Italien

Ein Tag im Kloster Novacella: Weinbau, Weisheit und weite Blicke

Das Augustiner-Chorherrenstift Novacella verbindet seit fast 900 Jahren Spiritualität mit Südtiroler Lebensart – und produziert nebenbei noch einen ziemlich guten Tropfen.

Italien  |  Sehenswertes & Attraktionen
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Zwischenablage

1142 gründete Bischof Hartmann von Brixen diese Augustiner-Chorherren-Abtei, ursprünglich als Hospiz für Pilger auf dem Weg nach Rom. Damals hieß der Ort noch Neustift – ein Name, der sich bis heute hartnäckig hält, obwohl italienisch "Novacella" mittlerweile offiziell ist.

Die Anlage, wie sie heute vor dir liegt, ist das Resultat jahrhundertelanger Bautätigkeit. Besonders imposant wirkt die barocke Überformung aus dem 17. und 18. Jahrhundert, als man so ziemlich alles neu gestaltete, was ging. Der Rundgang durch die Klostergebäude gleicht einer Zeitreise: romanische Grundmauern treffen auf gotische Bögen, barocke Pracht mischt sich mit modernen Ergänzungen.

Spannend ist dabei, dass die Chorherren – im Gegensatz zu klassischen Mönchen – schon immer weltlicher orientiert waren. Sie betrieben Seelsorge, lehrten an Schulen und kümmerten sich um die Landwirtschaft. Diese praktische Ausrichtung prägt das Kloster bis heute und macht es zu einem lebendigen Ort, der weit über seine Mauern hinaus wirkt.

Architektonische Höhepunkte

Das Herzstück der Anlage bildet zweifellos die Stiftskirche Unserer Lieben Frau. Ihre barocke Fassade täuscht allerdings über den gotischen Kern hinweg, der aus dem 14. Jahrhundert stammt. Tritt man ein, verschlägt einem fast der Atem: Der Hochaltar, ein Meisterwerk des Barock, erstrahlt in Gold und Marmor. Die Deckenmalereien von Matthäus Günther aus dem 18. Jahrhundert erzählen biblische Geschichten in kräftigen Farben und dynamischen Szenen.

Mindestens genauso beeindruckend ist die Klosterbibliothek – eine der bedeutendsten historischen Bibliotheken Tirols. Über 76.000 Bände lagern hier, darunter 600 Handschriften und etwa 220 Inkunabeln. Der barocke Bibliothekssaal mit seinen geschnitzten Regalen und dem gewölbten Deckenfresko ist ein Traum für jeden Büchernarren. Die ältesten Werke reichen bis ins 8. Jahrhundert zurück – Geschichte zum Greifen nah.

Einen ganz anderen Charakter hat der Kreuzgang mit seinen gotischen Arkaden. Hier herrscht eine andächtige Ruhe, unterbrochen nur vom Plätschern des Brunnens in der Mitte. An den Wänden findest du Fresken aus verschiedenen Epochen, die teilweise etwas verwittert, aber gerade deshalb authentisch wirken. Besonders die Darstellungen aus dem Leben der Augustiner-Heiligen sind sehenswert.

Kunst und Kultur hautnah

Das Kloster beherbergt gleich mehrere Museen, die du dir nicht entgehen lassen solltest. Im Stiftsmuseum wartet eine beeindruckende Sammlung sakraler Kunst auf dich – von mittelalterlichen Skulpturen bis zu barocken Gemälden. Highlight ist definitiv die Krippensammlung mit über 100 Exponaten aus fünf Jahrhunderten. Manche Krippen sind so detailliert gearbeitet, dass man stundenlang davor stehen könnte.

Nebenan liegt das Augustiner Museum, das sich der Geschichte des Ordens widmet. Hier erfährst du, wie die Chorherren lebten, arbeiteten und beteten. Besonders interessant sind die Exponate zur Klosterschule, die schon im Mittelalter weit über die Region hinaus bekannt war. Noch heute führt das Gymnasium am Kloster diese Tradition fort.

Ein echter Geheimtipp ist die Engelsburg, ein separater Bau aus dem 12. Jahrhundert. Hier findest du den ältesten erhaltenen Freskenzyklus Tirols – die Wandmalereien sind zwar teilweise verblasst, aber ihre Ausstrahlung ist nach wie vor magisch. Die Burg diente ursprünglich als Wehranlage und Gerichtssitz, heute beherbergt sie wechselnde Ausstellungen.

Wein, Schnaps und andere Genüsse

Jetzt wird's interessant für alle, die gerne mal ein Gläschen trinken: Das Kloster Novacella betreibt eine der ältesten Kellereien Südtirols. Schon seit dem 12. Jahrhundert bauen die Chorherren hier Wein an, und das merkt man den Tropfen auch an. Die Lagen rund um das Kloster – zwischen 550 und 900 Metern Höhe – bieten ideale Bedingungen für Weißweine.

Besonders stolz ist man auf den Sylvaner, der hier eine ganz eigene Note entwickelt hat. Aber auch Müller-Thurgau, Kerner und Gewürztraminer gedeihen prächtig. Die Rotweine kommen meist aus tieferen Lagen im Eisacktal, darunter einige beachtliche Lagrein und Vernatsch. Bei einer Kellerführung kannst du nicht nur die historischen Gewölbe bestaunen, sondern auch verkosten – und das solltest du dir definitiv gönnen.

Neben Wein produziert das Kloster auch Schnäpse und Liköre nach alten Rezepturen. Der Klosterbitter ist mittlerweile eine kleine Legende, ebenso wie der Pregler, ein Kräuterlikör mit 40 verschiedenen Alpenblumen und -kräutern. In der Klosterpunkt-Vinothek kannst du all diese Köstlichkeiten kaufen – perfekt als Mitbringsel oder für den Eigenverbrauch.

Gärten und Gastlichkeit

Rund um die Klostergebäude erstreckt sich eine gepflegte Parkanlage, die zum Spazieren einlädt. Besonders schön ist der Kräutergarten, in dem noch heute Heilpflanzen nach mittelalterlicher Tradition angebaut werden. Hier duftet es nach Lavendel, Thymian und anderen Gewürzen – ein Fest für die Sinne. Die Mönche nutzen viele dieser Kräuter für ihre Liköre und Heilmittel.

Willst du länger bleiben, bietet das Kloster auch Übernachtungsmöglichkeiten. Die Gästezimmer sind einfach, aber sauber und ruhig. Besonders reizvoll ist es, am frühen Morgen das Chorgebet mitzuerleben – ein Erlebnis, das unter die Haut geht, auch wenn man nicht besonders religiös ist. Die Stimmen der Chorherren hallen durch die Kirche und schaffen eine Atmosphäre, die schwer zu beschreiben ist.

Im Klostergasthof kannst du traditionelle Südtiroler Küche genießen, natürlich begleitet von den hauseigenen Weinen. Die Knödel sind hier übrigens legendär – da können selbst eingefleischte Südtiroler nur staunen. Das Restaurant ist auch für Nicht-Übernachtungsgäste geöffnet, allerdings solltest du reservieren, besonders am Wochenende.

Praktische Tipps für deinen Besuch

Das Kloster liegt nur wenige Kilometer nördlich von Brixen und ist sowohl mit dem Auto als auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar. Von Brixen fährt ein Stadtbus direkt zum Kloster – praktisch, wenn du dir die Parkplatzsuche sparen willst. Die Fahrt dauert etwa 15 Minuten und bietet schöne Ausblicke auf die Weinberge.

Für die Besichtigung solltest du mindestens zwei bis drei Stunden einplanen, wenn du alles gründlich anschauen willst. Die Führungen finden täglich außer sonntags statt, dauern etwa 90 Minuten und kosten moderate 8 Euro pro Person. Kinder bis 14 Jahre kommen gratis mit. Besonders empfehlenswert sind die Themenführungen, die sich speziell der Kunst, der Geschichte oder dem Weinbau widmen.

Ein Tipp für Weinliebhaber: Kombiniere deinen Besuch mit einer Kellerführung und Verkostung. Diese findet täglich um 16 Uhr statt und kostet 12 Euro. Du erfährst nicht nur Interessantes über den Weinbau am Kloster, sondern kannst auch fünf verschiedene Weine probieren. Auch hier gilt: besser vorher anmelden.

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