Schweiz

Jungfraujoch – Top of Europe: Die höchstgelegene Bahnstation Europas

Das Jungfraujoch verbindet alpines Naturschauspiel mit menschlichem Erfindergeist. Die Aussicht vom "Top of Europe", der Gang durch den Eispalast und der Blick auf den mächtigen Aletschgletscher hinterlassen bleibende Eindrücke.

Schweiz  |  Sehenswertes & Attraktionen
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Zwischenablage

Auf 3.454 Metern über dem Meeresspiegel thront sie inmitten des ewigen Eises: die Bahnstation Jungfraujoch. Entstanden in einer Zeit, als die Alpen noch weitgehend unerschlossen waren, gilt sie bis heute als Pionierleistung im alpinen Bahnbau. Begonnen hatte alles mit einer kühnen Vision des Industriellen Adolf Guyer-Zeller, der 1893 die Idee einer Bahn auf die Jungfrau entwickelte. Statt den Berg von außen zu erklimmen, sollte sein Projekt durch das Innere der Berge führen. 16 Jahre Bauzeit, unzählige Hindernisse und beachtliche menschliche Anstrengungen später wurde die Station 1912 eröffnet. Durchs massive Gestein der Eiger-Nordwand und des Mönchs mussten die Arbeiter sich ihren Weg bahnen – ein hartes Stück Arbeit, das mehrere Menschenleben kostete.

Die Jungfraubahn selbst ist ein ingenieurtechnisches Wunderwerk. Als Zahnradbahn konzipiert, überwindet sie auf der Strecke von Kleine Scheidegg bis zum Jungfraujoch einen Höhenunterschied von mehr als 1.400 Metern. Die Strecke verläuft dabei zu einem großen Teil im Tunnel, der direkt durch die Eigernordwand und den Mönch getrieben wurde. Kurios: An zwei Stellen – dem Eigergletscher und dem Eismeer – gibt es Aussichtsfenster im Tunnel, sodass Reisende kurze Blicke nach draußen werfen können. Der Anblick der schroffen Bergwelt durchs Fenster, während die Bahn gemächlich nach oben kriecht, hat etwas Surreales an sich.

Anreise zum Dach Europas – der Weg ist das Ziel

Wer zum Jungfraujoch will, braucht Zeit und Geduld. Die Anreise erfolgt in mehreren Etappen und ist selbst bereits ein Erlebnis erster Güte. Von Interlaken aus geht's zunächst mit der Berner Oberland-Bahn (BOB) nach Lauterbrunnen oder Grindelwald. Von dort führt die Wengernalpbahn hinauf zur Kleinen Scheidegg – einer spektakulären Passhöhe auf 2.061 Metern, von der aus die eigentliche Jungfraubahn startet. Der letzte Abschnitt der Reise führt fast komplett unterirdisch in knapp 40 Minuten zur Station Jungfraujoch – "Top of Europe", wie es hier nicht ohne Stolz heißt.

Während der Fahrt passiert man die bereits erwähnten Haltestellen Eigergletscher und Eismeer. Trubelig geht's fast immer zu, vor allem an sonnigen Sommertagen und in den Hauptreisezeiten. Gerade weil die Bahn so ein beliebtes Ausflugsziel ist, empfiehlt sich eine Fahrt in der Nebensaison oder zumindest früh am Tag. Die Preise haben es übrigens in sich: Zwischen 150 und 200 Schweizer Franken kostet das Ticket für die Berg- und Talfahrt – je nach Saison und Rabattmöglichkeiten. Wer clever plant, nutzt einen der zahlreichen Tarife wie den "Good Morning Ticket", der für Frühaufsteher günstigere Preise bietet.

Die Fahrt selbst? Ein kurioses Gemisch aus Aufregung und langsamem Dahingleiten. Die Luft wird merklich dünner, während die Zahnradbahn sich mit etwa 9 km/h nach oben kämpft. Nicht wenige Besucher spüren bereits während der Fahrt erste Symptome der Höhenkrankheit – leichte Kopfschmerzen oder ein seltsam flauer Magen sind keine Seltenheit. Der Blick aus den Bahnfenstern wandelt sich: Von saftigen Alpwiesen zu kargen Felsen, von vereinzelten Bäumen zu einer Welt aus Schnee und Eis.

Auf dem Gipfel – Aussichtsplattform und Sphinx-Observatorium

Oben angekommen, braucht's erst mal einen Moment, um anzukommen. Der erste Eindruck: grelles Licht, glitzernder Schnee, dünne Luft und eine gewisse Geschäftigkeit, die man in dieser Höhe kaum erwarten würde. Die "Top of Europe"-Aussichtsplattform liegt etwas oberhalb der Bahnstation, auf sage und schreibe 3.571 Metern. Der Weg dorthin führt über einen Hochgeschwindigkeitsaufzug, der einen innerhalb von 25 Sekunden weitere 117 Höhenmeter befördert. Dort oben steht auch das markante Sphinx-Observatorium – eine futuristisch anmutende Konstruktion aus Stahl und Glas, die wie ein Fremdkörper auf dem Berggrat thront.

Das Panorama von der Aussichtsplattform gehört zweifelsohne zu den beeindruckendsten in den gesamten Alpen. Bei gutem Wetter reicht der Blick vom Schwarzwald im Norden bis zu den italienischen Alpen im Süden. Besonders imposant zeigen sich die benachbarten Viertausender Eiger (3.967 m), Mönch (4.107 m) und natürlich die namensgebende Jungfrau (4.158 m), die so nah erscheinen, als könne man sie anfassen. Fotografen kommen hier voll auf ihre Kosten, wobei die Lichtverhältnisse oft tückisch sind: Die Kombination aus gleißendem Schnee und intensiver Höhensonne stellt selbst modernste Kameras vor Herausforderungen.

Das Wetter am Jungfraujoch folgt eigenen Regeln. Selbst an Tagen, an denen im Tal strahlender Sonnenschein herrscht, kann der Gipfel in dichten Wolken stecken. Umgekehrt kan's passieren, dass man über einer geschlossenen Wolkendecke steht und in einen strahlend blauen Himmel blickt, während unten Regen fällt. Die Wetterstation des Observatoriums liefert aktuelle Daten, die vor der Anreise unbedingt gecheckt werden sollten. Nichts ist ärgerlicher, als den nicht gerade günstigen Aufstieg zu machen, nur um dann in einer grauen Suppe zu stehen.

Der ewige Frost – der Eispalast und seine gefrorenen Kunstwerke

Eine der ungewöhnlichsten Attraktionen des Jungfraujochs verbirgt sich 20 Meter unter der Oberfläche des Gletschers: der Eispalast. Seit 1934 führen Tunnel und Gänge durch das Innere des ewigen Eises. Ein schummriges, bläulich schimmerndes Labyrinth erstreckt sich über mehr als tausend Quadratmeter – und ist gleichzeitig Museum und Naturphänomen. Die Temperatur im Inneren liegt konstant bei etwa -3° Celsius, unabhängig von der Witterung draußen. Auf rutschfesten Wegen wandelt man durch die kristallene Welt, in der zahlreiche Eisskulpturen zu bestaunen sind.

Der Eispalast ist über die Jahrzehnte gewachsen und verändert sich ständig. Die Skulpturen werden regelmäßig erneuert und ergänzt – mal sind es Pinguine und Schneemänner für die kleinen Besucher, mal kunstvolle Darstellungen von Bergsteigern oder alpinen Tieren. Besonders beeindruckend: die Nischen und Hohlräume im Eis, die durch geschickte Beleuchtung in verschiedenen Farben erstrahlen. Die längsten Gänge des Palastes reichen über 100 Meter tief in den Gletscher hinein. Die Wände sind glatt poliert und schimmern in einem fast unwirklichen Blauton, der von der Dichte des Eises zeugt.

Der Hunsrück nennt sowas 'en schnappatmich Eisgefrier – und tatsächlich kann der Temperaturunterschied zwischen dem sommerlich warmen Bahnhof und dem frostigen Eispalast Unvorbereitete überrumpeln. Eine Jacke mitnehmen ist daher Pflicht, selbst wenn draußen die Sonne brutzelt. Die kurzen, teils steilen Treppen sind zwar mit Gummimatten ausgelegt, trotzdem ist festes Schuhwerk angeraten. Der Eispalast ist übrigens im Bahnticket inklusive und kann beliebig lang erkundet werden – ein willkommenes Extra angesichts der sonst nicht gerade niedrigen Preise am Jungfraujoch.

Der gigantische Aletschgletscher – längster Eisstrom der Alpen

Zu den absoluten Höhepunkten eines Besuchs auf dem Jungfraujoch zählt der Blick auf den Aletschgletscher. Mit einer Länge von rund 23 Kilometern ist er der längste Gletscher der Alpen und ein imposantes Schauspiel der Natur. Vom Aussichtspunkt "Plateau" hat man einen grandiosen Blick auf den Eisstrom, der sich wie ein gefrorener Fluss talwärts schlängelt. Die bizarren Formationen aus zerklüfteten Spalten und aufgetürmten Eisblöcken erzeugen ein fast schon unwirkliches Bild. An sonnigen Tagen funkelt der Gletscher in verschiedenen Blautönen, während die umliegenden Berggipfel das Panorama einrahmen.

Der Aletschgletscher ist Teil des UNESCO-Weltnaturerbes "Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch" und gewährt einen beeindruckenden Einblick in die Dynamik der Alpengletscher. Freilich ist auch er vom Klimawandel betroffen. In den letzten Jahrzehnten hat er erheblich an Masse verloren, und Experten prognostizieren, dass er bis Ende dieses Jahrhunderts vollständig verschwunden sein könnte. Historische Markierungen entlang des Gletschers verdeutlichen den Rückgang – ein mahnender Zeigefinger der Natur.

Wer mehr als nur einen Blick auf den Gletscher werfen möchte, kann an geführten Touren über das ewige Eis teilnehmen. Diese starten allerdings nicht direkt am Jungfraujoch, sondern weiter unten im Tal. Die Exkursionen sind nur mit entsprechender Ausrüstung und in Begleitung erfahrener Bergführer möglich, da die Gletscherwanderung ihre Tücken hat: Unter der Schneedecke lauern Spalten, die teilweise mehrere Meter tief sein können.

Praktisches und Planungstipps für den Besuch

Ein Besuch des Jungfraujochs will gut geplant sein, denn spontan und billig geht hier gar nix. Die Fahrkarten sollten vorab gebucht werden, vor allem in der Hauptsaison von Juni bis September, wenn die Züge oft ausgebucht sind. Die Preise variieren je nach Saison und Tageszeit erheblich. Besonders günstig ist das bereits erwähnte "Good Morning Ticket", das für die erste Bergfahrt gilt. Wer mit der Bahn anreist, profitiert von Kombi-Tickets mit der SBB.

Wettermäßig ist Vorsicht geboten: Bei schlechter Sicht oder starkem Wind kann die Fahrt zum Jungfraujoch schnell zur teuren Enttäuschung werden. Zudem sind einige Attraktionen bei widrigen Wetterbedingungen geschlossen. Also immer vorher die aktuellen Wetterdaten und Webcams auf der offiziellen Website checken. Idealerweise plant man den Besuch flexibel und hat einen Alternativtag in petto, falls das Wetter nicht mitspielt.

Die dünne Luft in über 3.400 Metern Höhe kann für manche Besucher problematisch sein. Herzpatienten oder Menschen mit Atemwegserkrankungen sollten vorher ihren Arzt konsultieren. Aber auch gesunde Besucher spüren oft Symptome der Höhenkrankheit wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Übelkeit. Langsames Bewegen, ausreichend Flüssigkeit und eine gewisse Akklimatisationszeit können helfen. Im Notfall steht auf dem Jungfraujoch medizinisches Personal bereit.

Kleidungstechnisch sollte man sich auf alles gefasst machen. Selbst im Hochsommer kann es auf dem Jungfraujoch empfindlich kalt werden, mit Temperaturen um den Gefrierpunkt. Mehrere Kleidungsschichten, eine warme Jacke, Handschuhe, Mütze und eine Sonnenbrille gehören zur Grundausstattung. Der UV-Schutz sollte nicht unterschätzt werden: Die Sonneneinstrahlung ist in dieser Höhe besonders intensiv, was ohne ausreichenden Schutz schnell zu Sonnenbrand führen kann.

Gastronomie und Shopping in luftiger Höhe

In Sachen Verpflegung muss auf dem Jungfraujoch niemand darben. Mehrere Restaurants bieten von der schnellen Stärkung bis zum mehrgängigen Menü alles, was das Herz begehrt. Das höchstgelegene Restaurant Europas, das "Restaurant Aletsch", serviert internationale und Schweizer Küche mit spektakulärem Blick auf den Gletscher. Im "Crystal Restaurant" kann man sich an einem reichhaltigen Buffet bedienen. Die Preise liegen deutlich über dem, was man im Tal zahlt – aber das ist bei einer solchen Lage kaum verwunderlich.

Für den kleinen Hunger zwischendurch gibt es mehrere Cafés und Snackbars. Besonders beliebt ist das Café Jungfraujoch, in dem man bei Kaffee und Kuchen den Blick über die Bergwelt schweifen lassen kann. Eine Spezialität, die man sich nicht entgehen lassen sollte: die heiße Schokolade – ein wahres Lebenselixier nach einem Aufenthalt auf der eisigen Aussichtsplattform.

Natürlich gibt es auch diverse Shops, die von Souvenirs bis zu Schweizer Spezialitäten alles anbieten. Besonders beliebtl bei Touristen: die berühmten Lindt-Schokoladen aus der höchstgelegenen Chocolatier-Boutique Europas und natürlich Schweizer Messer mit Jungfraujoch-Gravur. Und wie's halt so ist auf 3.454 Metern: Die Preise sind so hoch wie die Lage. Wer preisbewusst ist, kauft seine Souvenirs lieber im Tal.

Die beste Reisezeit und alternative Aktivitäten

Das Jungfraujoch ist ganzjährig geöffnet, allerdings schwankt das Besuchererlebnis je nach Jahreszeit erheblich. Die Sommermonate Juli und August bieten die stabilsten Wetterbedingungen, sind aber auch die Hauptreisezeit mit entsprechendem Besucherandrang. Der Frühling und Herbst können mit klarer Sicht und weniger Touristen punkten, bergen aber ein höheres Risiko für schlechtes Wetter. Der Winter hat seinen ganz eigenen Reiz: Die verschneite Bergwelt wirkt noch majestätischer, allerdings ist die Anreise bei Schneefall oder Lawinengefahr mitunter schwierig.

Wer dem Trubel auf dem Jungfraujoch entgehen möchte, kann auf zahlreiche alternative Ausflugsziele in der Region ausweichen. Der Schilthorn (2.970 m) mit seiner Drehrestaurant "Piz Gloria" bietet ebenfalls atemberaubende Aussichten und wurde durch den James-Bond-Film "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" weltberühmt. Das Lauberhorn, bekannt durch die gleichnamige Skiabfahrt, ist ein lohnendes Wanderziel mit Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau. Und die Schynige Platte, erreichbar mit einer nostalgischen Zahnradbahn, verzaubert mit ihrem Alpengarten und dem Panoramablick auf die Berner Alpen. Ein bisschen wie wenn ein Schöpflöffel eines der schönsten Alpenpanoramen eingefroren hätte.

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