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Sicher in den Schweizer Bergen: Erste Hilfe, Notrufnummern und Apps

In diesem Guide erfährst du, wie du dich bei Unfällen und plötzlichen Wetterumschwüngen richtig verhältst und welche Apps, Notrufnummern und Erste-Hilfe-Tricks im Ernstfall dein Leben retten können.

Schweiz  |  Reiseplanung & Mobilität
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Zwischenablage

Die Schweizer Alpen – eine Welt aus schroffen Felswänden, sanften Almwiesen und glitzernden Gletschern. Doch hinter dieser Postkarten-Idylle lauern Gefahren, die selbst erfahrene Berggänger immer wieder unterschätzen. Jährlich verunglücken in den Schweizer Bergen rund 20.000 Menschen, etwa 100 bis 150 davon tödlich. Die meisten dieser Unfälle wären durch bessere Vorbereitung und rasches, richtiges Handeln vermeidbar gewesen. Bergrettungsdienste beobachten dabei eine zunehmende Sorglosigkeit: Immer mehr Wanderer und Alpinsportler brechen unvorbereitet auf, unterschätzen Distanzen oder verfügen nicht über grundlegende Erste-Hilfe-Kenntnisse.

Das A und O beim Bergsteigen ist die realistische Selbsteinschätzung. Kenne deine Grenzen, plane konservativ und bereite dich gründlich vor. Die Schweizer Bergführerverbände empfehlen, stets eine Sicherheitsreserve einzuplanen – sei es bei der Tourenplanung, beim Proviant oder bei der Zeitkalkulation. Besonders tückisch: Wer das erste Mal in den Alpen unterwegs ist, unterschätzt häufig die alpinen Distanzen. Was auf der Karte nach einem kurzen Spaziergang aussieht, entpuppt sich nicht selten als anspruchsvolle Tagestour mit erheblichen Höhenmetern.

Eine durchdachte Ausrüstung ist der zweite Grundpfeiler der Bergsicherheit. Je nach Jahreszeit und geplanter Tour variiert das notwendige Equipment. Während im Sommer Sonnenschutz, ausreichend Flüssigkeit und wetterfeste Kleidung unerlässlich sind, kommen im Winter Lawinensuchgeräte, Sonden und Schaufeln dazu. Unabhängig von der Route solltest du stets ein vollständiges Erste-Hilfe-Set dabei haben – kein unnötiger Ballast, sondern potentieller Lebensretter.

Wetterwechsel in den Bergen: Wenn der Himmel Kapriolen schlägt

In den Schweizer Alpen kann sich das Wetter innerhalb von Minuten komplett drehen. Strahlender Sonnenschein weicht plötzlich pechschwarzen Gewitterwolken, sommerliche Temperaturen stürzen binnen einer Stunde in den einstelligen Bereich. Besonders gefährlich: der Föhn. Dieser warme Fallwind aus südlicher Richtung sorgt für trügerisch angenehme Temperaturen, kann aber binnen kürzester Zeit in heftige Sturmböen umschlagen. Meteo Schweiz verzeichnet jährlich über 100 Tage mit extremen Wetterumschwüngen im Alpenraum.

Was tun, wenn dich ein Wetterumschwung überrascht? Zuerst gilt: Ruhe bewahren und die Situation nüchtern einschätzen. Im Zweifelsfall immer den Abstieg antreten oder Schutz suchen. Bei aufziehendem Gewitter sind exponierte Grate, einzelnstehende Bäume und Metallinstallationen wie Leitern oder Klettersteigseile zu meiden. Die Blitzgefahr ist hier besonders hoch. Stattdessen Mulden oder dichte Wälder aufsuchen, wobei du einen Sicherheitsabstand zu einzelnen Bäumen einhalten solltest.

Ein häufig unterschätztes Risiko bei Wetterumschwüngen ist die Unterkühlung. Schon bei Temperaturen um 10 Grad Celsius kann es in Kombination mit Nässe und Wind zur gefährlichen Hypothermie kommen. Erste Anzeichen sind Zittern, Müdigkeit und verlangsamte Reaktionen. Krasse Sache: Die Betroffenen selbst nehmen ihren Zustand oft nicht wahr und treffen irrationale Entscheidungen. Bergretter berichten von Unterkühlungsopfern, die im Delirium sogar Kleidungsstücke abgelegt haben. Bei ersten Anzeichen einer Unterkühlung sofort trockene Kleidung anlegen, warme Getränke zu sich nehmen und wenn möglich eine Wärmeisolation zwischen Körper und Boden schaffen.

Der Notfall im Gelände: Richtig handeln, wenn's brenzlig wird

Ein Sturz im unwegsamen Gelände, ein umgeknickter Knöchel oder ein akuter medizinischer Notfall – im alpinen Raum kann jede noch so kleine Verletzung schnell zur ernsten Bedrohung werden. Der erste und wichtigste Schritt: Überlege kurz, bevor du handelst. Verschaffe dir einen Überblick über die Situation und prüfe, ob für dich selbst oder andere Helfer Gefahr besteht. Eine überhastete Rettungsaktion, bei der weitere Personen zu Schaden kommen, verschlimmert die Lage nur.

Ist die unmittelbare Situation sicher, gilt es, den Verletzten zu stabilisieren. Führe die grundlegenden Erste-Hilfe-Maßnahmen durch: Prüfe Atmung und Bewusstsein, stoppe starke Blutungen durch direkten Druck auf die Wunde und schütze den Verletzten vor Auskühlung. Bei Verdacht auf Wirbelsäulenverletzungen sollte der Patient möglichst nicht bewegt werden, außer es besteht akute Lebensgefahr durch äußere Einflüsse. Bergführer raten: Eine Rettungsdecke gehört in jeden Rucksack – sie wiegt fast nichts, kann aber bei der Wärmeisolierung und auch als Signalmittel lebensrettend sein.

Parallel zur Erstversorgung solltest du so früh wie möglich einen Notruf absetzen. In den meisten Regionen der Schweizer Alpen gibt es mittlerweile akzeptablen Mobilfunkempfang. Falls nicht, schicke eine Person los, um Hilfe zu holen. Wichtig dabei: Diese Person sollte genau instruiert werden, was passiert ist und wo sich der Unfallort befindet. Koordinaten aus GPS-Geräten oder Smartphone-Apps können hier Gold wert sein.

Notrufnummern: Die richtigen Kontakte im Ernstfall

In der Schweiz gibt es verschiedene Notrufnummern, die je nach Situation zum Einsatz kommen. Die wichtigsten auf einen Blick: 144 für den Sanitätsnotruf bei medizinischen Notfällen, 112 als europäische Notrufnummer und 1414 für die Rega (Schweizerische Rettungsflugwacht). Eine Besonderheit der Schweiz: Je nach Kanton kann es unterschiedliche Zuständigkeiten geben. Im Wallis beispielsweise ist die Air Zermatt ein wichtiger Akteur bei Bergrettungen, erreichbar unter der Nummer 144.

Die Rega zählt zu den effizientesten Luftrettungsdiensten weltweit und verfügt über ein dichtes Netz an Einsatzbasen. Durchschnittlich ist ein Rega-Helikopter innerhalb von 15 Minuten am Einsatzort – vorausgesetzt, die Wetterbedingungen lassen einen Flug zu. Jährlich führt die Rega rund 17.000 Einsätze durch, davon etwa 2.000 für verunfallte Bergsportler. Ein Gönner-Beitrag (CHF 40 für Einzelpersonen, CHF 80 für Familien) deckt nicht versicherte Rettungskosten ab – eine Überlegung wert für alle, die regelmäßig in den Schweizer Bergen unterwegs sind.

Bei einem Notruf ist Klarheit entscheidend. Die Rettungsleitstellen arbeiten nach dem Schema: Wer meldet? Was ist passiert? Wo ist es passiert? Wann ist es passiert? Wie viele Verletzte gibt es? Welche Art von Verletzungen liegen vor? Halte dich an diese Reihenfolge und bleibe sachlich. Je präziser deine Angaben, desto schneller und gezielter kann die Hilfe erfolgen. Ein guter Trick: Überlege dir diese Informationen bereits, bevor du den Notruf wählst. So vergisst du in der Stresssituation nichts Wichtiges.

Alpine Rettungskette: Von der Alarmierung bis zum Transport

Die alpine Rettungskette besteht aus mehreren Gliedern, die ineinandergreifen müssen, damit eine Rettung gelingt. Am Anfang steht immer die Selbst- und Kameradenhilfe. Viele alpine Notfälle werden durch die Begleiter des Verunfallten oder andere Bergsportler gelöst, die zufällig vor Ort sind. Erst wenn diese Ressourcen nicht ausreichen, kommen professionelle Rettungskräfte zum Einsatz.

Nach einem Notruf entscheidet die Rettungsleitstelle, welche Mittel zum Einsatz kommen. In gut erschlossenen Gebieten kann das ein Rettungswagen sein, in abgelegenen Regionen wird häufig ein Helikopter losgeschickt. Kann dieser wegen schlechter Sicht oder widriger Wetterbedingungen nicht fliegen, rücken bodengebundene Rettungsteams aus. Die Schweizer Alpen-Club-Rettungsstationen verfügen über rund 3.000 Rettungsspezialisten, die auch bei widrigsten Bedingungen ausrücken können. Bergführer berichten: Manchmal dauert es bis zu zwölf Stunden, bis ein terrestrisches Rettungsteam einen abgelegenen Unfallort erreicht hat.

Ein Sonderfall ist die Rettung aus Gletscherspalten. Hier kommen spezialisierte Rettungstechniken zum Einsatz, die nur von ausgebildeten Bergrettern beherrscht werden. Ein Flaschenzug muss aufgebaut und der Verunfallte sicher aus der Spalte gezogen werden – ein komplexer und zeitaufwändiger Vorgang. Wer in vergletschertem Gelände unterwegs ist, sollte daher unbedingt eine Gletscherausrüstung dabei haben und deren Handhabung beherrschen. In der Schweiz finden regelmäßig entsprechende Kurse statt, unter anderem angeboten vom SAC (Schweizer Alpen-Club).

Digitale Helfer: Die wichtigsten Apps für Bergsportler

Smartphones haben die Bergsicherheit revolutioniert. Mit der richtigen App kann jeder Wanderer heute auf hochpräzise Karten zurückgreifen, seinen Standort bestimmen und im Notfall schnell Hilfe rufen. Die Schweizer Behörden empfehlen besonders die kostenlose App "Rega", entwickelt von der gleichnamigen Rettungsflugwacht. Mit einem Wisch lässt sich ein Notruf absetzen, der automatisch die GPS-Koordinaten an die Rettungsleitstelle übermittelt. Ein echtes Pfund in Notsituationen: Du musst nicht einmal wissen, wo genau du bist.

Für die Tourenplanung hat sich die App "SchweizMobil" als Standard etabliert. Sie bietet detaillierte Karten des gesamten Schweizer Wegnetzes und ermöglicht die Berechnung von Gehzeiten unter Berücksichtigung von Höhenmetern. Die Grundversion ist kostenlos, für den vollen Funktionsumfang fällt eine jährliche Gebühr von etwa 35 CHF an. Ein Klacks, wenn man bedenkt, dass eine einzelne gedruckte Wanderkarte bereits 25 CHF kostet.

Ein unterschätzter digitaler Helfer ist die Wetter-App "MeteoSwiss". Sie liefert nicht nur allgemeine Wettervorhersagen, sondern auch spezifische Prognosen für alpine Regionen, einschließlich Gewitterwarnungen und Schneeverhältnissen. Die Datenqualität übertrifft kommerzielle Wetter-Apps bei weitem, da sie direkt vom Schweizer Wetterdienst stammt. Bergführer nutzen sie als Standardwerkzeug für ihre Tourenplanung. Praktisch: Die App funktioniert auch im Offline-Modus, wenn die Vorhersagen vorher heruntergeladen wurden.

Für Wintersportler unverzichtbar ist das "White Risk"-Portal des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung. Die zugehörige App bietet tagesaktuelle Lawinenlageberichte und Schneeprofile. Auch hier gilt: Lieber einmal zu viel nachgeschaut als einmal zu wenig. Die Lawinengefahr wird oft unterschätzt, besonders von Schneeschuh- und Skitourengehern, die abseits präparierter Pisten unterwegs sind.

Prävention: So vermeidest du den Ernstfall

Der beste Notfall ist der, der gar nicht erst eintritt. Prävention beginnt lange vor dem eigentlichen Aufbruch ins Gebirge. Eine realistische Tourenplanung unter Berücksichtigung der eigenen Kondition und Erfahrung ist der erste Schritt. Die SAC-Skala, die Bergtouren nach Schwierigkeitsgraden von T1 (leichte Wanderung) bis T6 (anspruchsvolle Alpintour) einteilt, bietet hier eine gute Orientierung. Wanderkarten vermerken diese Einstufung mittlerweile standardmäßig bei den ausgeschilderten Wegen.

Viele Bergunfälle geschehen auf dem Rückweg, wenn die Konzentration nachlässt und die Kräfte schwinden. Plane daher immer mit ausreichend Zeitreserve und lege regelmäßige Pausen ein. Eine alte Bergsteigerweisheit besagt: Der Gipfel ist erst halb erreicht, wenn du wieder unten bist. Bergführer raten: Setze dir eine Umkehrzeit, die du konsequent einhältst – egal, wie nah der Gipfel noch erscheinen mag.

Die richtige Ausrüstung kann im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden. Dazu gehört wetterfeste Kleidung nach dem Zwiebelprinzip, stabiles Schuhwerk und ein Rucksack mit den Notfallutensilien: Erste-Hilfe-Set, Rettungsdecke, zusätzliche Kleidung, ausreichend Verpflegung und ein aufgeladenes Mobiltelefon mit Powerbank. In höheren Lagen kommen Spezialausrüstungen wie Helm, Klettergurt oder Steigeisen hinzu. Ein oft vergessenes Detail: Handschuhe sollten auch im Sommer immer dabei sein – sie schützen nicht nur bei Kälte, sondern auch bei Kletterpassagen oder Erste-Hilfe-Maßnahmen.

Die wenigsten Bergsteiger würden sich ohne Training auf eine anspruchsvolle Hochtour wagen. Gleiches sollte für die Erste Hilfe gelten. Regelmäßige Kurse frischen das Wissen auf und geben Sicherheit im Ernstfall. Der Schweizer Alpen-Club bietet spezielle Erste-Hilfe-Kurse für den Bergsport an, in denen praxisnah Szenarien geübt werden, die im alpinen Gelände auftreten können. Ein Klacks von einem Zeitaufwand für eine Fertigkeit, die Leben retten kann.

Versicherungen und Kosten: Wer zahlt die Bergrettung?

Eine Bergrettung kann teuer werden – sehr teuer sogar. Für einen Rettungshelikopter fallen schnell mehrere tausend Franken an. Bei einem komplexen Einsatz mit mehreren Rettern und technischem Gerät kann die Rechnung auch mal fünfstellig ausfallen. In der Schweiz greift in solchen Fällen die Unfallversicherung, die für versicherte Personen einen Großteil der Kosten übernimmt. Bei Unfällen während der Berufsausübung ist die Suva (Schweizerische Unfallversicherungsanstalt) zuständig, für Unfälle in der Freizeit die private Unfallversicherung. Touristinnen aus dem Ausland sollten unbedingt vor Reiseantritt prüfen, ob ihre Auslandskrankenversicherung auch Bergrettungskosten abdeckt.

Eine Besonderheit in der Schweiz ist die Rega-Gönnerschaft. Sie funktioniert nach dem Solidaritätsprinzip: Mit einem jährlichen Beitrag unterstützt du die Rettungsflugwacht und erhältst im Gegenzug die Zusicherung, dass die Rega auf die Geltendmachung verbleibender Kosten verzichtet, wenn die Versicherungen nur einen Teil der Rettungskosten übernehmen. Ein unschlagbares Angebot für alle, die regelmäßig in den Bergen unterwegs sind. Kaltblütig betrachtet: Schon ein einziger Rettungseinsatz würde die Gönner-Beiträge von mehreren Jahrzehnten übersteigen.

Weniger bekannt, aber ebenso sinnvoll ist die Mitgliedschaft im Schweizer Alpen-Club (SAC). Sie beinhaltet eine Bergunfallversicherung und ermäßigte Übernachtungen in den SAC-Hütten. Die Jahresgebühr von etwa 125 CHF amortisiert sich bereits nach wenigen Hüttenübernachtungen, von den Versicherungsleistungen ganz zu schweigen. Der SAC bietet zudem regelmäßig Kurse zu alpiner Sicherheit und Rettungstechniken an – ein weiterer Pluspunkt für alle, die ihr Know-how erweitern möchten.

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