren – allerdings mit eingeschränktem Fahrplan außerhalb der Hauptsaison.

Einige Dinge, die man im Rucksack haben sollte: Sonnenschutz ist unverzichtbar, da an klaren Tagen die Sonneneinstrahlung durch die Reflexion des Wassers verstärkt wird. Festes Schuhwerk ist für die Wanderwege rund um den See ein Muss, insbesondere wenn man den kompletten Rundweg mit beiden Hängebrücken in Angriff nehmen möchte. Eine Windjacke sollte ebenfalls nicht fehlen, denn selbst an warmen Sommertagen kann der "Vent Blanc" für frische Momente sorgen.

Für Familien mit kleineren Kindern ist zu beachten, dass die Hängebrücken zwar ein fantastisches Erlebnis sind, aber bei manchen Kids auch Höhenangst auslösen können. Die Geländer sind hoch genug, um Sicherheit zu gewährleisten, aber das Schwanken der Konstruktion kann für Unsicherheit sorgen. Es gibt allerdings kürzere Rundwege, die nur eine der beiden Brücken einschließen und somit auch für Familien gut machbar sind.

Ein Blick über den Tellerrand – Was die Umgebung noch bietet

Der Lac de Monteynard-Avignonet liegt in einer Region, die noch viele weitere Schätze bereithält. Ein Abstecher ins nahe gelegene Naturschutzgebiet des Vercors lohnt sich allemal. Das Hochplateau mit seinen schroffen Kalksteinfelsen, tiefen Schluchten und artenreichen Wäldern gilt als eines der beeindruckendsten Naturgebiete Frankreichs. Besonders faszinierend: Die "Gorges du Furon", eine enge Schlucht mit kristallklarem Wasser, die zum Canyoning einlädt.

Kulturinteressierte kommen in der mittelalterlichen Stadt Die auf ihre Kosten. Die Kathedrale Notre-Dame aus dem 12. Jahrhundert thront majestätisch über der Altstadt und zeugt von der historischen Bedeutung der Region. Jedenfalls zählt Die zu den schönsten Städtchen der südlichen Alpen – kompakte Größe, aber voller historischer Substanz.

Nur eine Autostunde entfernt liegt auch der Parc National des Écrins, einer der größten Nationalparks Frankreichs mit alpinen Landschaften von atemberaubender Schönheit. Gletscher, Bergseen und eine vielfältige Flora und Fauna machen das Gebiet zu einem Paradies für Naturliebhaber und ambitionierte Bergsteiger.

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