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Alpe di Siusi: Hochplateau der Superlative und die Dolomiten zum Greifen nah

Majestätische Gipfel umrahmen eine sanfte, grüne Hochebene wie steinerne Wächter. Die Alpe di Siusi ist kein gewöhnlicher Ort in den Alpen – sie ist ein Naturphänomen, das selbst Vielgereiste zum Staunen bringt.

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Zwischenablage

Die Alpe di Siusi – oder auf Deutsch Seiser Alm genannt – erstreckt sich auf rund 56 Quadratkilometern zwischen 1.680 und 2.350 Metern Höhe inmitten der Südtiroler Dolomiten. Als größte Hochalm Europas bietet sie eine Landschaft, die selbst routinierte Alpenkenner ins Schwärmen bringt. Wer zum ersten Mal den Blick über die sanft gewellte, sattgrüne Hochebene schweifen lässt, die von den markanten Felszacken der Dolomiten umrahmt wird, kann leicht vergessen, dass er sich nicht in einer Filmkulisse, sondern in einer real existierenden Naturlandschaft befindet.

Die Seiser Alm gehört zur Gemeinde Kastelruth in Südtirol und liegt eingebettet zwischen dem Grödner Tal und dem Schlernmassiv. Charakteristisch für das Gebiet ist der Kontrast zwischen den weichen, grasbedeckten Hügeln der Alm und den schroffen Felswänden der umliegenden Berge. Der Blick auf den 2.563 Meter hohen Schlern mit seiner markanten Silhouette ist dabei fast allgegenwärtig – wie ein steinerner Riese wacht er über die Hochebene und hat sich als inoffizielles Wahrzeichen der Region etabliert.

Geologisch betrachtet ist die Entstehung der Alpe di Siusi eine Rarität: Während vor rund 200 Millionen Jahren hier noch ein tropisches Meer plätscherte, schoben tektonische Kräfte später den Meeresboden nach oben. Die charakteristischen Dolomitfelsen sind versteinerte Korallenriffe aus dieser Zeit – eine Tatsache, die beim Anblick der schroffen Zacken kaum zu glauben ist. Die weichen Almflächen hingegen entstanden durch Erosion und Gletscherbewegungen, die das Gebiet während der Eiszeiten formten.

Seit 2009 gehört die Region zum UNESCO-Weltnaturerbe, was nicht nur ihrer Schönheit, sondern auch der geologischen und ökologischen Bedeutung Rechnung trägt. Heutzutage leben hier nicht nur Naturfreunde auf, sondern auch Kulturinteressierte: Die Landschaft ist stark durch jahrhundertealte Bewirtschaftungstraditionen geprägt, die bis heute lebendig sind.

Anreise und praktische Infos

Der Zugang zur Alpe di Siusi unterliegt strengen Regulierungen – und das aus gutem Grund. Um die einzigartige Naturlandschaft zu schützen, ist die Zufahrt mit privaten Kraftfahrzeugen stark eingeschränkt. Wer das Hochplateau mit dem eigenen Auto erreichen möchte, darf dies nur zwischen 5 und 9 Uhr morgens sowie zwischen 17 und 23 Uhr – und auch dann nur, wenn er in einem der Gasthöfe oder Hotels auf der Alm übernachtet. Tagesgäste müssen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, was der Umwelt zugutekommt und nebenbei die Nerven schont.

Die gängigste Anreisemöglichkeit führt über die Seilbahn von Seis am Schlern (italienisch: Siusi allo Sciliar) hinauf nach Compatsch, dem Hauptort der Seiser Alm. Die Gondelbahn überwindet die 800 Höhenmeter in knapp 15 Minuten und entlohnt bereits während der Fahrt mit atemberaubenden Ausblicken. Alternativ kannst du auch die Seilbahn von St. Ulrich/Ortisei im Grödner Tal nutzen, die zur Bergstation Monte Piz führt, von wo aus du die Alm erwandern kannst.

Compatsch fungiert als Dreh- und Angelpunkt der Seiser Alm. Hier findest du Touristeninformation, Restaurants, Sportgeschäfte und den Ausgangspunkt für viele Wanderungen und Winteraktivitäten. Von hier aus verkehren auch regelmäßig Alm-Busse zu verschiedenen Punkten der weitläufigen Hochebene – sinnvoll für alle, die lange Fußmärsche vermeiden möchten. Der Fahrpreis ist in der sogenannten "Mobilcard" enthalten, die viele Hotels ihren Gästen kostenlos zur Verfügung stellen.

Apropos Übernachtung: Die Unterkünfte auf der Alpe di Siusi reichen von luxuriösen Wellnesshotels bis hin zu urigen Berghütten. Mittendrin gibt's charmante Familienhotels und liebevoll geführte Pensionen. Preislich bewegt man sich hier allerdings im gehobenen Segment – günstige Schnäppchen sind rar gesät. Die Kosten werden jedoch durch eine meist exzellente Küche und den unvergleichlichen Ausblick kompensiert. Wer's preiswerter mag, findet in den umliegenden Tälern wie etwa in Kastelruth oder St. Ulrich günstigere Alternativen und kann tagsüber hinauffahren.

Die beste Reisezeit? Tja, das hängt stark davon ab, was du erleben möchtest. Für Wanderer empfiehlt sich die Zeit von Juni bis Oktober, wobei besonders der frühe Sommer mit seiner Blütenpracht und der Herbst mit dem goldenen Almenlicht spektakuläre Naturerlebnisse versprechen. Wintersportler kommen von Dezember bis März voll auf ihre Kosten, wenn eine zuverlässige Schneedecke die Alm bedeckt. Die Hauptsaison bringt natürlich auch mehr Besucher mit sich – wer's ruhiger mag, sollte die Randsaison wie etwa Mai oder November in Betracht ziehen, muss dann aber mit wettertechnischen Überraschungen und eingeschränktem Betrieb einiger Einrichtungen rechnen.

Sommeraktivitäten – Mehr als nur Wandern

Die Alpe di Siusi gilt als Paradies für Wanderer – und das völlig zurecht. Das weitläufige Wegenetz mit über 350 Kilometern markierten Pfaden bietet Routen für jedes Fitness-Level. Von gemütlichen Spaziergängen auf breiten Wegen bis hin zu anspruchsvollen Bergtouren auf die umliegenden Gipfel ist alles vertreten. Besonders beliebt sind die Wanderungen zum Hexenbänken am Fuße des Schlern, von wo aus sich ein grandioser Panoramablick über die gesamte Alm bis hin zu den fernen Ötztaler Alpen eröffnet.

Eine Besonderheit der Seiser Alm ist ihre vergleichsweise moderate Höhenlage, die selbst ungeübten Wanderern Touren ohne extreme Höhenunterschiede ermöglicht. Mit den zahlreichen bewirtschafteten Almhütten entlang der Wege ist zudem für regelmäßige Einkehrmöglichkeiten gesorgt. Dort erwarten dich nicht nur kühle Getränke, sondern auch kulinarische Spezialitäten der Südtiroler Küche – von deftigen Knödelvariationen bis hin zu süßen Krapfen.

Mountainbiker finden hier ebenfalls ihr Eldorado. Die Hochfläche mit ihren sanften Anstiegen eignet sich perfekt für gemütliche Touren mit der ganzen Familie, während ambitionierte Biker die anspruchsvolleren Routen hinab ins Tal oder hinauf zu den umliegenden Gipfeln in Angriff nehmen können. Zu beachten ist allerdings, dass nicht alle Wanderwege auch für Radfahrer freigegeben sind – die entsprechenden Hinweisschilder sollten respektiert werden.

Sehnt sich dein Rücken nach zwei Trainingstagen nach Entlastung, bietet sich ein Ausritt zu Pferde an. Mehrere Reiterhöfe auf der Alm bieten geführte Touren für Anfänger und Fortgeschrittene an. Auf dem Rücken der Pferde eröffnet sich eine ganz andere Perspektive auf die Landschaft, und das gleichmäßige Schaukeln im Sattel hat fast schon meditativen Charakter. Für Kinder sind die Ponytouren ein besonderes Highlight und vermitteln erste Eindrücke vom Reitsport.

Nicht zu vergessen ist der Saltriabach, der die Alm durchfließt und besonders an heißen Sommertagen zur Erfrischung einlädt. Stellenweise bildet er kleine Tümpel, in denen Kinder planschen können, während ihre Eltern die Füße ins kühle Nass halten. Das plätschernde Wasser sorgt für eine idyllische Kulisse während der Mittagspause auf einer der vielen Picknickwiesen.

Sportskanonen kommen beim Gleitschirmfliegen auf ihre Kosten. Von bestimmten Startplätzen aus kannst du förmlich über die Seiser Alm schweben und die grandiose Landschaft aus der Vogelperspektive erleben. Anfänger buchen einen Tandemflug mit erfahrenen Piloten, während Fortgeschrittene nach Einweisung auch alleine abheben dürfen. Der Anblick der Hochalm aus der Luft ist schlichtweg unvergesslich – die Almhütten wirken wie Spielzeughäuser, und die geometrischen Muster der Weideflächen erinnern an ein riesiges Patchwork aus verschiedenen Grüntönen.

Winterzauber

Wenn der Winter Einzug hält und eine weiße Decke über die Seiser Alm legt, verwandelt sich das Gebiet in ein vielseitiges Wintersportparadies. Mit über 60 Kilometern bestens präparierten Pisten gehört das Skigebiet zu den beliebtesten in den Dolomiten – nicht wegen seiner Größe, sondern wegen seiner Vielseitigkeit. Die meist sanft abfallenden Hänge eignen sich hervorragend für Familien mit Kindern und Anfänger, die hier in aller Ruhe ihre ersten Schwünge üben können.

Die moderne Liftinfrastruktur mit 23 Anlagen sorgt für kurze Wartezeiten, selbst in der Hochsaison. Besonders praktisch: Mit dem "Dolomiti Superski"-Pass hast du Zugang zu insgesamt 12 Skigebieten in den Dolomiten mit insgesamt über 1.200 Pistenkilometern. So kannst du von der Seiser Alm aus einen Abstecher ins benachbarte Gröden machen oder die berühmte Sellaronda – eine Skitour rund um den Sellastock – in Angriff nehmen.

Langlauffreunde finden auf der Alpe di Siusi ein wahres Eldorado vor. Rund 80 Kilometer gespurte Loipen durchziehen die Hochebene und bieten sowohl für klassische Läufer als auch für Skatingstil-Fans optimale Bedingungen. Die flache Topografie macht das Gebiet besonders attraktiv für Einsteiger und Genussläufer, während einige anspruchsvollere Strecken auch Profis ins Schwitzen bringen können. Ein besonderes Highlight ist die Panoramaloipe, die entlang des Schlernmassivs führt und immer wieder atemberaubende Ausblicke auf die umliegenden Dolomitengipfel freigibt.

Abseits von Ski und Langlauf hat sich die Seiser Alm als Paradies für Winterwanderer und Schneeschuhgeher etabliert. Zahlreiche geräumte und beschilderte Winterwanderwege führen durch die verschneite Landschaft, vorbei an tief verschneiten Fichten und traditionellen Almhütten, deren Schornsteine gemütlich vor sich hin rauchen. Das Knirschen des Schnees unter den Füßen und die kristallklare Winterluft sorgen für ein unvergleichliches Naturerlebnis, das durch eine Einkehr in eine der urigen Hütten perfekt abgerundet wird. Dort wärmt man sich an einem Jagatee oder einer heißen Schokolade, während der Blick über die glitzernde Winterlandschaft schweift.

Für Adrenalinjunkies bietet die Moonlightpiste ein besonderes Erlebnis. Jeden Donnerstagabend wird eine ausgewählte Piste beleuchtet und bleibt bis in die späten Abendstunden geöffnet. Das Skifahren unter dem Sternenhimmel, mit Blick auf die beleuchteten Dörfer im Tal, ist ein unvergessliches Erlebnis, das in der Après-Ski-Bar seinen gebührenden Ausklang findet.

Familien mit Kindern schätzen besonders den gut ausgestatteten Kinderpark in der Nähe der Bergstation Compatsch. Hier können die Kleinsten unter fachkundiger Anleitung ihre ersten Versuche auf Skiern unternehmen oder sich beim Rodeln austoben, während die Eltern eine anspruchsvollere Tour in Angriff nehmen können. Die Schneesicherheit der Hochalm – dank ihrer Höhenlage und moderner Beschneiungsanlagen – garantiert Winterspaß von Dezember bis weit in den April hinein.

Lebendige Traditionen auf der Hochalm

Die kulturelle Identität der Alpe di Siusi ist eng verwoben mit den Traditionen der ladinischen Bevölkerung, einer eigenständigen Sprachgruppe im Herzen der Dolomiten. Die Ladiner haben über Jahrhunderte ihre eigenständige Kultur bewahrt, und ihre Sprache – eine romanische Sprache, die sich aus dem Vulgärlatein entwickelte – wird noch heute in den umliegenden Tälern gesprochen. Auf der Seiser Alm begegnet dir diese kulturelle Besonderheit in Ortsnamen, lokalen Festen und in der Architektur der traditionellen Bauernhöfe.

Die charakteristischen Holzhäuser mit ihren weiten, überhängenden Dächern und kunstvoll geschnitzten Balkonen erzählen von einer Zeit, in der die Almwirtschaft den Lebensrhythmus der Menschen bestimmte. Noch heute werden viele der alten Höfe bewirtschaftet, wenn auch oft mit moderner Technologie hinter historischen Fassaden. Ein Besuch eines solchen Hofes gibt Einblicke in das traditionelle Handwerk der Region – sei es Holzschnitzerei, Weberei oder Käseherstellung.

Im Hochsommer, wenn die Almwiesen in voller Blüte stehen, wird auf der Seiser Alm das "Almabtriebsfest" gefeiert. Nach monatelangem Aufenthalt auf den Hochalmen werden die Kühe für den Winter zurück ins Tal getrieben. Zu diesem feierlichen Anlass schmückt man die Tiere mit aufwendigen Blumenkränzen und großen Glocken. Nach dem erfolgreichen Abtrieb folgen Musik, Tanz und natürlich deftige Schmankerl aus der lokalen Küche – ein Fest, das Einheimische und Touristen gleichermaßen anzieht.

Die religiöse Tradition spiegelt sich in den zahlreichen kleinen Kapellen und Wegkreuzen wider, die über die gesamte Alm verstreut sind. Viele dieser sakralen Bauten stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert und wurden errichtet als Dank für überstandene Naturkatastrophen oder als Schutz vor den Gefahren des Berglebens. Die einfache, meist hölzerne Bauweise mit kunstvollen Details zeugt vom handwerklichen Geschick der Bergbauern vergangener Zeiten.

Wer sich für die Geschichte und Kultur der Region interessiert, dem sei ein Besuch im Kastelruther Heimatmuseum empfohlen. Hier werden Arbeitsgeräte, Trachten und Alltagsgegenstände aus vergangenen Jahrhunderten ausgestellt, die einen lebendigen Eindruck vom harten, aber erfüllten Leben auf der Alm vermitteln. Das Museum ist in einem historischen Bauernhaus untergebracht und gibt Einblicke in die Wohnkultur früherer Generationen.

Musik spielt in der Kultur Südtirols eine wichtige Rolle. Die "Kastelruther Spatzen", eine volkstümliche Musikgruppe aus der Region, haben die lokale Musikkultur weit über die Grenzen Südtirols hinaus bekannt gemacht. Ihr jährliches Spatzenfest zieht tausende Fans an. Aber auch abseits dieses kommerziellen Events findest du in den Gasthöfen und bei Dorffesten authentische Volksmusik, gespielt auf traditionellen Instrumenten wie Ziehharmonika, Hackbrett und Zither.

Die Alpe di Siusi im Wandel der Zeiten

Die Geschichte der Seiser Alm ist eine Geschichte des stetigen, behutsamen Wandels. Ursprünglich als reine Weidefläche für das Vieh der umliegenden Dörfer genutzt, entwickelte sich die Hochebene ab dem frühen 20. Jahrhundert zu einem beliebten Ausflugsziel für Naturliebhaber und Erholungssuchende. Mit dem Bau der ersten Seilbahn in den 1930er Jahren begann die touristische Erschließung, die nach dem Zweiten Weltkrieg rasant an Fahrt aufnahm.

Aus den einfachen Almhütten, die einst nur im Sommer bewirtschaftet wurden, entstanden komfortable Berggasthöfe, später kamen Hotels und Ferienwohnungen hinzu. Die Bevölkerung der umliegenden Täler fand zunehmend Arbeit im Tourismus – eine Entwicklung, die den wirtschaftlichen Niedergang vieler alpiner Regionen verhinderte und zur heutigen Prosperität Südtirols beitrug.

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