Auf 1.034 Metern Höhe eingebettet in ein ausladendes Tal, präsentiert sich Grindelwald als lebendiger Ort mit rund 3.800 Einwohnern – ein Dorf, das mit jedem Blickwinkel neue Perspektiven auf die gewaltigen Gipfel des Berner Oberlands offenbart. Die Dreierformation aus Eiger, Mönch und Jungfrau bildet die monumentale Kulisse, die sich scheinbar zum Greifen nah über dem Ort erhebt. Besonders markant: die 1.800 Meter hohe Nordwand des Eigers, die mit ihrer dunklen, bedrohlichen Präsenz nicht umsonst den Beinamen "Mordwand" trägt. Hier, wo das Dorf an seinen Rändern sanft in saftige Alpwiesen übergeht, hat sich ein Gleichgewicht entwickelt – zwischen touristischer Infrastruktur und der ursprünglichen Bergwelt, die jeden Besucher unweigerlich in ihren Bann zieht.
Die Geschichte Grindelwalds als Tourismusort reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück, als britische Alpinisten das Potenzial der Region erkannten. Was damals als exklusives Ziel für wagemutige Bergsteiger begann, hat sich längst zu einem vielseitigen Reiseziel entwickelt, das zu jeder Jahreszeit seine eigenen Reize entfaltet. Der Ort selbst präsentiert sich als Mischung aus traditioneller Walliser Holzarchitektur und modernen Elementen, die sich erstaunlich harmonisch ins Landschaftsbild einfügen. Überraschend dabei, wie selbst neuere Hotelbauten die charakteristischen Holzfassaden und Balkone aufgreifen – eine Reverenz an die regionale Baukunst, die den Charakter des Ortes bewahrt.
Anreise und Orientierung
Die Anreise nach Grindelwald erfolgt in der Regel über Interlaken, das als Verkehrsknotenpunkt der Region fungiert. Mit der Berner Oberland-Bahn geht's von dort in etwa 30 Minuten nach Grindelwald – eine Strecke, die bereits zum Erlebnis wird, wenn der Zug sich durch die immer enger werdenden Täler schlängelt. Der Bahnhof liegt zentral im Ort, von hier aus sind die meisten Unterkünfte und Attraktionen fußläufig erreichbar. Mit dem Auto erreicht man Grindelwald über die A8 Richtung Interlaken und dann weiter über die Hauptstraße 6. Parkmöglichkeiten gibt's reichlich, allerdings ist die Parkplatzsuche in der Hochsaison mitunter eine Herausforderung – besonders an sonnigen Wochenenden stehen die Autos bis weit vor den Ortseingang.
Im Ort selbst orientiert man sich leicht an der Hauptstraße, die sich durch den Ortskern zieht. Links und rechts davon verzweigen sich kleinere Gassen, die zu verschiedenen Unterkünften, Restaurants und Geschäften führen. Besonders praktisch: die kostenlose Dorfbus-Linie, die regelmäßig zwischen dem Bahnhof und den wichtigsten Punkten im Ort pendelt. Zur Orientierung empfiehlt sich ein Besuch im Tourismusbüro direkt am Bahnhof, wo man neben Karten auch aktuelle Informationen zu Wanderwegen, Wettervorhersagen und Veranstaltungen erhält. Die Mitarbeiter dort kennen zudem die aktuellen Bedingungen auf den Wanderwegen – besonders im Frühjahr, wenn die Schneeschmelze manche Routen noch unpassierbar macht, ein unbezahlbarer Service.
Draußen unterwegs – Wandern und Bergsteigen
Grindelwald ist vor allem eins: Ausgangspunkt für unzählige Wanderungen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade. Das weitverzweigte Wegenetz bietet für jeden Anspruch die passende Route. Absolute Klassiker sind die Wanderungen zur Kleinen Scheidegg, zum Bachalpsee oder durch die Gletscherschlucht. Die Kleine Scheidegg auf 2.061 Metern bietet dabei nicht nur atemberaubende Ausblicke auf die Eigernordwand, sondern ist auch Zwischenhalt der historischen Zahnradbahn zur Jungfrau.
Der türkisblaue Bachalpsee, etwa zwei Stunden Fußmarsch von der Bergstation First entfernt, zählt zu den meistfotografierten Motiven der Region – früh morgens oder am späten Nachmittag lassen sich hier Spiegelungen der Berggipfel im Wasser einfangen, die selbst verwöhnte Alpenkenner ins Staunen versetzen. Die Grindelwald-First-Bahn bringt Wanderer bequem auf eine Höhe von 2.168 Metern, von wo aus sich zahlreiche Routen erschließen. Wer's sportlicher mag, kann den Aufstieg natürlich auch zu Fuß bewältigen – schweißtreibende 800 Höhenmeter, die mit jedem Schritt nach oben durch immer großartigere Aussichten belohnt werden.
Für erfahrene Alpinisten bietet Grindelwald Zugänge zu anspruchsvollen Bergtouren. Die Besteigung des Wetterhorns (3.692 m) oder des Schreckhorns (4.078 m) erfordert allerdings fundierte Bergerfahrung, entsprechende Ausrüstung und meist die Begleitung eines Bergführers. Die Eigernordwand, einst der Inbegriff alpinistischer Herausforderung, wird heute nur noch von Profis in Angriff genommen. Für alle anderen bietet der Eiger-Trail eine sichere Alternative mit dennoch beeindruckenden Einblicken in die berüchtigte Wand. Dieser Weg führt vom Bahnhof Eigergletscher hinunter nach Alpiglen und verläuft dabei direkt am Fuß der Nordwand – ein ehrfurchteinflößendes Erlebnis, wenn man zum ersten Mal die gewaltigen Dimensionen dieser Felswand begreift.
In den Sommermonaten sollte man früh aufbrechen, denn nachmittags ziehen regelmäßig Gewitter auf. Die Bergwetter-Apps sind hier nur bedingt verlässlich – ein Blick zum Himmel und das Gespräch mit Einheimischen geben oft die bessere Prognose. Und ja, die Berge machen ihr eigenes Wetter, manchmal überraschend schnell. Eine gute Regenjacke gehört daher immer ins Gepäck, selbst wenn der Morgen mit strahlendem Sonnenschein beginnt.
Jenseits der Wanderwege – Weitere Aktivitäten
Neben dem klassischen Wandern und Bergsteigen bietet Grindelwald ein breites Spektrum an Outdoor-Aktivitäten. Im Sommer lockt der Seilpark mit verschiedenen Parcours unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade. Auf der First-Bahn-Talstation wartet mit dem "First Flyer" ein 800 Meter langer Zipline-Parcours, der ganz schön Überwindung kostet – aber mit sensationellen Ausblicken belohnt. Etwas gemächlicher geht's auf dem "First Glider" zu, einem Adler-förmigen Hängegleiter, der Passagiere mit bis zu 83 km/h durch die Berglandschaft schweben lässt. Für beide Attraktionen sollte man allerdings rechtzeitig reservieren, besonders in der Hochsaison sind die Wartezeiten sonst beträchtlich.
Mountainbiker finden im Grindelwald-Gebiet ausgewiesene Strecken verschiedener Schwierigkeitsgrade. Das Verleihangebot im Ort ist umfangreich und umfasst auch E-Mountainbikes – eine willkommene Unterstützung angesichts der teils knackigen Steigungen. Der Trend zum E-Bike hat übrigens die Alpenregion revolutioniert und Routen erschlossen, die vorher nur den wirklich fitten Radlern vorbehalten waren.
Im Winter verwandelt sich Grindelwald in ein Skigebiet mit rund 160 Pistenkilometern. Die Skiregion Grindelwald-Wengen bietet dabei überwiegend mittelschwere Abfahrten, ist also ideal für Fortgeschrittene und Familien. Für Snowboarder gibt's einen Snow Park mit verschiedenen Obstacles und Jumps. Ein besonderes Highlight im Winter ist die längste Schlittelbahn Europas: 15 Kilometer führt die Strecke von der Kleinen Scheidegg nach Grindelwald – ein rasantes Vergnügen, bei dem man die winterliche Berglandschaft aus einer ganz anderen Perspektive erlebt. Wer's traditioneller mag, kann auf präparierten Winterwanderwegen die verschneite Landschaft erkunden – besonders schön ist die Route zum Bergrestaurant Bussalp, wo einem als Belohnung ein heißer Kakao oder ein Glas Glühwein winkt.
Übernachtungsmöglichkeiten
Grindelwald bietet ein breites Spektrum an Unterkünften für jeden Geldbeutel. Die klassischen Hotels im Ortszentrum präsentieren sich meist im traditionellen Chalet-Stil mit holzvertäfelten Zimmern und blumengeschmückten Balkonen. Das "Hotel Belvedere" etwa bietet neben komfortablen Zimmern einen Spa-Bereich mit Panoramasauna – ein Luxus, den die schmerzenden Muskeln nach einer anstrengenden Wanderung durchaus zu schätzen wissen. Im gehobenen Segment bewegt sich das "Romantik Hotel Schweizerhof", das mit seinem exzellenten Restaurant und individuell eingerichteten Zimmern punktet.
Preisgünstiger, aber nicht weniger authentisch übernachtet man in einer der zahlreichen Pensionen oder Gästehäusern. Die "Pension Gydisdorf" etwa, etwas abseits des Ortszentrums gelegen, besticht durch ihre familiäre Atmosphäre und die hausgemachten Frühstücksmarmeladen. Für Selbstversorger bieten sich die gut ausgestatteten Ferienwohnungen an, die von privaten Vermietern oder Agenturen angeboten werden. Besonders gefragt sind dabei Unterkünfte mit Balkon oder Terrasse und Blick auf die Eigernordwand – frühzeitige Buchung ist hier empfehlenswert, vor allem in der Hochsaison.
Wer's ursprünglich mag, kann in einer der umliegenden Berghütten übernachten. Die Bergsteigerhütte Milchbach etwa, etwa zwei Stunden Fußmarsch vom Ortszentrum entfernt, bietet einfache, aber gemütliche Schlafplätze und eine herzhafte Verpflegung. Der Sonnenaufgang von hier aus, mit dem ersten Licht auf der Eigernordwand, entschädigt für die einfachen sanitären Verhältnisse. Übrigens: In den meisten Berghütten ist ein eigener Schlafsack oder zumindest ein Hüttenschlafsack Pflicht – die Bettwäsche wird aus praktischen Gründen nicht nach jedem Gast gewechselt.
Für Familien bieten sich die Campingplätze "Gletscherdorf" und "Eigernordwand" an, die beide über gut ausgestattete Sanitäranlagen verfügen. Letzterer liegt besonders idyllisch am Waldrand mit Blick auf – natürlich – die Eigernordwand. Hier herrscht oft eine internationale Atmosphäre, wenn sich abends Bergsteiger und Wanderer aus aller Welt am Gemeinschaftsgrill treffen und bei einem Bier Geschichten und Routentipps austauschen.
Beste Reisezeit
Die Hauptsaison in Grindelwald erstreckt sich von Juni bis September sowie von Dezember bis März. In diesen Monaten sind die meisten Attraktionen geöffnet, allerdings ist der Ort dann auch entsprechend gut besucht. Wer Menschenmassen vermeiden möchte, sollte die Nebensaison im Mai oder Oktober in Betracht ziehen. Die Landschaft präsentiert sich dann in besonders intensiven Farben – entweder im frischen Grün des Frühlings oder in den goldenen Tönen des Herbstes. Einige Bergbahnen haben in der Nebensaison allerdings reduzierte Betriebszeiten oder sind ganz geschlossen.