Manchmal ist es das Beste, wenn ein Ort nicht jeder kennt. Das Valle del Vanoi gehört definitiv zu dieser Kategorie. Auf 125 Quadratkilometern erstreckt sich diese grüne Oase zwischen der imposanten Lagorai-Kette und dem Granitkomplex von Cima d'Asta. Über 750 Meter über dem Meeresspiegel leben hier gerade mal 1600 Menschen – und die haben offenbar das Geheimnis der Gelassenheit entdeckt.
Wer das Tal erreichen möchte, nimmt am besten den Straßentunnel bei Togoda. Diese Route verbindet die Strada Statale 50 del Grappa mit dem Rolle-Pass. Alternativ führt von Castello Tesino aus die Provinzstraße 79 über den Brocon-Pass ins Tal, oder du wählst den Weg über den Gobbera Pass. Besonders reizvoll sind die Panoramastraßen von Imer und Gobbera – hier eröffnen sich bereits während der Anfahrt spektakuläre Blicke auf die bewaldeten Hänge und die kleinen Weiler von Ronco.
Das Valle del Vanoi trägt seinen Beinamen "Grünes Herz des Trentino" völlig zu Recht. Weite Wälder wechseln sich ab mit saftigen Weiden, kristallklaren Seen und verstreuten Bergdörfern. Die Landschaft wirkt wie aus dem Bilderbuch – nur echter halt.
Zwischen Tabis und Ritongas – Architektur mit Charakter
Die Dörfer im Vanoi-Tal erzählen ihre eigenen Geschichten. Steinerne Hütten, Schutzhütten aus Holz und alte Scheunen prägen das Bild. Besonders typisch sind die sogenannten "Tabis" – multifunktionale Gebäude, die gleichzeitig als Stall und Scheune dienten. Daneben findest du die "Ritongas", alte Herdstellen, und charakteristische Balkone, die das ganze Jahr über zur Lagerung von Lebensmitteln genutzt wurden.
Spannend wird's, wenn du zwischen den Hängen nach den Überresten alter Bergwerke suchst. Kupfer, Blei und Silber wurden hier einst abgebaut. Die verlassenen Stollen erinnern daran, dass das Tal schon früh wirtschaftlich genutzt wurde – allerdings deutlich sanfter als in anderen Bergbauregionen.
Heute gehört das gesamte Gebiet zum Naturpark Paneveggio und Pale di San Martino. Das bedeutet: Die Natur steht unter Schutz, und Tausende von Pflanzenarten, Blumen und Vögeln haben hier ihr Zuhause gefunden. Für Botanik-Fans ist das Tal ein wahres Eldorado – seltene und geschützte Arten lassen sich in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten.
Canal San Bovo und Co. – Die Dörfer im Detail
Canal San Bovo liegt auf etwa 740 Metern Höhe und ist wohl das bekannteste Dorf der Region. Der Ort schmiegt sich malerisch an den Lozen-Bach und bietet alles, was ein Alpendorf ausmacht: grüne Wiesen voller traditioneller Bauernhäuser, Tibis und Scheunen. Hier befindet sich auch der Sitz des örtlichen Ökomuseums, das verschiedene Outdoor-Aktivitäten für Einheimische und Besucher organisiert.
Caoria ist ein weiteres Juwel unter den Alpendörfern. Etwas abseits der Hauptrouten gelegen, hat es sich seine ursprüngliche Atmosphäre bewahrt. Das gilt auch für Gobbera, wo noch die Überreste der alten Kirche San Silvestro zu finden sind – umgeben von typischen ländlichen Gebäuden des Vanoi-Tals.
Die kleinen Weiler, die zusammen Ronco bilden, sind besonders fotogen. Prade und Zortea etwa thronen auf natürlichen Panoramaterrassen und bieten fantastische Ausblicke auf die umliegenden Berghänge. Hier oben spürst du richtig, wie sich die Bergluft von der Talluft unterscheidet – klarer, frischer, irgendwie belebender.
Wasser in allen Formen – Flüsse, Bäche und Gletscherseen
Mit zunehmender Höhe steigen auch die Niederschläge – ein Glück für das Vanoi-Tal. Oberhalb von tausend Metern entwickeln sich entlang der Lagorai-Kette zahlreiche regenreiche Bäche, die das Vanoi-Becken speisen und schließlich in den Cismon münden. Die Flüsse Brentella und Boalon sowie der Bach Lozen durchziehen die Landschaft und haben über Jahrtausende beeindruckende geologische Formationen geschaffen.
Richtig spektakulär wird's oberhalb von 1500 Metern: Hier warten die fünf Gletscherseen des Monte Stelle delle Sute auf Entdecker. Der Star unter ihnen ist zweifellos der Calaita-See. Er dient als Ausgangspunkt oder Ziel zahlreicher Wanderrouten, die sowohl das Vanoi- als auch das Lozen-Tal durchqueren. Der See wird von Schmelzwasser aus den darüber liegenden Geröllfeldern gespeist und liegt eingebettet in eine Landschaft von wilder, unberührter Schönheit.
Im Frühjahr und Sommer verwandelt sich die Umgebung in ein Meer aus Grüntönen. Das Spiel von Licht und Schatten auf der Wasseroberfläche, dazu das gelegentliche Plätschern eines Bachs – hier findest du die Art von Ruhe, die in unserer hektischen Welt selten geworden ist.
Abseits des Massentourismus – Was das Tal besonders macht
Während andere Täler im Trentino längst vom Tourismus überrollt wurden, hat sich das Vanoi-Tal seinen ursprünglichen Charakter bewahrt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es nie so stark vermarktet wurde wie seine bekannteren Nachbarn. Das Resultat: Du kannst die Schönheiten der Region tatsächlich in Ruhe genießen, ohne dich durch Menschenmassen kämpfen zu müssen.
Diese Authentizität spürst du überall. In den kleinen Dorfläden, wo noch echte Gespräche geführt werden. In den Gasthäusern, wo regionale Spezialitäten ohne viel Tamtam serviert werden. Auf den Wanderwegen, wo du stundenlang unterwegs sein kannst, ohne anderen Wanderern zu begegnen.
Trotzdem ist das Tal keineswegs abgeschnitten von der Welt. Mit über 150 Unterkünften verschiedener Kategorien – von B&Bs über Hotels bis hin zu Herbergen – ist für jeden Geschmack und Geldbeutel etwas dabei. Die meisten Unterkünfte sind familiengeführt, was den persönlichen Charakter der Region unterstreicht.
Kultur und Geschichte hautnah erleben
Das örtliche Ökomuseum in Canal San Bovo ist mehr als nur eine Sammlung alter Gegenstände. Es erzählt die Geschichte des Tals, seiner Bewohner und ihrer besonderen Beziehung zur Bergwelt. Die Ausstellungen widmen sich sowohl der Bergbau-Vergangenheit als auch den traditionellen Lebensweisen der Talbewohner.
Im Sommer finden regelmäßig Veranstaltungen statt, die Einheimische und Besucher zusammenbringen. Das bekannte "Festa delle Brise" ist dabei nur ein Höhepunkt – hier wird die lokale Küche zelebriert und Tradition lebendig gehalten, ohne dass es sich wie eine Touristenattrappe anfühlt.
Aktivitäten für jeden Typ
Das Vanoi-Tal passt sich seinen Besuchern an, nicht umgekehrt. Sportbegeisterte finden hier ein Netz aus Trekkingrouten und Mountainbike-Strecken, die von gemütlichen Spaziergängen bis hin zu anspruchsvollen Bergtouren reichen. Die Routen sind gut markiert und führen oft zu den erwähnten Berghütten, wo du übernachten und dich mit regionalen Spezialitäten stärken kannst.
Wer es entspannter mag, kann die zahlreichen Radwege nutzen oder einfach durch die Dörfer flanieren. Die geringe Verkehrsdichte macht das Radfahren zu einem echten Vergnügen – hier musst du nicht ständig auf Autos achten.
Families mit kleinen Kindern schätzen die leichte Erreichbarkeit der meisten Ausflugsziele und die sichere Umgebung. Die Wege sind größtenteils gut begehbar, und die Distanzen zwischen den Dörfern sind überschaubar. Gleichzeitig bietet die Natur genug Abwechslung, um auch unruhige Geister bei Laune zu halten.
Praktische Tipps für deinen Besuch
Die beste Reisezeit für das Vanoi-Tal ist eindeutig der Sommer. Zwischen Juni und September zeigt sich die Region von ihrer schönsten Seite – die Wiesen sind saftig grün, die Wege gut begehbar, und die Berghütten haben geöffnet. Im Frühjahr kann es noch recht kühl werden, dafür hast du die Gegend praktisch für dich allein.
Was die Ausrüstung angeht, solltest du auf jeden Fall feste Wanderschuhe einpacken, auch wenn du nur gemütliche Spaziergänge planst. Die Wege können nach Regenfällen rutschig werden, und in höheren Lagen ist das Terrain generell anspruchsvoller. Eine Regenjacke gehört ebenfalls ins Gepäck – Bergwetter kann schnell umschlagen.
Für Übernachtungen empfiehlt es sich, rechtzeitig zu buchen, besonders wenn du in einer der traditionellen Berghütten nächtigen möchtest. Die Plätze sind begrenzt, und die Hütten sind bei Kennern durchaus beliebt.