Käsefondue und Raclette haben in der Alpengastronomie eine lange Tradition. Ursprünglich als einfache Nahrung für Bergbauern und Sennen entstanden, zählen die Käsespezialitäten heute zu den Aushängeschildern der Schweizer und französischen Alpenküche. Was früher der Not geschuldet war – aus haltbarem Käse und altem Brot eine nahrhafte Mahlzeit zu zaubern – ist längst zur kulinarischen Kultur und touristischen Attraktion avanciert.
Doch es gibt einen Unterschied zwischen einem Käsefondue im Tal und einem auf 2.600 Metern Höhe, umgeben von Schnee und Eis. Die Atmosphäre macht's. Der Geschmack verändert sich nicht, aber das Erlebnis gewinnt an Intensität. In den letzten Jahren haben findige Gastronomen in der Alpenregion diese Erkenntnis genutzt und einzigartige Konzepte entwickelt, bei denen der Rahmen mindestens so wichtig ist wie der Inhalt des Caquelons – der traditionellen Fondue-Keramikschüssel.
Während der Käse vor sich hin blubbert, verbindet sich der Geschmack mit dem besonderen Ambiente: sei es in einem Iglu, in einer Gondel oder auf einer abgelegenen Berghütte. Der Kontrast zwischen der Eiseskälte draußen und der wohligen Wärme des geselligen Käseessens drinnen macht den besonderen Reiz aus. Kein Wunder also, dass diese Form des Genusses zunehmend gefragt ist.
Im Reich der Eiskristalle: Fondue-Erlebnisse in Iglu-Restaurants
Wenn die Temperaturen fallen und der Schnee die Berglandschaft in weiße Watte hüllt, beginnt die Hochsaison für ein ganz besonderes Gastro-Konzept: Iglu-Restaurants. Der Reiz liegt im Widersprüchlichen – in Räumen aus Eis und Schnee, bei Minusgraden, ein heißes Fondue zu genießen. Ein faszinierendes Zusammenspiel der Gegensätze.
Das Fondue-Iglu auf der Engstligenalp bei Adelboden (Berner Oberland) zählt zu den Pionieren dieser Idee. Auf 1.900 Metern über dem Meeresspiegel erhebt sich ein kunstvolles Gebilde aus Schnee. Von außen unscheinbar, offenbart sich im Inneren ein verzauberter Raum. Schneeblöcke bilden die Wände, Eisplatten dienen als Tische, Felle und dicke Decken sorgen für Gemütlichkeit. Die flackernden Kerzen werfen tanzende Schatten an die kristallinen Wände und lassen das Innere in einem warmen Licht erscheinen – verblüffend für eine Umgebung aus gefrorenem Wasser.
Das regionale Bergkäse-Fondue schmeckt hier irgendwie intensiver, cremiger. Ist es die klare Bergluft? Die Höhe? Oder einfach nur der besondere Moment? Fakt ist: Der Weg zum Iglu über die winterliche Hochebene, gefolgt vom Eintauchen in diese surreale Schneewelt, macht selbst aus einem einfachen Käsegericht ein Highlight einer Alpenreise. Die Anreise erfolgt über die Luftseilbahn von Adelboden aus, Haltestelle "Adelboden, Unter dem Birg".
Ein ähnliches, wenn auch luxuriöseres Konzept verfolgt das Iglu-Dorf Parsenn über Davos. Auf stolzen 2.620 Metern Höhe thront hier ein ganzes Dorf aus Schnee und Eis. Kunstvolle Schnitzereien in den Eiswänden, mal filigran, mal wuchtig, verwandeln die weißen Kammern in Galerien aus gefrorenem Wasser. Der Clou: Nach dem Fondue kannst du hier sogar übernachten – in Schlafsäcken auf Eisplatten, selbstverständlich mit dicken Fellen gepolstert. Wer's nicht ganz so abenteuerlich mag, genießt nur das "Fondue Deluxe" und fährt anschließend wieder ins Tal. Hier liegt der Zauber auch in der spektakulären Anreise: Mit der Parsenn-Kabelbahn bis zum Weissfluhjoch auf 2.653 Meter, danach sind es nur wenige Schritte bis zum Iglu-Komplex.
Schweben und Schlemmen: Das Gondel-Fondue-Phänomen
Ein relativ junger Trend sind Fondue-Erlebnisse in umgebauten Bergbahngondeln. Mal handelt es sich um eine stationäre, ausrangierte Gondel, mal um eine tatsächliche Fahrt in der Seilbahn. In beiden Fällen wird die beengte Kabine zur intimen Genusszone umfunktioniert. Das Prinzip ist bestechend einfach: Wo sonst Skifahrer und Wanderer transportiert werden, finden nun kleine Gruppen Platz für ein außergewöhnliches Dinner.
Die "Gondolezza" im Engadiner Pontresina hat dieses Konzept perfektioniert. Die umgebaute Seilbahnkapsel steht im Garten des Hotels Walther, eingebettet in die verschneite Winterlandschaft. Die originale Berggondel wurde liebevoll mit Holz ausgekleidet, mit Fellen ausgelegt und mit Bergmotiven dekoriert. Bei aller Umgestaltung blieben viele originale Elemente erhalten – von den Griffen bis zur Beschriftung. Das Ergebnis ist eine gelungene Mischung aus Nostalgie und Behaglichkeit. Das servierte "Gletscher-Fondue" passt perfekt zum Ambiente und enthält speziell gereifte Käsesorten aus der Region. Ein Spaziergang vom Bahnhof Pontresina durch den verschneiten Ort macht die Vorfreude noch größer.
Echter Höhenflug beim Essen erwartet dich hingegen bei der Fonduegondel am Bettmerhorn im Wallis. Hier handelt es sich nicht um eine stehende Gondel, sondern um eine tatsächliche Fahrt. Während die Kabine langsam auf 2.640 Meter schwebt, wird unterwegs ein regionales Käsefondue serviert. Der Blick aus der fahrenden Gondel ist atemberaubend – tagsüber auf den mächtigen Aletschgletscher, abends auf das Lichtermeer der Täler und bei klarem Wetter auf den Sternenhimmel. Unbeschreiblich ist der Kontrast zwischen der wärmenden Käsespezialität und dem kühlen Panoramablick durch die Scheiben. Die Anreise erfolgt mit der Matterhorn-Gotthard-Bahn bis Fiesch oder Betten, dann weiter mit der zweistufigen Seilbahn bis zur Bettmeralp, wo die Gondelbahn zum Bettmerhorn beginnt.
Mitten in der Zentralschweiz bieten die Pilatus-Fondue-Gondeln ein ähnliches Erlebnis. Während der 45-minütigen Panoramafahrt von Kriens nach Fräkmüntegg am Fuße des Pilatus wird ein dampfendes "Giswiler"-Käsefondue serviert. Das Besondere hier: Der Blick schweift über die Zentralschweizer Bergwelt und den Vierwaldstättersee. Die langsame Fahrt gibt genug Zeit, um die Speise zu genießen und gleichzeitig die vorbeiziehende Landschaft zu bewundern. Jeweils im Winter, von November bis März, kann man dieses schwebende Fondue-Erlebnis buchen. Die Talstation der Pilatusbahn in Kriens ist der Startpunkt des Abenteuers.
Eine Variante dieses Konzepts findet sich im Wallis, im Bergdorf Saas-Fee. Die abendliche Fonduegondel schwebt hier auf 2.400 Meter und bietet einen stimmungsvollen Blick auf die beleuchtete Bergwelt. Der Käse schmilzt, während unter dir die Lichter des Saastals funkeln. Ein Glas Wein dazu – fertig ist das alpine Hochgefühl. Die Fahrt dauert etwa eine Stunde, genug Zeit also, um in Ruhe zu dinieren. Die Anreise erfolgt per Zug und Bergbahn nach Saas-Fee, dann weiter mit der Gondelbahn Spielboden/Mittelallalin.
Urchige Gemütlichkeit: Traditionelle Berghütten mit besonderem Flair
Trotz aller innovativen Konzepte – Fondue und Raclette schmecken auch in traditionellem Ambiente hervorragend. Manche Berghütten haben eine jahrhundertealte Geschichte und bieten mit ihren knarzenden Holzdielen, verräucherten Deckenbalken und prasselnden Kaminfeuern die perfekte Kulisse für ein rustikales Käseerlebnis.
Das Bergrestaurant Fürenalp über Engelberg im Kanton Obwalden ist so ein Ort. Das ganzjährig geöffnete Gasthaus auf 1.850 Metern vereint ursprüngliches Hüttenambiente mit gepflegter Gastlichkeit. Hier werden traditionelle Schweizer Klassiker wie Käsefondue und Raclette in authentischer Atmosphäre serviert. Die massive Holzeinrichtung, kombiniert mit den großen Panoramafenstern, schafft einen Raum, in dem Tradition und atemberaubende Aussicht verschmelzen. Bemerkenswert ist die Lage hoch über Engelberg mit Weitblick auf die umgebenden Gipfel. Der offene Kamin im Zentrum des Raumes sorgt für wohlige Wärme und den typischen Holzgeruch, der untrennbar mit echten Berghütten verbunden ist. Erreichen lässt sich das Restaurant mit der Luftseilbahn Engelberg-Fürenalp.
Die Alte Klewenstube auf der Klewenalp über dem Vierwaldstättersee im Kanton Nidwalden folgt einer ähnlichen Philosophie. Auf 1.600 Metern Höhe gelegen, verbindet das urgemütliche Gasthaus bodenständige Küche mit spektakulärer Aussicht. Besonders das Raclette hat hier seinen festen Platz auf der Karte. Während der Käse am offenen Feuer schmilzt und in duftendem Schmelzfluss auf den Teller gestrichen wird, schweift der Blick über den tiefblauen See und die umliegenden Berge. Die dunklen Holzwände haben über die Jahrzehnte den Geruch von Feuer und Käse aufgesogen und strahlen eine Wärme aus, die sich nicht allein durch Heizung erklären lässt. Mit der Luftseilbahn von Beckenried aus ist die Klewenstube leicht erreichbar.
Der Reiz dieser traditionellen Locations liegt nicht zuletzt in ihrer Beständigkeit. Während die Iglu-Restaurants jedes Jahr neu gebaut werden müssen und die Gondeln modernisiert werden, trotzen diese Hütten seit Generationen Wind und Wetter. Die dicken Steinmauern und wuchtigen Holzbalken erzählen Geschichten von Sennen und Bergbauern, von harten Wintern und kurzen Sommern. Das Käsefondue oder Raclette hier zu genießen, bedeutet auch, Teil dieser fortlaufenden Geschichte zu werden.
Praktische Tipps für dein alpines Fondue-Abenteuer
So verlockend die beschriebenen Erlebnisse auch klingen – einige praktische Hinweise sollten beachtet werden. Vor allem die Höhenlage spielt eine entscheidende Rolle. In den meisten vorgestellten Locations befindest du dich zwischen 1.600 und 2.650 Metern über dem Meeresspiegel. Die dünnere Luft kann ungeübten Flachländern zu schaffen machen, besonders in Kombination mit Alkohol, der bei Fondue traditionell reichlich fließt. Trink daher ausreichend Wasser und gönne dir genügend Akklimatisierungszeit.
Die Reservierung ist bei allen genannten Angeboten Pflicht – oft Wochen, manchmal Monate im Voraus. Besonders die Fonduegondeln und Iglu-Restaurants sind heiß begehrt und schnell ausgebucht. Die Hauptsaison liegt zwischen Dezember und März, einzelne Angebote wie das Bergrestaurant Fürenalp sind ganzjährig geöffnet.
Die Preise bewegen sich deutlich über dem, was man im Tal für ein Fondue zahlen würde. Rechne mit 40-70 Schweizer Franken pro Person für das Essen, zuzüglich Getränke und gegebenenfalls Bergbahntickets. Die Iglu-Übernachtung in Davos schlägt mit über 200 Franken zu Buche – ist aber ein unvergessliches Erlebnis.
Kleidung ist ein wichtiger Faktor. Selbst in beheizten Berghütten kann es zugig sein, in den Iglu-Restaurants herrschen definitiv Minusgrade. Warme, funktionale Kleidung in mehreren Schichten ist Pflicht. Die meisten Anbieter halten zusätzliche Decken bereit, manche verleihen auch Thermo-Overalls. In den Gondeln ist es in der Regel angenehm temperiert, aber der Weg dorthin führt durch winterliche Kälte.