Zwei Ortschaften, nur zehn Kilometer Luftlinie voneinander entfernt, und doch liegen Welten zwischen ihnen. Davos, das mondäne Tagungszentrum mit urbanem Flair und internationaler Strahlkraft, thront auf 1.560 Metern als höchstgelegene Stadt Europas. Klosters hingegen kuschelt sich auf 1.200 Metern in ein Seitental, fernab vom großen Trubel, ein Dorf wie aus dem Bilderbuch. Die beiden Engadiner Orte sind wie ungleiche Geschwister – während der eine im Rampenlicht steht, hält der andere sich dezent zurück. Und genau diese Unterschiedlichkeit macht die Region so reizvoll.
Das Prättigau, wie die Region um Davos und Klosters im Landwassertal auch genannt wird, ist seit über 150 Jahren ein Sehnsuchtsort für Winterurlauber aus aller Welt. Fürwahr existiert hier eine eigentümliche Balance: Hochkarätige Events wie das World Economic Forum treffen auf tiefe Ruhe der umliegenden Alpentäler. Luxuriöse Fünf-Sterne-Hotels stehen neben jahrhundertealten Bauernhäusern. Die Region lebt von ihren Gegensätzen, die sich auf wundersame Weise ergänzen.
Davos – Wo die Alpen Großstadtluft schnuppern
Der Name Davos lässt aufhorchen. Jährlich im Januar blickt die ganze Welt hierher, wenn Staatsoberhäupter, Wirtschaftsbosse und Prominente zum World Economic Forum einfliegen. Dann verwandelt sich der Ort kurzzeitig in eine Festung. Die restliche Zeit des Jahres präsentiert sich Davos als eine eigenwillige Mischung aus Alpenidyll und urbaner Zweckarchitektur.
Die Hauptstraße, als "Promenade" bekannt, zieht sich schnurgerade durch den Ort. Ein schräger Kontrast: Hier reihen sich Designerläden neben Sportgeschäften, noble Uhrmacher neben rustikalen Käseläden. Die Architektur ist überraschend funktional, teilweise sogar nüchtern. Viele Gebäude stammen aus der Zeit, als Davos noch Luftkurort für Tuberkulosekranke war. Thomas Mann verewigte diese Epoche in seinem "Zauberberg". Noch heute zeugen die flachen Dächer und die zahlreichen Balkone und Terrassen von jener Zeit, als sich Patienten der heilenden Bergluft aussetzten.
Das Kongresszentrum, ein Betonriese mit geschwungenen Linien, ist das Herzstück des modernen Davos. Hier tagt nicht nur die Weltelite, sondern finden ganzjährig Kongresse, Konzerte und Kulturveranstaltungen statt. Wirtschaftlich betrachtet ist Davos ein Phänomen – pro Jahr werden etwa 800.000 Übernachtungen gezählt, beeindruckend für einen Ort mit nur 11.000 Einwohnern.
Abends herrscht auf der Promenade reges Treiben. Die Restaurants bieten alles von traditioneller Bündner Küche bis hin zu internationalen Gerichten. Das "Gentiana" serviert etwa den besten Bündner Nusstorte der Region – buttrig-süß und mit einem Hauch Honig verfeinert. Im "Extrablatt" treffen sich Einheimische und Stammgäste zum Feierabendbier, während die "Piano Bar" im Hotel Europe die jazzigeren Töne anschlägt.
Klosters – Das diskrete Bergdorf mit königlicher Kundschaft
Fahrt man die kurvenreiche Straße von Davos nach Klosters hinunter, ändert sich die Atmosphäre schlagartig. Das Tempo wird langsamer, die Luft scheint weicher zu sein. Im Gegensatz zum geradlinigen Davos schmiegt sich Klosters-Serneus an den Hang und folgt dem natürlichen Verlauf des Tals. Hier bestimmen dunkle Holzchalets mit blumengeschmückten Balkonen und beschnitzten Giebeln das Ortsbild. Der Dorfkern ist klein und überschaubar, fast familiär.
Klosters hat sich seinen ursprünglichen Charakter bewahrt – nicht zuletzt, weil die Einheimischen dies so wollten. Während andere Alpenorte dem Massentourismus frönten, setzte man hier bewusst auf Understatement. Trotzdem – oder gerade deswegen – zieht der Ort seit Jahrzehnten eine illustre Klientel an. Insbesondere die britische Königsfamilie hat eine besondere Beziehung zu Klosters entwickelt. Prinz Charles, heute König Charles III., verbringt seit über 40 Jahren regelmäßig seine Winterferien hier. Eine Gondel der Gotschnabahn trägt sogar seinen Namen.
Die Hotellerie in Klosters ist exklusiv, aber nie protzig. Das "Chesa Grischuna" etwa, ein klassisches Schweizer Chalet-Hotel, gilt als Inbegriff des diskreten Luxus. Hier logieren Gäste, die nicht gesehen werden wollen – und genau deswegen kommen. Die Wände des Restaurants sind mit Fotos und Widmungen prominenter Gäste gespickt, von Hollywood-Stars der 50er Jahre bis zu aktuellen Größen des Showbusiness.
Abends kehrt in Klosters schnell Ruhe ein. Einige wenige Bars wie die "Casa Antica" bieten gemütliche Winkel für einen Aperitif. Wer mehr Action sucht, muss tatsächlich nach Davos ausweichen. Aber genau diese Beschaulichkeit ist der große Trumpf von Klosters. Hier läuft man nicht Gefahr, beim Abendessen am Nebentisch eine Berühmtheit zu entdecken – denn die suchen in Klosters genau dieses Unerkanntsein.
Das gemeinsame Skiareal – Ein Paradies für Pistenflitzer und Tiefschneefahrer
Was die beiden ungleichen Nachbarn eint, ist ihr beeindruckendes gemeinsames Skigebiet. "Davos Klosters Mountains" nennt sich der Zusammenschluss von sechs verschiedenen Skiarealen, die zusammen über 300 Pistenkilometer und 57 Lifte umfassen. Parsenn, Jakobshorn, Pischa, Madrisa, Rinerhorn und Schatzalp/Strela bieten Abfahrten für jeden Geschmack.
Das Herzstück ist die Parsennregion, die beide Orte verbindet. Die berühmte "Parsenn-Abfahrt" von der Weissfluhgipfel-Bergstation bis nach Küblis ist mit über 12 Kilometern eine der längsten durchgehenden Abfahrten der Alpen. Der Höhenunterschied von rund 2.000 Metern lässt selbst trainierte Oberschenkel zittern. Ein absolutes Muss für jeden Skifahrer, der die Region besucht.
Das Jakobshorn wiederum gilt als der Hausberg von Davos – hier trifft sich die jüngere Szene. Die "Jatz-Hütte" am Gipfel verwandelt sich nachmittags in eine Party-Location, wo zu elektronischen Beats getanzt wird. Freerider finden rund um das Jakobshorn zahlreiche Tiefschneehänge und natürliche Sprünge.
In Klosters beginnt das Skivergnügen direkt im Dorf mit der Gotschnabahn. Diese führt hinauf zum Gotschnagrat, von wo aus man entweder weiter ins Parsenngebiet oder hinunter nach Klosters fahren kann. Die Madrisa, der Hausberg von Klosters, ist besonders bei Familien beliebt. Hier gibt es sanfte Hänge für Anfänger und einen großzügigen Kinderbereich mit Zauberteppich und Karussell.
Abseits der Pisten ist das Gebiet ein Mekka für Tourenskigeher und Schneeschuhwanderer. Das Tal der Dischma, östlich von Davos, bietet unberührte Naturlandschaften und sichere Tourenrouten für Einsteiger. Im Sertigtal wiederum führen mehrere markierte Schneeschuhtrails durch verschneite Wälder und vorbei an eingeschneiten Berghütten – Winterzauber pur.
Die warme Jahreszeit – Wenn die Alpen ergrünen
Sobald der letzte Schnee geschmolzen ist, verwandeln sich Davos und Klosters in ein Sommerparadies. Die Region bietet über 700 Kilometer markierte Wanderwege, von gemütlichen Spaziergängen bis hin zu anspruchsvollen Bergtouren. Die Bergbahnen laufen auch im Sommer und erschließen die Höhen für weniger trainierte Wanderer.
Das Juwel unter den Wanderungen ist sicherlich der Weg von der Schatzalp hinauf zum Strela-Pass. Oben angekommen, eröffnet sich ein atemberaubender Blick auf das Landwassertal und die umliegenden Gipfel. Die Tour ist moderat schwierig und dauert etwa zwei Stunden. Eine Einkehr im historischen Schatzalp-Hotel, das ebenfalls als Inspiration für Thomas Manns "Zauberberg" diente, rundet das Erlebnis ab.
Die Konturen von Davos und Klosters treten im Sommer noch deutlicher hervor: Während Davos mit seinen vielen Sportanlagen (sechs Tennisplätze, ein Golfplatz, ein Segelzentrum am Davosersee) punktet, brilliert Klosters mit seiner Naturverbundenheit. Kein Wunder also, dass sich die Gästestruktur unterscheidet. Nach Davos kommen viele Aktivurlauber und Sportgruppen, nach Klosters eher Naturliebhaber und Familien.
Besonders beliebt ist mittlerweile das Mountainbiken. Das Trailnetz um Davos und Klosters umfasst über 800 Kilometer markierte Strecken. Die "Alps Epic Trail" von Jakobshorn nach Filisur gilt als eine der anspruchsvollsten und landschaftlich reizvollsten Mountainbike-Strecken der Schweiz. Für weniger Waghalsige gibt es zahlreiche leichtere Touren, etwa die Route um den Davosersee oder durch das malerische Sertigtal.
Der gestaute Davosersee bietet an heißen Sommertagen eine willkommene Abkühlung. Das Wasser erreicht im Hochsommer bis zu 20 Grad – für einen Bergsee durchaus beachtlich. Am Südufer befinden sich ein Strandbad mit Liegewiese und ein Bootsverleih. Vom See aus bietet sich außerdem ein eindrucksvoller Blick auf die Bergkette des Jakobshorns.
Kultur und Traditionen – Zwischen Folklore und Festival
Auch kulturell spiegeln sich die unterschiedlichen Charaktere der beiden Orte wider. Davos hat sich als Kulturstadt etabliert, mit regelmäßigen Konzerten des Davos Festival Young Artists in Concert und den Davoser Literaturtagen. Das Kirchner Museum beherbergt die weltweit größte Sammlung des Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner, der in Davos lebte und arbeitete. Die klare, moderne Architektur des Museums kontrastiert spannend mit den expressionistischen Werken im Inneren.
In Klosters dagegen sind es eher traditionelle Veranstaltungen, die das kulturelle Leben prägen. Das jährliche Klosterser Volksmusiksymposium bringt Volksmusikanten aus dem gesamten Alpenraum zusammen. Das historische Kulturhaus "Nutli Hüschi" beherbergt ein kleines, aber feines Museum zur Bündner Alltagskultur. Hier werden immer wieder Lesungen und kleine Konzerte veranstaltet, bei denen man den lokalen Dialekt, das "Prättigauer Romanisch", hören kann.
Eine Tradition verbindet beide Orte: der "Älplerschmaus". Ende Sommer, wenn die Kühe von den Alpen zurück ins Tal getrieben werden, feiern die Einheimischen mit einem großen Fest. Dabei werden traditionelle Gerichte wie "Capuns" (in Mangoldblätter gewickelte Spätzle) oder "Maluns" (zerriebene und geröstete Kartoffeln) serviert. In Klosters findet dieses Fest noch sehr ursprünglich statt, mit Alphornbläsern und in Tracht gekleideten Einheimischen. In Davos hat die Veranstaltung einen etwas moderneren Anstrich bekommen, zieht aber genauso viele Besucher an.
Gastronomie – Von der Berghütte bis zum Sternerestaurant
Die kulinarische Landschaft von Davos und Klosters ist ein Spiegelbild ihrer Verschiedenartigkeit. In Davos findet sich eine internationale Küche, die von Schweizer Klassikern über italienische Pasta bis hin zu asiatischen Spezialitäten reicht. Das Restaurant "Glow by Armin Amrein" im Hotel Intercontinental gehört zu den Topadressen und wurde mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.
Typische Berghütten wie die "Jatzhütte" am Jakobshorn oder die "Parsennhütte" bieten deftige Hüttenkost – vom klassischen Käsefondue bis zum herzhaften Rösti mit Spiegelei. Besonders bemerkenswert ist die "Walserhuus"-Hütte oberhalb von Davos, wo noch nach alten Rezepten der Walser-Bevölkerung gekocht wird. Die "Bündner Gerstensuppe" mit geräuchertem Speck ist hier ein absolutes Muss.
In Klosters gestaltet sich das kulinarische Angebot überschaubarer, aber nicht weniger hochwertig. Das Restaurant "Walserhof" hat sich mit seiner raffinierten Alpenküche einen Namen gemacht. Hier werden traditionelle Zutaten neu interpretiert – etwa als "Variationen vom Bündnerfleisch mit Belper Knolle und Baumnuss-Pesto". Ein süßer Klassiker ist die "Nusstorte", ein mürber Mürbeteig gefüllt mit einer karamellisierten Walnussmasse. Die Konditorei "Kummer" in Klosters-Platz backt sie nach einem über 100 Jahre alten Rezept.
Eine kuriose Besonderheit findet sich am Ortsrand von Klosters: das "Alpenrösli", ein uriges Walserhaus mit schiefen Böden und niedrigen Decken. Hier werden ausschließlich Gerichte serviert, deren Rezepte mindestens 100 Jahre alt sind. Die "Härdöpfelchäschüechli" (Kartoffel-Käse-Kuchen) schmecken, als hätte Großmutter persönlich am Herd gestanden.
Praktische Tipps – Anreise und Unterkunft
Die Anreise nach Davos und Klosters gestaltet sich denkbar einfach. Mit der Rhätischen Bahn erreicht man beide Orte bequem von Landquart aus. Die Bahnfahrt durch das Prättigau ist bereits ein Erlebnis für sich – tief eingeschnittene Schluchten wechseln sich mit weiten Tälern ab. Wer mit dem Auto anreist, nimmt ab Landquart die gut ausgebaute Hauptstraße durch das Prättigau.
Bei der Wahl der Unterkunft sollte man sich über den eigenen Urlaubsstil im Klaren sein. Wer gerne ausgeht, Restaurants und Bars in Laufweite haben möchte, ist in Davos besser aufgehoben. Das "Hard Rock Hotel" in der Nähe der Parsennbahn bietet zeitgemäßen Komfort mit rockigem Flair. Etwas ruhiger, aber immer noch zentral liegt das "Steigenberger Grandhotel Belvédère" mit seinem exzellenten Spa-Bereich.
In Klosters ist die Auswahl an Unterkünften kleiner, aber handverlesen. Das bereits erwähnte "Chesa Grischuna" ist eine Institution, aber auch das "Hotel Vereina" mit seinem großzügigen Wellnessbereich bietet allen Komfort. Wer es familienfreundlicher mag, ist im "Sunstar Alpine Hotel" gut aufgehoben. Dieses liegt direkt an der Talstation der Gotschnabahn.
Eine günstigere Alternative in beiden Orten sind die zahlreichen Ferienwohnungen. Besonders in Klosters werden viele ehemalige Bauernhäuser als Ferienapartments vermietet. Sie bieten authentisches Ambiente zu einem vernünftigen Preis. Das "Apartmenthaus Trepp" in Klosters-Dorf etwa verfügt über gemütliche Wohnungen mit Holzverkleidung und offenen Kaminen.
Tipp: Wer in Davos oder Klosters übernachtet, erhält die "Davos Klosters Card". Diese ermöglicht die kostenlose Nutzung der Ortsbusse und gewährt Ermäßigungen bei verschiedenen Freizeiteinrichtungen. Im Sommer sind sogar die Bergbahnen in der Gästekarte inkludiert – ein erheblicher Kostenvorteil.