Schweiz

Schynige Platte: Nostalgische Zahnradbahn, Alpenflora und Dreigestirn-Panorama

Die Schynige Platte kombiniert Eisenbahnromantik mit alpiner Blütenpracht und einem der spektakulärsten Panoramen der Schweiz. Hier rattern historische Zahnradbahnen durch saftige Bergwiesen, während Eiger, Mönch und Jungfrau majestätisch am Horizont thronen.

Schweiz  |  Sehenswertes & Attraktionen
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Zwischenablage

Auf 1.967 Metern über dem Meeresspiegel liegt die Schynige Platte – ein Aussichtspunkt, der sein Versprechen nicht nur hält, sondern übertrifft. Die Lage zwischen Thuner- und Brienzersee macht sie zu einem der lohnendsten Ausflugsziele im Berner Oberland. Das Dreigestirn Eiger (3.967 m), Mönch (4.107 m) und Jungfrau (4.158 m) präsentiert sich von hier in einer Klarheit, die selbst routinierte Alpenbesucher verstummen lässt. Die luftige Position auf dem Bergkamm bietet ein 360-Grad-Panorama, das bei guter Sicht weit über die Berner Alpen hinausreicht.

Die Schynige Platte gehört zur Gemeinde Gündlischwand im Berner Oberland und bildet geografisch einen markanten Grat am Nordwestrand der Berner Hochalpen. Der Name leitet sich übrigens vom Schweizerdeutschen "schynig" (sonnig, leuchtend) ab – eine treffende Bezeichnung für diese exponierte Bergterrasse, die an klaren Tagen tatsächlich in der Sonne glänzt. Das Areal ist kein wilder Naturpark, sondern durchaus erschlossen. Trotzdem hat es sich einen ursprünglichen Charakter bewahrt, nicht zuletzt dank der traditionellen Anreise per historischer Bahn.

Wer hier oben steht, blickt auf mehr als nur Berge. Das Tal von Interlaken liegt wie ein Relief zu Füßen, die beiden türkisblauen Seen bilden einen hypnotischen Kontrast zum Grün der Wälder und Wiesen. An klaren Herbsttagen reicht die Sicht bis zu den verschneiten Gipfeln des Walliser Alpenmassivs. Manchmal liegt unter einem ein Nebelmeer, aus dem nur die höchsten Spitzen ragen – ein surreales Schauspiel, für das sich das frühe Aufstehen mehr als lohnt.

Mit der historischen Zahnradbahn ins Bergglück

Der Weg zur Schynigen Platte ist fast so eindrucksvoll wie das Ziel selbst. Die Schynige Platte-Bahn, eine der ältesten Zahnradbahnen der Schweiz, nimmt Fahrgäste seit 1893 mit auf eine nostalgische Bergfahrt. Startpunkt ist die Station Wilderswil bei Interlaken auf 584 Metern Höhe. Von hier aus erklimmen die historischen Waggons in etwa 50 Minuten rund 1.400 Höhenmeter – anfangs noch gemächlich durch Waldgebiete, später dann über offene Bergflanken mit immer grandioseren Ausblicken.

Die Fahrt in den wunderbar renovierten Holzwaggons der Zahnradbahn ist kein simpler Transport, sondern ein Erlebnis aus einer anderen Zeit. Das Schnaufen der Lokomotive, das rhythmische Klacken der Zahnräder im Gleis und das Knarren der Holzsitze bilden die akustische Kulisse für eine Reise in die Belle Époque des Alpentourismus. Schneckenlangsam und mit maximal 12 km/h kriecht der Zug den Berg hinauf – und gibt genau dadurch Zeit zum Schauen, Staunen und Fotografieren.

Blaubeerbüsche säumen die Gleise, Enzian und Alpenrosen blühen zwischen Felsbrocken, und manchmal grasen Kühe bedrohlich nah an der Bahntrasse. Bei der Station Breitlauenen, auf halber Strecke, zeigt sich erstmals das vollständige Panorama. Hier hält der Zug kurz für einen technischen Wasserstopp – Profitipp: Die linke Zugseite (bergwärts gesehen) bietet während der Fahrt die besseren Ausblicke auf Seen und Berge.

Betrieben wird die Bahn von der Jungfraubahnen-Gruppe, die Saison dauert typischerweise von Ende Mai bis Ende Oktober. Außerhalb dieser Zeit ist die Schynige Platte nur zu Fuß erreichbar und die Einrichtungen sind geschlossen. Die erste Bahn fährt morgens gegen 8:30 Uhr ab Wilderswil, die letzte Talfahrt verlässt die Bergstation am späten Nachmittag – die genauen Zeiten variieren saisonal und sollten vorab geprüft werden.

Der Alpengarten: Botanisches Kleinod auf 2.000 Metern

Unmittelbar neben der Bergstation liegt eine der Hauptattraktionen der Schynigen Platte: der Alpengarten. Auf einer überschaubaren, aber dicht bepflanzten Fläche wachsen hier etwa 650 verschiedene alpine Pflanzenarten. Gegründet 1927, zählt er zu den ältesten und höchstgelegenen botanischen Gärten der Schweiz. Die Artenvielfalt ist beeindruckend – von winzigen Steinbrechgewächsen über leuchtende Enziansorten bis zu stolzen Alpenrosen.

Der Garten ist kein steriles botanisches Labor, sondern ein liebevoll gepflegtes Refugium für Alpenpflanzen aus dem gesamten Alpenraum. Schmale Pfade schlängeln sich zwischen den Beeten, Schilder erklären die Besonderheiten der Gewächse. Besonders spannend sind die Microhabitate: Auf kleinstem Raum wurden hier verschiedene alpine Lebensräume nachgebildet – von der Geröllhalde bis zur Karsthochfläche. Der Höhepunkt des Gartens liegt zweifellos im Juli, wenn die Hauptblütezeit die meisten Pflanzen in voller Pracht zeigt.

Wer mehr über die teils seltenen Pflanzen erfahren möchte, kann an einer der regelmäßig stattfindenden Führungen teilnehmen. Die Experten des Alpengartens erzählen dabei von den Überlebensstrategien der Hochgebirgspflanzen, von ihrer medizinischen Bedeutung und den Gefahren durch Klimawandel und Tourismus. Der Eintritt zum Alpengarten ist im Bahnticket enthalten – ein günstiger Zusatzbonus zur ohnehin lohnenswerten Bahnfahrt.

Mitten im Alpengarten steht zudem eine meteorologische Station. Sie ist Teil des Schweizer Messnetzes und liefert seit Jahrzehnten wichtige Daten zum Hochgebirgsklima. Die Messreihen zeigen deutlich die Auswirkungen des Klimawandels auf die alpine Umwelt – ein Thema, das auch in den Informationstafeln des Gartens aufgegriffen wird.

Wanderwege: Von gemütlich bis anspruchsvoll

Die Schynige Platte ist ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen verschiedener Schwierigkeitsgrade. Das Routennetz ist gut markiert und bietet Optionen für jeden Fitnessstand. Am beliebtesten ist der Panoramaweg, der in etwa einer Stunde rund um den Gipfelbereich führt. Der gut ausgebaute Weg eignet sich auch für Familien mit Kindern und weniger geübte Wanderer. Unterwegs warten mehrere Aussichtsplattformen und rustikale Bänke zum Verweilen.

Ambitionierte Wanderer können von der Schynigen Platte aus mehrere Tagestouren unternehmen. Die Königsroute führt über den Bergkamm zur Faulhorn-Hütte (2.681 m) und weiter zur First oberhalb von Grindelwald – eine anspruchsvolle, aber unvergleichlich schöne Gratwanderung von etwa sechs Stunden. Wer's kürzer mag, steigt vom Daube-Aussichtspunkt zum Oberberghorn auf. Der Gipfel belohnt mit einem noch umfassenderen Rundblick und ist in etwa 45 Minuten erreichbar.

Für Frühaufsteher lohnt sich der sogenannte "Sonnenaufgangsweg" zum Oberberghorn. Manche Bergwanderer nächtigen deshalb im Hotel Schynige Platte, um dieses Spektakel ohne Hektik erleben zu können. Die Morgenstimmung, wenn die ersten Sonnenstrahlen die Gipfel der Berner Alpen vergolden, gehört zu den eindrucksvollsten Naturschauspielen der Region.

Alle Wege sind zwar gut markiert, dennoch sollte grundlegende Bergausrüstung dabei sein: feste Schuhe, Wetterschutz, ausreichend Wasser und eine Karte – das Wetter kann hier oben schnell umschlagen. Im Herbst können die Morgenstunden bereits frostig sein, auch wenn im Tal noch angenehme Temperaturen herrschen. Die Wandersaison dauert typischerweise von Ende Mai bis Oktober, abhängig von den Schneeverhältnissen.

Kulinarik mit Aussicht: Einkehrmöglichkeiten auf der Schynigen Platte

Nach einer Wanderung oder zwischen zwei Fotostopps ruft der knurrende Magen – zum Glück muss niemand hungrig oder durstig von der Schynigen Platte abreisen. Direkt an der Bergstation liegt das historische Berghotel Schynige Platte, dessen Restaurantterrasse einen der besten Aussichtsplätze der gesamten Anlage bietet. Das 1899 eröffnete Haus verströmt den Charme der frühen Alpentourismus-Ära, ohne auf modernen Komfort zu verzichten.

Die Speisekarte des Restaurants konzentriert sich auf regionale Spezialitäten des Berner Oberlands. Käseschnitte, Rösti und hausgemachte Kuchen dominieren das Angebot – deftige, aber qualitativ hochwertige Berggastronomie. Bei schönem Wetter servieren die flinken Kellner auf der Panoramaterrasse, bei Kälte oder Regen bietet der holzgetäfelte Speisesaal eine gemütliche Alternative. Preislich bewegt sich das Restaurant im für die Schweiz üblichen, also gehobenen Segment.

Wer's rustikaler mag, findet auf den umliegenden Wanderwegen mehrere bewirtschaftete Alpkäsereien. Hier kann man zusehen, wie der traditionelle Alpkäse hergestellt wird, und natürlich auch probieren und kaufen. Ein besonderer Geheimtipp ist die Oberberghütte – etwas abseits der Hauptrouten gelegen, aber mit authentischer Bewirtung durch die Älplerfamilie. Die selbstgemachten Kräuterlimonaden und der würzige Bergkäse lohnen den kleinen Umweg allemal.

Für Selbstversorger bieten sich mehrere Picknickplätze mit Holzbänken und sogar kleinen Grillstellen an. Besonders beliebt ist der Platz beim "Panoramabänkli" östlich der Bergstation. Wasser zum Auffüllen der Trinkflaschen gibt es kostenlos an mehreren Brunnen – das Bergquellwasser ist von hervorragender Qualität und schmeckt deutlich besser als jedes Flaschenwasser.

Praktische Informationen und beste Besuchszeit

Die beste Zeit für einen Besuch auf der Schynigen Platte liegt zwischen Juni und September. In dieser Phase ist die Vegetation am üppigsten, die Wanderwege sind schneefrei, und die Wahrscheinlichkeit für klare Fernsicht ist am höchsten. Der absolute Höhepunkt für Naturfreunde ist Anfang Juli, wenn der Alpengarten in voller Blüte steht und gleichzeitig die Bergwiesen ein buntes Blütenmeer bilden.

Wer Menschenmassen meiden möchte, sollte einen Besuch unter der Woche oder in den frühen Morgenstunden planen. Die ersten Züge sind deutlich leerer als die späteren, und die Morgenstimmung auf dem Berg ist ohnehin ein besonderes Erlebnis. Die Hauptsaison von Mitte Juli bis Ende August bringt naturgemäß die meisten Besucher – in dieser Zeit empfiehlt sich eine Reservierung für die Bergbahn, besonders an schönen Wochenenden.

Die Anreise erfolgt am einfachsten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Wilderswil, der Ausgangspunkt der Zahnradbahn, ist gut an das Schweizer Bahnnetz angebunden und von Interlaken in wenigen Minuten erreichbar. Parkplätze stehen in Wilderswil zwar zur Verfügung, sind aber begrenzt und an Spitzentagen schnell besetzt. Von Interlaken verkehren regelmäßig Busse nach Wilderswil.

Tipp für Sparfüchse: Der Swiss Travel Pass deckt die Fahrt mit der Schynige Platte-Bahn zu 50% ab, Inhaber einer Jungfrau Travel Pass oder der Regional-Pass Berner Oberland können sogar kostenlos fahren. Für Individualreisende empfiehlt sich das "Top of Swiss Alps"-Ticket, das Zugang zu mehreren Bergbahnen der Region bietet und bei mehrtägigem Aufenthalt deutlich günstiger ist als Einzelfahrten.

Die gesamte Anlage ist bedingt barrierefrei. Der Bereich unmittelbar um die Bergstation ist für Rollstuhlfahrer zugänglich, die weiteren Wanderwege jedoch nicht. Die historischen Waggons der Zahnradbahn haben schmale Einstiege und höhere Stufen, was für Menschen mit eingeschränkter Mobilität eine Herausforderung darstellen kann. Das Personal ist allerdings äußerst hilfsbereit und unterstützt gerne beim Ein- und Aussteigen.

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