Schweiz

Kloster Einsiedeln: Schwarze Madonna, barocke Pracht und bedeutende Wallfahrtsstätte

Mitten in der Schweizer Voralpenlandschaft befindet sich eine der bedeutendsten Wallfahrtsstätten Europas. Hier verschmelzen barocke Opulenz, jahrhundertealte Pilgertradition und alpenländische Gemütlichkeit zu einem ganz besonderen Erlebnis. Wer meint, Kloster sei gleich Kloster, wird hier eines Besseren belehrt.

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Zwischenablage

Die Geschichte des Klosters Einsiedeln beginnt im Jahr 934, als Benediktinermönche hier ihre erste Niederlassung gründeten. Der Name geht auf den Heiligen Meinrad zurück, einen Einsiedler, der im 9. Jahrhundert in dieser Gegend lebte und der Legende nach von Räubern erschlagen wurde. Zwei Raben sollen seine Mörder verfolgt und so zu ihrer Ergreifung geführt haben – weshalb die schwarzen Vögel noch heute im Klosterwappen zu finden sind.

Bemerkenswert ist die päpstliche Anerkennung der "Engelweihe" von 948. Papst Leo VIII. bestätigte damals, dass Christus selbst die Gnadenkapelle geweiht habe – ein Privileg, das nur wenige Orte weltweit besitzen. Diese besondere Weihe macht Einsiedeln zu einem der wichtigsten Marienwallfahrtsorte Europas, gleichrangig mit Lourdes oder Fatima.

Durch die Jahrhunderte entwickelte sich das Kloster zu einem bedeutenden geistlichen und kulturellen Zentrum. Die Mönche betrieben Schulen, kopierten Handschriften und prägten die Region nachhaltig. Heute leben etwa 50 Benediktiner in der Abtei, die nach wie vor ein reges Klosterleben führen und zahlreiche Aufgaben in Seelsorge, Bildung und Kultur übernehmen.

Die barocke Klosteranlage

Was Besucher heute sehen, ist größtenteils das Ergebnis einer umfassenden Barockisierung im 17. und 18. Jahrhundert. Die monumentale Fassade mit ihren beiden 68 Meter hohen Türmen dominiert den Klosterplatz und ist schon von weitem sichtbar. Architekt war Caspar Moosbrugger, ein Vorarlberger Baumeister, der hier sein Meisterwerk schuf.

Imposant wirkt bereits der Klosterplatz selbst – eine der größten zusammenhängenden Platzanlagen der Schweiz. Die geschwungenen Arkadengänge umrahmen den Vorplatz wie ausgebreitete Arme und schaffen eine theatralische Kulisse, die den Übergang zwischen weltlichem und geistlichem Raum markiert. An sonnigen Tagen spiegelt sich die helle Fassade im Brunnen, während sich Touristen und Pilger gleichermaßen von der Architektur beeindrucken lassen.

Betritt man das Innere der Klosterkirche, verschlägt es einem zunächst den Atem. Die barocke Pracht entfaltet sich in ihrer ganzen Üppigkeit: vergoldete Stuckaturen, farbenfrohe Fresken und ein Hochaltar, der wie ein steingewordenes Feuerwerk wirkt. Die Deckenmalereien erzählen die Geschichte der Benediktiner und Mariens, während das Licht durch die hohen Fenster fällt und die goldenen Details zum Leuchten bringt.

Die Schwarze Madonna

Das eigentliche Herzstück der Wallfahrt ist die Gnadenkapelle mit der berühmten Schwarzen Madonna. Die 120 Zentimeter hohe Holzfigur aus dem 15. Jahrhundert steht in der oktogonalen Marmorkapelle, die sich im Kirchenschiff befindet. Täglich strömen hunderte Pilger hierher, um vor der Madonna zu beten, Kerzen anzuzünden oder einfach einen Moment der Stille zu finden.

Warum die Madonna schwarz ist, darüber gibt es verschiedene Theorien. Manche führen es auf Kerzenruß zurück, andere sehen darin ein bewusstes Stilmittel mittelalterlicher Kunst. Wissenschaftlich betrachtet dürfte die dunkle Färbung durch jahrhundertelange Kerzen- und Weihraucheinwirkung entstanden sein. Für die Gläubigen spielt das keine Rolle – sie verehren in der Madonna die Mutter Gottes, unabhängig von ihrer Farbe.

Spannend ist dabei, dass die Gnadenkapelle architektonisch völlig eigenständig in der Kirche steht. Man kann sie komplett umrunden, was bei den meisten Wallfahrtsorten nicht möglich ist. Diese Besonderheit verstärkt den Eindruck eines "Hauses im Haus" und macht die Madonna zu einem noch intimeren Erlebnis.

Klosterleben und Tradition

Das Kloster ist keineswegs nur Museum oder Touristenattraktion – es pulsiert das Leben einer aktiven Benediktinergemeinschaft. Siebenmal täglich versammeln sich die Mönche zum Chorgebet, und wer Glück hat, kann diesen gregorianischen Gesängen lauschen. Besonders eindrucksvoll ist das Chorgebet am frühen Morgen oder am Abend, wenn das Licht gedämpft ist und die Stimmen durch den Kirchenraum schweben.

Die Mönche sind in verschiedenen Bereichen tätig: Sie unterrichten am klostereigenen Gymnasium, betreuen Pfarreien in der Umgebung, führen die umfangreiche Klosterbibliothek mit über 200.000 Bänden oder arbeiten in der Klosterverwaltung. Manche sind auch in der Seelsorge für die Pilger aktiv oder kümmern sich um die touristischen Belange.

Interessant ist das System der Klosterführungen: Jeden Tag um 14 Uhr gibt es kostenlose Führungen, die von sachkundigen Guides geleitet werden. Diese erzählen nicht nur Fakten, sondern auch Anekdoten aus dem Klosteralltag und beantworten geduldig alle Fragen – von der Klosterküche bis hin zu den Schlafgewohnheiten der Mönche.

Wallfahrt heute

Jährlich kommen etwa eine Million Besucher nach Einsiedeln – eine beachtliche Zahl für einen Ort mit nur 10.000 Einwohnern. Viele davon sind klassische Wallfahrer, die zu Fuß, per Bus oder in organisierten Gruppen anreisen. Andere sind Touristen, die das Kloster als kulturelle Sehenswürdigkeit besuchen. Diese Mischung prägt das besondere Flair des Ortes.

Traditionelle Wallfahrtsgruppen kommen oft aus dem süddeutschen Raum, aus Österreich oder anderen Schweizer Kantonen. Sie tragen meist einheitliche Kleidung, haben Fahnen dabei und singen auf dem Weg zur Gnadenkapelle. Beeindruckend ist es, wenn große Gruppen gemeinsam beten oder Lieder anstimmen – dann wird spürbar, welche emotionale Kraft Wallfahrt haben kann.

Doch auch individuelle Pilger prägen das Bild. Da ist die ältere Dame, die seit Jahren jeden Monat kommt, der junge Mann, der nach einer schweren Krankheit Dank sagen möchte, oder die Familie, die um Segen für ihr Neugeborenes bittet. Diese Vielfalt macht Einsiedeln zu einem lebendigen Ort des Glaubens, nicht zu einer verstaubten Reliquie.

Praktische Informationen

Das Kloster ist ganzjährig geöffnet und der Eintritt ist frei. Die Hauptkirche kann täglich von 6 bis 19.30 Uhr besichtigt werden, wobei während der Gottesdienste kein Tourismusbetrieb stattfindet. Die Gottesdienstzeiten findest du auf der Kloster-Website oder an den Aushängen beim Haupteingang.

Parkplätze gibt es in ausreichender Zahl rund um das Kloster, allerdings können sie an Sonn- und Feiertagen sowie während größerer Wallfahrten knapp werden. Dann lohnt es sich, die Park-and-Ride-Plätze am Ortsrand zu nutzen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichst du Einsiedeln bequem ab Zürich: Die S-Bahn S13 fährt stündlich direkt zum Bahnhof Einsiedeln, von dort sind es nur wenige Gehminuten zum Kloster.

Fotografieren ist in der Klosterkirche grundsätzlich erlaubt, allerdings ohne Blitz und nicht während der Gottesdienste. In der Gnadenkapelle selbst ist das Fotografieren aus Respekt vor den betenden Pilgern nicht gestattet – ein Hinweis, den man ernst nehmen sollte.

Gastronomie und Übernachtung

Rund um das Kloster haben sich verschiedene Gastronomiebetriebe etabliert, die von der einfachen Pilgerstube bis zum gehobenen Restaurant alles bieten. Typisch schweizerisch geht es im "Drei Könige" zu, wo deftige Gerichte und lokale Spezialitäten serviert werden. Das "Klosterhotel" direkt am Klosterplatz punktet mit seiner Lage und einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis.

Wer es authentischer mag, kann sich im Klosterladen mit regionalen Produkten eindecken. Hier gibt es Klosterbrot, selbstgemachte Marmeladen, Liköre und andere Spezialitäten. Besonders beliebt sind die Lebkuchen, die nach alten Klosterrezepten hergestellt werden – ein Mitbringsel, das auch zu Hause noch an den Besuch erinnert.

Übernachtungsmöglichkeiten findest du sowohl im Ort als auch in der näheren Umgebung. Das Gästehaus des Klosters bietet einfache, aber saubere Zimmer für Pilger und Touristen. Komfortabler, aber auch teurer, sind die Hotels am Klosterplatz oder in der Umgebung.

Umgebung und Ausflugsmöglichkeiten

Einsiedeln liegt eingebettet in eine reizvolle Voralpenlandschaft, die zu Wanderungen und Ausflügen einlädt. Der Sihlsee, einer der größten Stauseen der Schweiz, ist nur wenige Kilometer entfernt und bietet Bademöglichkeiten, Bootsverleih und schöne Spazierwege. Im Winter verwandelt sich die Gegend in ein Langlaufparadis – die Loipen gehören zu den schneesichersten der Region.

Ein lohnender Ausflug führt auf den Etzel, den Hausberg von Einsiedeln. Mit der Luftseilbahn geht es bequem hinauf, oben erwarten dich ein Panoramarestaurant und herrliche Ausblicke über das Schweizer Mittelland bis hin zu den Alpen. Bei klarem Wetter reicht der Blick sogar bis zum Säntis und zu den Berner Alpen.

Kulturell interessant ist auch das Diorama Bethlehem, eine 100 Quadratmeter große Weihnachtskrippe, die in einem eigenen Gebäude neben dem Kloster untergebracht ist. Diese detailreiche Darstellung der Weihnachtsgeschichte zieht besonders in der Adventszeit viele Besucher an.

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