Inmitten der würdevollen Stille des Ammergauer Alpentals steht sie wie aus einer anderen Zeit gefallen: die mächtige Klosteranlage von Ettal. Nur wenige Kilometer von Oberammergau und dem Schloss Linderhof entfernt, thront die imposante Anlage auf 877 Metern Höhe über dem Meer. Gegründet wurde das Benediktinerkloster bereits 1330 durch Kaiser Ludwig den Bayern – angeblich aufgrund eines Gelübdes nach seinem Romzug zur Kaiserkrönung. Die Legende besagt, er habe ein Madonnenbild aus Marmor im Gepäck gehabt, und sein Pferd sei an der Stelle des heutigen Klosters in die Knie gegangen – ein deutliches Zeichen, hier ein Gotteshaus zu errichten.
Der eigentliche Star des Ensembles ist zweifellos die Basilika mit ihrer markanten Kuppel. Nach dem barocken Umbau im 18. Jahrhundert zeigt sich die Anlage heute als majestätischer Komplex, dessen Strahlkraft weit über die Region hinausreicht. Die zentrale Kuppelkirche ist ein architektonisches Meisterwerk und technische Glanzleistung zugleich. Vom Innenhof aus erschließt sich die harmonische Gesamtkomposition der Anlage besonders eindrucksvoll. Die Riesen-Himalajazedern im Innenbereich – gepflanzt im späten 19. Jahrhundert – bilden einen atmosphärischen Kontrast zur steinernen Monumentalität der Gebäude.
Das Besondere an Ettal: Hier handelt es sich nicht um ein museales Relikt, sondern um ein quicklebendiges Zentrum benediktinischen Wirkens. Rund 50 Mönche leben aktuell nach der Regel "ora et labora" (bete und arbeite) in der Abtei. Ihre Anwesenheit verleiht dem Ort jene Aura der Authentizität, die ihn von vielen anderen historischen Anlagen unterscheidet. Die schwarzen Kutten der Ordensbrüder gehören hier genauso zum Alltagsbild wie die Touristengruppen. An manchen Tagen, wenn der Nebel zwischen den Berghängen hängt und die morgendlichen Gesänge der Mönche durch die Basilika hallen, scheint die Zeit tatsächlich stehengeblieben zu sein.
Die Basilika – Barockkunst in Vollendung
Betritt man die Klosterkirche, braucht das Auge einen Moment, um sich an das Spektakel der Farben und Formen zu gewöhnen. Die Basilika St. Maria und St. Benedikt ist ein regelrechtes Lehrbuch des Hochbarocks. Nach einem verheerenden Brand 1744 wurde sie unter der Leitung des Wessobrunner Baumeisters Joseph Schmuzer neu errichtet und präsentiert sich heute in einem opulenten Zustand. Vor allem die Kuppel – technisch eine absolute Meisterleistung – beeindruckt mit ihrem Durchmesser von über 25 Metern.
Die architektonische Konzeption des Innenraums folgt dem Prinzip der Zentralkirche: Ein zwölfeckiger Grundriss umschließt den kreisrunden Hauptraum mit der dominierenden Kuppel, die von einer Laterne gekrönt wird. Die Deckenmalereien zeigen Szenen aus dem Leben des heiligen Benedikt und der Gottesmutter Maria und stammen von Johann Jakob Zeiller. Sie gehören zum Feinsten, was die süddeutsche Freskenmalerei hervorgebracht hat. Das Licht, das durch die hohen Fenster einfällt, schafft dabei je nach Tageszeit immer neue Stimmungen und lässt die vergoldeten Stuckelemente aufleuchten wie flüssiges Gold.
Das Gnadenbild der "Ettaler Madonna" – jene Marmorstatue, die angeblich Kaiser Ludwig der Bayer mitbrachte – steht auf dem Hochaltar und bildet das spirituelle Zentrum der Anlage. Gerahmt wird es von einer prächtigen, dynamischen Altararchitektur. Wer sich den Kirchenraum wirklich erschließen will, sollte einmal innehalten und den Blick schweifen lassen: Die Basilika ist vollgepackt mit kunsthistorischen Schätzen – von den kunstvoll geschnitzten Chorstühlen bis zu den zahlreichen Seitenaltären und Heiligenfiguren.
Ein besonderes Highlight: Die Orgel aus dem Jahr 1957 mit ihren 63 Registern, die bei den regelmäßigen Konzerten ihre volle Klangpracht entfaltet. Wenn ihre Töne durch den Kuppelraum schweben, bekommt man eine Ahnung davon, wie Architektur, Musik und spirituelle Atmosphäre zusammenwirken können. Die Ettaler Kirche ist dabei kein Museum, sondern lebendiger Gottesdienstraum – die täglichen Gebetszeiten der Mönche (besonders das Morgenlob und die Vesper) sind für Besucher zugänglich und vermitteln einen authentischen Eindruck monastischen Lebens.
Die Klosteranlage – mehr als nur Kirche
Die weitläufige Klosteranlage umfasst weit mehr als nur die Basilika. Der großzügige Innenhof mit seinem charakteristischen Brunnen bildet das Zentrum, um das sich Konventgebäude, Bibliothek, die ehemalige Ritterakademie und weitere Wirtschaftsgebäude gruppieren. Die Klostermauern umschließen eine regelrechte kleine Stadt – mit unterschiedlichsten Funktionen und Nutzungen. Ein geführter Rundgang durch die Anlage lohnt sich, denn viele Bereiche erschließen sich dem Besucher ohne Erklärung nicht vollständig.
Besonders interessant ist die Klosterbibliothek, die allerdings nur im Rahmen spezieller Führungen zugänglich ist. Sie beherbergt rund 250.000 Bände, darunter zahlreiche mittelalterliche Handschriften und Inkunabeln. Der prachtvolle Bibliothekssaal mit seiner kunstvollen Stuckdekoration ist ein Schmuckstück für sich. Tatsächlich war Ettal über Jahrhunderte ein wichtiges Zentrum der Gelehrsamkeit; die Mönche pflegten Wissenschaften und Künste – eine Tradition, die bis heute lebendig ist.
Im ehemaligen Gästetrakt befindet sich heute das Klostermuseum, das einen guten Überblick über die wechselvolle Geschichte der Abtei gibt. Besonders eindrucksvoll: die Sammlung barocker Krippenfiguren und liturgischer Gewänder. Die verschiedenen Ausstellungsräume vermitteln zudem einen guten Eindruck davon, wie eng weltliche und geistliche Macht in früheren Jahrhunderten verflochten waren. Der Abt von Ettal herrschte nämlich früher als Landesherr über ein beachtliches Territorium.
Das Kloster betreibt bis heute eine eigene Schule, das Benediktinergymnasium Ettal mit angeschlossenem Internat. Die Schüler in ihren dunkelblauen Schuluniformen gehören zum Alltagsbild der Anlage. Die Tradition der Schulbildung geht übrigens auf die 1710 gegründete Ritterakademie zurück, in der adelige Sprösslinge auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereitet wurden. Heute steht die Schule allen offen und genießt einen exzellenten Ruf.
Klosterbrauerei und Destillerie – handwerkliche Traditionen
Die Benediktiner von Ettal haben die alte Mönchstradition des Bierbrauens nie aufgegeben. Seit 1609 wird hier Bier gebraut, aktuell in einer modernen Brauanlage, die dennoch den traditionellen Grundsätzen folgt. Die Ettaler Klosterbrauerei produziert verschiedene Biersorten – vom klassischen Hellen über das kräftige Dunkle bis zum saisonalen Bockbier. Eine Besonderheit ist das "Curator", ein untergäriges Starkbier mit 7,2% Alkoholgehalt, das nach einem alten Rezept gebraut wird.
Wer tiefer in die Geheimnisse der Braukunst einsteigen möchte, kann an einer Brauereiführung teilnehmen. Dabei erfährt man nicht nur Wissenswertes über die Herstellung, sondern darf am Ende auch die verschiedenen Sorten verkosten. Das Klosterbier wird übrigens nicht nur vor Ort ausgeschenkt, sondern ist in der ganzen Region erhältlich – ein geschätztes Souvenir für viele Besucher.
Noch bekannter als das Bier ist allerdings der Ettaler Klosterlikör. In der hauseigenen Destillerie werden verschiedene Spirituosen hergestellt, deren Rezepturen zum Teil jahrhundertealt sind. Der bekannteste ist der "Ettaler Klosterlikör", ein Kräuterlikör mit 42% Alkoholgehalt, dessen genaue Zusammensetzung ein wohlgehütetes Geheimnis der Mönche ist. Angeblich enthält er über 40 verschiedene Kräuter und Wurzeln. Daneben werden auch Obstbrände und andere Spezialitäten produziert.
Die Destillerie kann ebenfalls besichtigt werden – ein sinnliches Erlebnis, denn schon beim Betreten der Räumlichkeiten umfängt einen der intensive Duft von Kräutern und Früchten. Hier sieht man noch traditionelle Kupferkessel neben modernen Abfüllanlagen. Die Verkostung am Ende der Tour ist für viele Besucher der Höhepunkt – einen Schluck des "geistlichen Geistes" lässt sich kaum jemand entgehen. Im Klosterladen gibt's dann die Produkte zu kaufen, zusammen mit weiteren regionalen Spezialitäten wie Honig, Käse oder handgefertigten Souvenirs.
Kloster Ettal im Jahreslauf – Feste und besondere Zeiten
Das Klosterleben folgt einem festen Rhythmus, der sich auch den Besuchern erschließt. Die täglichen Gebetszeiten der Mönche bilden das Grundgerüst: Morgenlob (7:30 Uhr), Mittagsgebet (12:00 Uhr), Vesper (18:00 Uhr) und Komplet (20:00 Uhr) sind für Besucher zugänglich und bieten die Möglichkeit, die besondere Atmosphäre der Liturgie zu erleben. Besonders eindrucksvoll ist der gregorianische Gesang der Mönche, der in der perfekten Akustik der Basilika voll zur Geltung kommt.
Der Jahreskreis bringt verschiedene Höhepunkte mit sich. Zu Ostern finden besondere Gottesdienste statt, wobei vor allem die Feier der Osternacht mit ihrer reichen Symbolik beeindruckt. Pfingsten ist für Ettal ein besonderes Fest, da die Basilika der Heiligen Maria geweiht ist – entsprechend feierlich sind die Gottesdienste gestaltet. Im Dezember verwandelt sich der Klosterinnenhof in einen stimmungsvollen Weihnachtsmarkt. Anders als bei vielen kommerziellen Märkten steht hier tatsächlich das handwerkliche Können im Vordergrund – regionale Kunsthandwerker präsentieren ihre Arbeiten.
Ein kultureller Höhepunkt sind die Ettaler Konzerte, die über das Jahr verteilt stattfinden. Die hervorragende Akustik der Basilika bietet den idealen Rahmen für Orgelkonzerte, Choraufführungen und kammermusikalische Darbietungen. Das jährliche Barockkonzert im Sommer zieht Musikliebhaber aus der ganzen Region an. Viele Künstler schätzen die besondere Atmosphäre des Ortes – die Musik klingt hier anders als in einem Konzertsaal. Termine und Kartenvorkauf findet man auf der Website des Klosters.
Wann ist die beste Zeit für einen Besuch? Im Prinzip ist Ettal das ganze Jahr über einen Ausflug wert. Im Sommer lockt die Kombination aus Klosterbesichtigung und Wandermöglichkeiten in der Umgebung. Der Herbst bietet oft klare Tage mit weitem Blick über die Landschaft und weniger Besucherandrang. Winter hat seinen eigenen Reiz, wenn Schnee die Anlage in ein märchenhaftes Licht taucht – manchmal muss man dann allerdings mit eingeschränkten Öffnungszeiten rechnen. Der Frühling schließlich bringt milde Temperaturen und die ersten Blüten in den Klostergärten.
Praktische Informationen für den Klosterbesuch
Das Kloster ist täglich geöffnet, wobei für die verschiedenen Bereiche unterschiedliche Zeiten gelten. Die Basilika kann in der Regel von 8:00 bis 17:30 Uhr besichtigt werden, außer während der Gottesdienste. Der Klosterladen ist montags bis samstags von 9:00 bis 18:00 Uhr geöffnet, sonntags von 10:00 bis 17:00 Uhr. Für die Brauerei und Destillerie gibt es geführte Touren, die vorab gebucht werden sollten – besonders in der Hauptsaison.
Der Eintritt in die Basilika ist frei, für das Klostermuseum wird eine kleine Gebühr erhoben (Erwachsene 4,50 Euro, ermäßigt 3,50 Euro). Die Führungen durch die Brauerei und Destillerie kosten jeweils 9 Euro pro Person, inklusive Verkostung. Gruppenführungen durch die gesamte Anlage müssen im Voraus angemeldet werden und kosten je nach Umfang zwischen 80 und 120 Euro pro Gruppe.
Die Anreise gestaltet sich am einfachsten mit dem Auto – Ettal liegt direkt an der B23 zwischen Oberammergau und Garmisch-Partenkirchen. Parkplätze sind ausreichend vorhanden (gebührenpflichtig). Mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht man das Kloster mit dem Bus ab Oberammergau oder Garmisch-Partenkirchen (Linie 9606). In der Saison empfiehlt sich die frühe Anreise, da es gegen Mittag oft voll wird.
Im Kloster selbst gibt es ein gepflegtes Restaurant, das "Ludwig der Bayer", in dem regionale Küche serviert wird. Empfehlenswert ist vor allem die Brotzeit mit hausgemachten Spezialitäten – idealerweise kombiniert mit einem frisch gezapften Klosterbier. Für den kleinen Hunger zwischendurch gibt es im Klosterladen auch Snacks und Getränke. In der näheren Umgebung finden sich weitere Gasthöfe und Cafés, wobei das Preisniveau – typisch für die Tourismusregion – eher gehoben ist.
Übernachtungsmöglichkeiten bietet das Kloster selbst nicht an. In unmittelbarer Nähe gibt es jedoch verschiedene Unterkünfte, vom einfachen Gasthof bis zum gehobenen Hotel. Besonders charmant: einige der historischen Gasthöfe im wenige Kilometer entfernten Oberammergau. In der Hochsaison und während der Passionsspiele sollte man frühzeitig buchen, die Betten sind dann heiß begehrt.
Ausflugsziele in der Umgebung – Ettal als Ausgangspunkt
Ein Besuch des Klosters lässt sich hervorragend mit weiteren Sehenswürdigkeiten der Region verbinden. Am naheliegendsten ist ein Abstecher nach Oberammergau (7 km), berühmt für seine Passionsspiele und die traditionelle Holzschnitzkunst. Die teils kunstvoll bemalten Häuserfassaden (Lüftlmalerei) des Ortes sind eine Augenweide. Alle zehn Jahre – zuletzt 2022 – finden hier die Passionsspiele statt, die Tausende von Besuchern aus der ganzen Welt anziehen.
Ein absolutes Muss ist das Schloss Linderhof (8 km), die kleinste der drei Schlösser König Ludwigs II. Anders als das überlaufene Neuschwanstein bietet Linderhof eine intimere Atmosphäre. Die Gartenanlagen mit ihren Wasserspielen sind ein Schmuckstück für sich, besonders an warmen Sommerabenden. Die künstliche Venusgrotte – ein weiteres Beispiel für Ludwigs exzentrische Ideen – ist nach langer Renovierung wieder zugänglich.
Für Naturliebhaber bieten sich zahlreiche Wandermöglichkeiten. Der Große Laber (1686 m) ist von Ettal aus in etwa drei Stunden zu ersteigen und bietet herrliche Ausblicke über das Ammertal. Der Aufstieg ist mittelschwer und auch für Familien mit größeren Kindern gut machbar. Unterwegs kommt man an der Laber-Alm vorbei, wo deftige Brotzeiten serviert werden. Eine leichtere Alternative ist der Panoramaweg nach Graswang, der durch schattigen Wald und über blühende Wiesen führt.
Im Winter verwandelt sich die Region in ein kleines, feines Skigebiet. Zwar kann es mit den großen Destinationen nicht mithalten, dafür bietet es aber entspanntes Skifahren ohne Massentourismus. Die Skigebiete am Hausberg und am Laber sind mit dem Auto in wenigen Minuten erreichbar. Langlaufloipen gibt es direkt ab Ettal – bei Schneelage ein wunderbares Erlebnis in der stillen Winterlandschaft.
Etwas weiter entfernt, aber definitiv einen Tagesausflug wert, ist die Zugspitze. Deutschlands höchster Berg lässt sich bequem mit der Zahnradbahn oder Seilbahn erreichen. Oben erwartet einen ein spektakuläres Alpenpanorama, bei klarem Wetter reicht der Blick bis nach München. Die Fahrt mit der historischen Zahnradbahn ab Garmisch-Partenkirchen ist dabei schon ein Erlebnis für sich.