Bayern

Freilichtmuseum Glentleiten: Das lebendige Gedächtnis der Bayerischen Alpen

Alte Bauernhöfe, qualmende Kamine und das Klopfen des Schmieds – in Glentleiten steht die Zeit still. Hier erzählen knorrige Balken und ausgetretene Steinstufen Geschichten vom harten Leben im Alpenvorland.

Bayern  |  Sehenswertes & Attraktionen
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Zwischenablage

Auf einem aussichtsreichen Hochplateau über dem Kochelsee erhebt sich eines der größten und bedeutendsten Freilichtmuseen Süddeutschlands. Das Freilichtmuseum Glentleiten, angelegt auf einem weitläufigen Gelände von 38 Hektar, bewahrt die bäuerliche Vergangenheit Oberbayerns nicht nur in Vitrinen, sondern macht sie hautnah erlebbar. Seit seiner Eröffnung 1976 wurden hier über 60 historische Gebäude aus dem Alpenvorland und den bayerischen Bergen originalgetreu wiederaufgebaut – vom prächtigen Einhof bis zum unscheinbaren Bienenhäusl.

Im Gegensatz zu sterilen Museumsräumen riecht es hier nach Holzfeuer, Heu und manchmal auch nach frisch gebackenem Brot. Das Museum liegt auf rund 700 Metern Höhe und bietet neben der kulturhistorischen Erfahrung auch einen atemberaubenden Panoramablick auf die umliegende Bergwelt. An klaren Tagen schweift der Blick bis zum Herzogstand und zum Walchensee. Die abwechslungsreiche Topografie des Geländes spiegelt dabei die unterschiedlichen Landschaften wider, aus denen die Häuser stammen.

Das Freilichtmuseum gehört zum Bezirk Oberbayern und hat sich der Bewahrung und Vermittlung der regionalen Bau- und Alltagskultur verschrieben. Wer sich für alpine Bauweisen, traditionelles Handwerk oder das alltägliche Leben vergangener Jahrhunderte interessiert, kommt hier voll auf seine Kosten – und das ohne das Gefühl einer sterilen Museumsatmosphäre.

Historische Bausubstanz – Von der Scheune bis zum Herrenhaus

Die historischen Gebäude, Kernstück des Museums, wurden nicht einfach nachgebaut, sondern Stück für Stück abgetragen, restauriert und an ihrem neuen Standort wieder aufgebaut. Teilweise war's eine ziemliche Puzzlearbeit, da einige Häuser bereits verfallen oder umgebaut waren. Jedes dieser Gebäude erzählt seine eigene Geschichte – vom einfachen Taglöhnerhaus bis zum stattlichen Bauernhof mit seinen reich verzierten Balkonbrüstungen.

Die ältesten Bauwerke stammen aus dem 16. Jahrhundert und zeigen, wie einfach und zugleich funktional die Menschen damals bauten. Besonders beeindruckend ist der Mesnerhof aus Degerndorf, ein imposanter Einhof aus dem 18. Jahrhundert, in dem Mensch und Tier unter einem Dach lebten. Seine massive Bauweise mit den dicken Steinmauern im Erdgeschoss und der Holzkonstruktion im Obergeschoss ist typisch für die Region.

Auffällig sind die unterschiedlichen Bautypen, die je nach Herkunftsregion variieren: Im flacheren Voralpenland findet man große Mittertennhöfe, während in den Bergen eher kompakte Einhöfe dominieren. Die Häuser wurden nicht willkürlich platziert, sondern entsprechend ihrer ursprünglichen geografischen Lage und Funktion in verschiedenen Museumsarealen angeordnet.

Was viele nicht wissen: Die Häuser wurden nicht einfach entkernt und als leere Hüllen aufgestellt. Die Inneneinrichtung entspricht dem jeweiligen Zeitabschnitt und der sozialen Stellung der einstigen Bewohner. Vom wuchtigen Herrgottswinkel mit seinen Heiligenfiguren bis zur schmalen Schlafkammer mit dem kurzen Bett (damals schlief man sitzender als heute) – jedes Detail stimmt. Sogar die Gärten wurden nach historischen Vorbildern angelegt und werden traditionell bewirtschaftet.

Leben und Arbeiten

Das Freilichtmuseum Glentleiten ist kein verstaubtes Relikt, sondern ein Ort, an dem Geschichte lebendig wird. In den verschiedenen Werkstätten – von der Schmiede über die Wagnerei bis zur Seilerei – werden regelmäßig alte Handwerkstechniken vorgeführt. Da sprühen tatsächlich die Funken, wenn der Schmied das glühende Eisen bearbeitet oder das Spinnrad surrt gleichmäßig vor sich hin. Besonders faszinierend: Die Handwerker erklären bereitwillig ihre Arbeit und beantworten geduldig Fragen – auch wenn sie manchmal in einem Dialekt sprechen, der selbst für manchen Bayern eine Herausforderung ist.

Die Alltagskultur vergangener Zeiten wird hier nicht nur gezeigt, sondern gelebt. Je nach Jahreszeit finden landwirtschaftliche Arbeiten statt, werden Tiere versorgt oder traditionelle Feste gefeiert. Im Herbst duftet es nach frischem Apfelmost, wenn die historische Mostpresse in Gang gesetzt wird, und im Backhaus entstehen nach alten Rezepten knusprige Brote und Kuchen.

Die gesamte Anlage ist in verschiedene Themenbereiche gegliedert: In einem Areal sind Wohnhäuser aus unterschiedlichen Epochen und sozialen Schichten zu finden, in einem anderen landwirtschaftliche Gebäude wie Scheunen und Ställe. Daneben gibt es Bereiche, die sich speziell dem Handwerk oder der Nahrungsmittelproduktion widmen. Das Glentleiten-Museum zeigt nicht nur Gebäude, sondern bildet die komplexen wirtschaftlichen und sozialen Strukturen vergangener Jahrhunderte ab.

Die traditionellen Nutzgärten und Obstbaumwiesen rund um die Höfe ergänzen das Bild einer weitgehend autarken Landwirtschaft. Hier werden alte Gemüse- und Kräutersorten angebaut, die heute in Supermärkten längst verschwunden sind. Zwischendurch grasen Schafe, die alten Landrassen angehören, und erinnern daran, dass diese Kulturlandschaft über Jahrhunderte von Mensch und Tier gemeinsam geformt wurde.

Sonderausstellungen und Jahreslauf

Neben der Dauerausstellung zur ländlichen Kultur bietet das Freilichtmuseum regelmäßig Sonderausstellungen zu verschiedenen Aspekten des historischen Alltagslebens. Diese werden meist in der großen Ausstellungshalle am Eingangsbereich präsentiert und behandeln Themen wie traditionelle Kleidung, Volksfrömmigkeit oder historische Landwirtschaftstechniken. Der museumspädagogische Ansatz ist dabei erfrischend modern – interaktive Elemente und multimediale Präsentationen machen die Ausstellungen auch für jüngere Besucher interessant.

Das Museum folgt in seinem Veranstaltungskalender dem traditionellen Jahreslauf. Im Frühling werden bei der "Pflanzlzeit" alte Gemüsesorten gesetzt, im Sommer finden Handwerkstage statt, der Herbst steht im Zeichen der Ernte und Vorratshaltung. Zur Weihnachtszeit gibt's einen stimmungsvollen Christkindlmarkt zwischen den alten Höfen – ganz ohne den sonst üblichen Kommerz-Tamtam, dafür mit Handwerkskunst und regionalen Spezialitäten.

Was das Museum von anderen unterscheidet: Hier wird nichts beschönigt. Das Leben auf dem Land war kein romantisches Idyll, sondern oft geprägt von harter Arbeit und Entbehrungen. Diese Realität wird nicht ausgeblendet, sondern ehrlich thematisiert. In den engen, dunklen Kammern der Tagelöhner spürt man förmlich die Kargheit des damaligen Lebens, während die geräumigen Stuben wohlhabender Bauern den sozialen Kontrast verdeutlichen.

Einige der Veranstaltungen haben sich zu regelrechten Publikumsmagneten entwickelt. Vor allem der "Tag des traditionellen Handwerks", an dem zahlreiche Handwerker ihre Künste vorführen, zieht Besucher aus ganz Süddeutschland an. Die "Rauhnächte" im Winter mit ihren mystischen Bräuchen bieten wiederum einen Einblick in die volkstümlichen Glaubensvorstellungen vergangener Zeiten. Übrigens sorgt das Museum dafür, dass bei allen Veranstaltungen die historische Authentizität gewahrt bleibt – kein Plastik, kein Polyester, keine modernen Gerätschaften trüben das Bild.

Für den Besuch – Praktische Tipps und Informationen

Das Freilichtmuseum Glentleiten liegt in der Gemeinde Großweil, etwa 70 Kilometer südlich von München. Mit dem Auto erreicht man es über die A95 München-Garmisch-Partenkirchen (Ausfahrt Murnau/Kochel) und dann weiter über gut ausgeschilderte Landstraßen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist's etwas komplizierter: Mit der Bahn bis Murnau, dann weiter mit dem Bus – unbedingt vorher die Fahrzeiten checken, da die Verbindungen nicht allzu häufig sind.

Das Museum ist von Ende März bis Anfang November täglich geöffnet, in den Wintermonaten nur an bestimmten Tagen oder zu speziellen Veranstaltungen. Die regulären Öffnungszeiten sind von 9 bis 18 Uhr (Juli/August) bzw. 9 bis 17 Uhr (übrige Monate). Der Eintritt liegt für Erwachsene bei rund 12 Euro, es gibt verschiedene Ermäßigungen. Eine Jahreskarte lohnt sich bereits ab dem zweiten Besuch.

Das weitläufige Gelände erfordert gutes Schuhwerk und eine gewisse Grundkondition – die Wege sind zwar gut ausgebaut, aber es geht durchaus mal bergauf und bergab. Für Menschen mit eingeschränkter Mobilität stehen Elektromobile zur Verfügung, die allerdings vorher reserviert werden sollten. Nicht alle Gebäude sind barrierefrei zugänglich, was der historischen Bausubstanz geschuldet ist.

Kulinarisch wird man im Museumsrestaurant "Zum Hauserer" mit regionalen Speisen versorgt. Darüber hinaus gibt es einen Biergarten mit Selbstbedienung und während der Saison mehrere kleinere Verpflegungsstationen auf dem Gelände. Picknicken ist auf den ausgewiesenen Flächen erlaubt – bitte nicht in oder direkt vor den historischen Gebäuden.

Ein guter Tipp für Familien: Für Kinder gibt es spezielle Führungen und Mitmachprogramme, bei denen sie beispielsweise Brot backen, Wolle spinnen oder alte Spiele ausprobieren können. Diese sollten allerdings im Voraus gebucht werden. Übrigens sind auch Hunde an der Leine auf dem Gelände erlaubt – eine Seltenheit für Museen dieser Art.

Umgebung und Kombination – Mehr als ein Tagesausflug

Das Freilichtmuseum Glentleiten liegt inmitten einer der reizvollsten Regionen Oberbayerns. Wer schon mal hier ist, sollte sich Zeit nehmen für die umliegenden Attraktionen. Der nahe gelegene Kochelsee lädt zum Baden und Bootfahren ein, während der etwas höher gelegene Walchensee mit seinem türkisblauen Wasser besonders malerisch wirkt. Von der Bergstation der Herzogstandbahn hat man einen grandiosen Blick auf das bayerische Alpenvorland.

Kulturell interessierte Besucher können ihren Ausflug mit einem Abstecher nach Murnau verbinden, wo das Franz Marc Museum Werke der Künstlergruppe "Der Blaue Reiter" präsentiert. Auch das Buchheim Museum der Phantasie am Starnberger See ist nicht weit entfernt. In Oberammergau, etwa eine Autostunde entfernt, lässt sich die traditionelle Holzschnitzkunst der Region bewundern.

Wanderer finden rund um die Glentleiten zahlreiche markierte Wege unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade. Besonders empfehlenswert ist der Panoramaweg vom Museum zum Kochelsee – er bietet spektakuläre Ausblicke und führt durch abwechslungsreiche Landschaften. Im Winter verwandelt sich die Region in ein beliebtes Skigebiet mit Pisten für Anfänger und Fortgeschrittene.

Für einen Besuch des Freilichtmuseums sollte man mindestens einen halben Tag einplanen, besser noch einen ganzen. Wer die Region intensiver erkunden möchte, findet in den umliegenden Ortschaften zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten von der einfachen Pension bis zum gehobenen Wellnesshotel. Auch Ferienwohnungen werden vielerorts angeboten – frühe Buchung ist in der Hauptsaison ratsam.

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