Spannend ist dabei, dass diese modernen Bauten keineswegs Fremdkörper in der Landschaft sind. Stattdessen scheinen sie wie selbstverständlich zwischen Lärchen und Fichten zu wachsen, als wären sie schon immer da gewesen. Die Architekten haben begriffen, was viele Hotelbauer noch lernen müssen: Manchmal muss man die Natur nicht nachahmen, sondern ihr auf Augenhöhe begegnen.
Wenn Beton Berge bezwingt
Das Manna Resort in Montan beispielsweise setzt auf Terrassenform – wie die Weinberge ringsum. Pichler Architects haben hier ein Gebäude geschaffen, das sich regelrecht in den Hang hineinschmiegt. Auf den Dächern sprießt echtes Gras, als hätte jemand vergessen, die Wiese wegzuräumen, bevor das Hotel gebaut wurde. Eigentlich ist es genau umgekehrt: Die intensive Dachbegrünung ist Programm.
Jede der 15 Suiten und drei Chalets ist einem anderen Land gewidmet – Japan trifft auf Frankreich, und das Ganze wird mit exklusiven Natursteinen zusammengehalten. Klingt verrückt? Ist es auch, aber es funktioniert. Der Bio-Schwimmteich verstärkt den Eindruck, dass hier Menschen leben, die das Konzept der Nachhaltigkeit nicht nur als Marketingbegriff verstehen.
Baumstämme aus Beton
Noch einen Schritt weiter geht das Forestis bei Brixen. Drei Suitentürme stehen mitten im Nadelwald und sehen aus wie überdimensionale Baumstämme. Man muss zweimal hinschauen, um zu verstehen: Das ist tatsächlich ein Hotel und nicht das Werk einer Riesenameise mit Architekturdiplom.
Das minimalistische Design lenkt den Blick nach draußen, dorthin, wo echte Bäume stehen. Clever gemacht – warum sollte man Kunst an die Wände hängen, wenn vor dem Fenster die Dolomiten aufragen? Die direkte Anbindung ans Skigebiet Plose macht das Ganze noch praktischer. Morgens aus dem minimalistisch eingerichteten Zimmer direkt auf die Piste – das haben nicht mal die Hotelketten hinbekommen.
Ähnlich abgefahren, aber völlig anders umgesetzt: das My Arbor in Brixen. Hier steht das Hotel auf Stelzen, die Baumstämme symbolisieren sollen. Das Gefühl, in den Baumwipfeln zu wohnen, ist durchaus real – besonders wenn man morgens das Fenster öffnet und statt Straßenlärm das Rauschen der Blätter hört. Der Infinity-Pool im Spa sorgt dafür, dass man sich wie im Flug über die Landschaft fühlt.
Tradition trifft auf Moderne
Nicht alle neuen Hotels verleugnen ihre Wurzeln. Das AEON in Oberbozen orientiert sich an einer 550 Jahre alten Scheune – allerdings einer sehr schicken. Die klaren Linien und großzügigen Glasfronten haben mit dem Original nur noch wenig gemeinsam, aber die spitz zulaufenden Dachformen erinnern daran, dass hier schon lange Menschen leben und bauen.
Das verwendete Holz stammt aus den umliegenden Wäldern. Kurze Transportwege, heimische Materialien – und trotzdem sieht das Ergebnis aus, als wäre es von einem Designmagazin abfotografiert worden. Der Infinitypool mit Panoramablick auf die Dolomiten macht klar: Hier ging es nicht um Nostalgie, sondern um eine intelligente Verbindung von Alt und Neu.
Ganz ähnlich verhält es sich bei der Waldruhe in Kiens im Pustertal. Lärchen- und Fichtenholz, große Fensterfronten für natürliches Licht – soweit, so erwartbar. Spannender wird es bei den Details: abgeschirmte elektrische Leitungen für ein angenehmes Wohnklima zum Beispiel. Solche Feinheiten fallen dem Gast nicht sofort auf, aber sie machen den Unterschied zwischen einem netten Hotel und einem wirklich durchdachten Konzept.
Wenn Feng Shui auf die Alpen trifft
Besonders mutig wird es beim Silena in Vals. Hier haben sich die Planer von Feng Shui inspirieren lassen – auf 1.354 Metern Seehöhe. Alpenstil trifft auf südostasiatische Elemente, und das Ergebnis ist verblüffend stimmig. Die Tee-Bibliothek und asiatisch inspirierte Sitzmöbel passen gut zur Panoramasauna im Sky Spa.
Man könnte meinen, das sei zu viel des Guten. Tatsächlich aber zeigt das Silena, wie weit man kulturelle Grenzen überschreiten kann, ohne die eigene Identität zu verlieren. Die Berge sind immer noch da, die klare Alpenluft auch – aber die Perspektive hat sich erweitert.
Ähnlich experimentierfreudig, aber völlig anders umgesetzt: das Hotel Muchele in Burgstall bei Meran. Hier haben drei Schwestern das Familienhotel von 1952 komplett neu erfunden. Die Zusammenarbeit mit dem italienischen Designlabel Moroso bringt bunte, einladende Möbel ins Spiel. Das Ergebnis ist alles andere als langweilig – und trotzdem fühlt man sich sofort wohl.
Ufo-Landung auf der Seiser Alm
Das spektakulärste Beispiel für mutiges Bauen in extremer Höhenlage ist wohl das Alpina Dolomites auf der Seiser Alm. Auf 1.800 Metern erhebt sich ein Gebäude aus Holz, Glas und Stein, das tatsächlich an ein gelandetes Ufo erinnert. Für manche Betrachter mag das zu viel sein – für andere ist es genau das, was die Alpen brauchen: einen Schuss Verrücktheit.
Die warmen Erdtöne und der Silberquarzit schaffen einen interessanten Kontrast zur futuristischen Form. Als Mitglied der Leading Hotels of the World steht das Alpina Dolomites für internationalen Luxus – aber einen, der sich nicht hinter goldenen Verzierungen versteckt, sondern auf klare Formen und hochwertige Materialien setzt.
Der Panoramablick auf den Schlern ist von hier oben natürlich grandios. Aber das haben andere Hotels auch. Was das Alpina Dolomites besonders macht, ist der Mut zur extremen Form. Hier wurde nicht versucht, sich möglichst unauffällig in die Landschaft einzufügen – hier wurde ein Statement gesetzt.
Versteckte Perlen zwischen den Gipfeln
Weniger spektakulär, aber nicht weniger interessant sind die Hotels, die auf Understatement setzen. Das Hotel Gfell in Völs beispielsweise versteckt sich in vollkommener Abgeschiedenheit zwischen Hochalm und Rosengarten-Panorama. Das noa* Architektur- und Designstudio hat hier ein modernes Hideaway geschaffen, das seine Wirkung gerade durch die Zurückhaltung entfaltet.
Ähnlich verhält es sich mit dem Ciasa Lara in Alta Badia. Klare Linien und natürliche Materialien wie Zirbel- und Fichtenholz schaffen ein elegantes und behagliches Ambiente. Die Zimmer sind nach den umliegenden Bergen benannt – eine kleine Geste, die zeigt, dass auch hier die Landschaft im Mittelpunkt steht.
Was alle diese Hotels eint, ist ein respektvoller Umgang mit der Natur. Statt sie zu übertrumpfen oder zu ignorieren, suchen sie den Dialog. Manchmal leise, manchmal laut – aber immer auf Augenhöhe.