Das Montafon streckt sich wie ein langgezogener grüner Teppich zwischen den schroffen Felswänden des Rätikon und den vergletscherten Gipfeln der Silvretta aus. Dieses 39 Kilometer lange Tal im südlichsten Zipfel Vorarlbergs ist ein Mikrokosmos alpenländischer Kultur, der sich zwischen den Orten Bludenz und dem Silvretta-Stausee erstreckt. Elf Gemeinden mit eigenem Charakter schmiegen sich zwischen sattgrüne Hänge und bilden eine alpine Perlenkette. Hier wird noch Montafoner Dialekt gesprochen – eine Mundart mit romanischen Wurzeln, die so einzigartig klingt wie die Landschaft selbst.
In den Tiefen des Tals schlängelt sich die Ill, ein Fluss, der vom Silvretta-Massiv herabstürzt und später, nach seiner Wanderung durchs Rheintal, in den Bodensee mündet. Der Name "Montafon" hat übrigens seine Ursprünge im Rätoromanischen – "munt" steht für Berg, "tafon" für tief, also tiefer Berg oder tiefes Tal. Passender könnte die Bezeichnung nicht sein, denkt man an die fast 3.000 Meter hohen Felsriesen, die das Tal einrahmen.
Nicht selten hüllt morgens ein feiner Dunstschleier die Talsohle ein, während die Sonnenstrahlen bereits die Gipfel in goldenes Licht tauchen. Im Winter dagegen verwandelt sich das Tal in einen Tummelplatz für Schneesportler, wenn die Hänge unter einer dicken weißen Decke verschwinden und die klare Bergluft vom Knirschen der Skier auf dem frischen Schnee erfüllt ist.
Geschichte auf Schritt und Tritt
Das Montafon blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Erste Siedlungsspuren lassen sich bis in die Bronzezeit zurückverfolgen – bereits vor 3.500 Jahren stiegen Menschen in diese Höhen, um Kupfer zu schürfen. Im Mittelalter folgten rätoromanische Siedler, deren kultureller Einschlag bis heute spürbar ist. Markant sind die walserischen Einflüsse, nachdem im 14. Jahrhundert Walser aus dem Schweizer Wallis über die Berge ins Tal zogen und mit ihren spezifischen Holzbautechniken und bäuerlichen Traditionen die Region prägten.
Ein Wendepunkt in der Geschichte des Tals war der Alpentourismus, der Ende des 19. Jahrhunderts einsetzte. Die britischen Alpinpioniere entdeckten das Montafon für sich – ihre waghalsigen Erstbesteigungen sind heute Legende. Die Piz-Buin-Erstbesteigung 1865 durch Joseph Anton Specht läutete die alpine Erschließung ein. Sichtlich stolz sind die Montafoner auf ihren einstigen Gast Ernest Hemingway, der in den 1920er Jahren in Schruns weilte und seine Bergeindrücke in "Paris – Ein Fest fürs Leben" verewigte.
Historisch bedeutsam sind auch die landwirtschaftlichen Genossenschaften im Tal. Die "Montafoner Standesvertretung", seit 1901 urkundlich erwähnt, repräsentiert eine der ältesten demokratischen Selbstverwaltungsstrukturen im Alpenraum. Ein Hauch dieser Vergangenheit weht noch durch die alten Ortskerne mit ihren charakteristischen Holzhäusern und den kunstvoll bemalten Fassaden, die besonders in St. Anton im Montafon und Bartholomäberg anzutreffen sind.
Die Gemeinden – Jede mit eigenem Charakter
Wer durchs Montafon reist, trifft auf elf Gemeinden, die sich wie eine Perlenschnur durchs Tal ziehen. Schruns, der inoffizielle Hauptort, bildet das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum. Hier befinden sich das Heimatmuseum und das Montafon Archiv – beide einen Besuch wert, will man in die Seele des Tals eintauchen. Die Fußgängerzone mit ihren kleinen Läden und Cafés lädt zum Flanieren ein, besonders am Markttag, wenn regionale Produkte angeboten werden. Der Geruch von frischem Bergkäse und würzigem Brot vermischt sich dann mit dem Stimmengewirr der Einheimischen.
Wenige Kilometer talaufwärts liegt St. Gallenkirch, der perfekte Ausgangspunkt für Wanderungen auf die Alpe Nova oder ins wildromantische Gargellental. Dem Ort haftet etwas Verschlafenes an, doch genau das macht seinen Reiz aus. Gaschurn, die letzte größere Ortschaft im Tal, präsentiert sich dagegen weltoffener. Die Bergstation der Silvretta-Montafon-Bahn ist hier zu finden und sorgt für internationales Publikum.
Oben auf den Höhen thronen Bartholomäberg und Silbertal – beide mit atemberaubendem Panoramablick über das Tal. Besonders Bartholomäberg besticht durch seine Lage auf einer sonnenverwöhnten Terrasse. Die kleine Barockkirche des Ortes ist ein architektonisches Kleinod, das man nicht verpassen sollte. Silbertal wiederum erinnert mit seinem Namen an den früheren Bergbau. Der kleine Bergbau-Lehrpfad gibt Einblicke in die harte Arbeit der Knappen, die hier einst nach Erzen gruben.
Am Taleingang erwartet Besucher Vandans, ein Ort zwischen Tradition und modernem Tourismus. Die Golmerbahn erschließt von hier aus das beliebte Skigebiet Golm. Nur ein Katzensprung entfernt liegt St. Anton im Montafon, das mit seinen kunstvoll verzierten Holzhäusern punktet. Die Lüftlmalereien an manchen Fassaden erzählen Geschichten aus vergangenen Zeiten und lassen den Ort wie eine Freiluftgalerie wirken.
Naturerlebnisse zwischen Himmel und Erde
Die Natur hat im Montafon ein wahres Füllhorn ausgeschüttet. Das Dreigestirn aus Rätikon, Verwall und Silvretta schafft unterschiedlichste Landschaftsformen. Der Rätikon, geologisch Teil der nördlichen Kalkalpen, präsentiert sich als markante Felskette mit dem Drei-Türme-Eck als unübersehbarem Wahrzeichen. An klaren Tagen scheinen die Kalkfelsen zum Greifen nah. Im Gegensatz dazu steht die Silvretta mit ihren vergletscherten Gipfeln und den dunklen Urgesteinsformationen.
Ein landschaftliches Highlight ist die Silvretta-Hochalpenstraße, die sich in 34 Kehren auf über 2.000 Meter Höhe schlängelt. Ab der Bielerhöhe eröffnet sich der Blick auf den türkisfarbenen Silvretta-Stausee – ein Anblick, der sich ins Gedächtnis brennt. Bei Windstille spiegeln sich die umliegenden Dreitausender im glasklar scheinenden Wasser. Hier oben, wo die Luft dünn und das Licht intensiver ist, lässt sich die alpine Hochgebirgswelt in ihrer ganzen Intensität erleben.
Botaniker kommen im Montafon auf ihre Kosten. Die Höhenstufen bieten unterschiedlichste Vegetationszonen – von den Laubwäldern in Talnähe über die Fichtengürtel bis hinauf zu den kargen Hochgebirgsrasen mit ihrer Vielfalt an Alpenpflanzen. Besonders im Frühsommer verwandeln sich die Almwiesen in ein Blütenmeer. Enzian, Alpenrosen und Edelweiß sind dann zu finden, wenn man die Augen offen hält und abseits der Hauptwege unterwegs ist. Mit etwas Glück kann man Gämsen oder Steinböcke beobachten, die an den steilen Hängen nach Nahrung suchen.
Der Lünersee im Rätikon ist ein weiteres Naturjuwel – ein smaragdgrüner Bergsee, eingebettet in eine felsige Arena. Dass es sich ursprünglich um einen natürlichen Karstsee handelt, der später zum Stausee ausgebaut wurde, tut seiner Schönheit keinen Abbruch. Die Umrundung des Sees gehört zu den schönsten Wanderungen der Region und ist auch für Familien mit Kindern machbar.
Aktiv in allen Höhenlagen
Das Montafon ist ein Paradies für Aktivurlauber – ganz gleich, zu welcher Jahreszeit. Im Winter verwandeln sich die Hänge in ein Schneesporteldorado mit über 200 Pistenkilometern. Die Skigebiete Silvretta Montafon, Golm und Gargellen bieten Abfahrten für jeden Anspruch. Besonders das Silvretta Montafon mit dem Nova-Steilhang hat es Könnern angetan – hier rauscht man mit weichen Knien eine der steilsten Pisten Österreichs hinab.
Neben dem klassischen Pistenskilauf hat sich das Montafon als Hotspot für Freerider etabliert. Abseits der präparierten Pisten finden Tiefschnee-Enthusiasten ihr Glück. Die Hänge der Nova und des Hochjochs gelten als Geheimtipps unter Kennern. Da das Gelände aber nicht zu unterschätzen ist, empfiehlt sich die Begleitung durch einen ortskundigen Bergführer. Nicht ohne Grund findet hier regelmäßig der Freeride-Weltcup statt – das Gelände ist anspruchsvoll und bietet ideale Bedingungen für diese Extremsportart.
Der Sommer steht dem Winter in Sachen Aktivitäten in nichts nach. Das ausgedehnte Wanderwegenetz umfasst über 1.100 Kilometer markierte Routen – von gemütlichen Talwanderungen bis zu anspruchsvollen Hochtouren ist alles dabei. Der Montafoner Höhenweg gilt als Königsdisziplin. In mehreren Tagesetappen führt er in luftiger Höhe einmal rund ums Tal und erschließt dabei die verschiedenen Berggruppen. Übernachtet wird in den urigen Berghütten, wo abends müde Wanderer bei deftigem Essen und einem Glas lokalen Bieres zusammenkommen und Geschichten austauschen.
Mountainbiker haben im Montafon ein wahres Eldorado gefunden. Die Region hat sich in den letzten Jahren als Bike-Destination neu positioniert. Der Bikepark Brandnertal-Brandnertal-Montafon bietet Trails für jeden Geschmack – von familienfreundlichen Flowtrails bis zu knackigen Downhill-Passagen. Besonders beliebt ist die Hochjoch-Totale, eine anspruchsvolle Abfahrt über fast 1.200 Höhenmeter.
Kletterer zieht es in die Felswände des Rätikon. Die Drusenfluh und der Drei-Türme-Komplex bieten Routen in allen Schwierigkeitsgraden. Die berühmte "Schweizer Führe" an der Drusenfluh-Südwand gilt als Klassiker und verlangt solides Können im sechsten Schwierigkeitsgrad. Für Einsteiger und Familien sind die Klettergärten rund um Schruns und Tschagguns geeignet, wo man unter fachkundiger Anleitung die ersten vertikalen Schritte wagen kann.
Kulinarisches Montafon – Mehr als nur Kässpätzle
Die Montafoner Küche ist bodenständig, deftig und unverfälscht – eine Küche, die aus der kargen Berglandschaft geboren wurde und mit wenigen, aber qualitativ hochwertigen Zutaten auskommt. Die Star-Rolle spielen ohne Zweifel die Milchprodukte. Der Montafoner Sauerkäse, ein Magerkäse mit unverwechselbarem Aroma, ist eine lokale Spezialität, die es in sich hat. Sein würziger, leicht säuerlicher Geschmack ist gewöhnungsbedürftig, gehört aber unbedingt auf die kulinarische Entdeckungsreise.
Sura Kees, wie der Sauerkäse im Dialekt heißt, findet sich in verschiedenen Gerichten wieder. Am bekanntesten sind wohl die "Sura Kees-Knödel", die in den Gasthäusern des Tals angeboten werden. Auch auf den Alpkäserei-Betrieben, die im Sommer auf den Hochalmen produzieren, kann man den traditionell hergestellten Käse direkt erwerben. Der Geschmack variiert je nach Alpe und Reifegrad – eine spannende Entdeckungsreise für den Gaumen.
Ein typisches Gericht, das man probiert haben sollte, sind die "Montafoner Riebel". Diese Spezialität aus Mais- und Weizengrieß wird traditionell als Frühstück oder Hauptgericht serviert. Die Zubereitung ist einfach, aber wirkungsvoll: Der Grieß wird in Milch gekocht und dann in Butter goldbraun geröstet. Serviert wird das Ganze mit Apfelmus und Zucker oder herzhaft mit Käse. Im Gasthaus Löwen in Schruns werden die Riebel noch nach Großmutters Rezept zubereitet – ein Geschmackserlebnis, das tief in die kulinarische Tradition des Tals eintauchen lässt.
Die Alpenküche des Montafons spiegelt den Jahreskreislauf wider. Im Herbst, wenn die Tiere von den Alpen zurück ins Tal kommen, ist Schlachtzeit. Dann finden sich deftige Fleischgerichte wie das "Montafoner Sura Grumpera" (saure Kartoffeln mit geräuchertem Schweinefleisch) auf den Speisekarten. In der Wintersaison wärmen Suppen und Eintöpfe, wobei die "Käsknöpfle" – die Vorarlberger Variante der Käsespätzle – nicht fehlen dürfen.
Wer etwas Besonderes sucht, sollte eine der Alp-Hütten besuchen. Die Alpe Nova oberhalb von St. Gallenkirch etwa bietet nicht nur atemberaubende Ausblicke, sondern auch hausgemachte Alpprodukte. Eine Brettljause mit frischem Bergkäse, würzigem Speck und selbstgebackenem Brot, dazu ein Glas Most – mehr braucht es nicht für das perfekte alpine Geschmackserlebnis. Der Duft von frischer Alpmilch und Holzfeuer, vermischt mit der würzigen Bergluft, schafft eine Atmosphäre, die alle Sinne anspricht.
Brauchtum und Lebensart
Das Montafon tickt anders – hier hat sich ein Stück alpine Lebenswelt bewahrt, die anderswo längst verschwunden ist. Der Jahresrhythmus wird noch immer von traditionellen Festen geprägt. Der Alpabtrieb im September ist ein Spektakel, das Einheimische wie Touristen in seinen Bann zieht. Wenn die geschmückten Kühe von den Hochalmen zurück ins Tal kommen, wird das gebührend gefeiert. In Schruns-Tschagguns verwandelt sich der Ortskern dann in eine Festmeile mit Musik, Tanz und regionalen Spezialitäten.
Die Fasnacht hat im Montafon einen besonderen Stellenwert. Die "Montafoner Maschgera" sind weithin bekannt – aufwendig geschnitzte Holzmasken und traditionelle Kostüme, die oft über Generationen weitergegeben werden. In den Fasnachtstagen ziehen maskierte Gruppen durch die Dörfer, begleitet von Musik und allerlei Unfug. Der "Gättar" ist eine besondere Maskengestalt – mit Ziegenfell und Hörnern ausgestattet, verkörpert er uralte Fruchtbarkeitssymbole.
Die Volksmusik ist im Tal lebendig geblieben. In den verschiedenen Gemeinden gibt es aktive Musikkapellen, die bei kirchlichen und weltlichen Anlässen aufspielen. Die "Montafoner Tanzmusig" pflegt traditionelle Weisen, die bei Volkstanzabenden zum Besten gegeben werden. Wer Glück hat, erlebt einen solchen Abend im Gasthaus und kann dabei zusehen, wie die verschiedenen Generationen gemeinsam die alten Tänze pflegen.
Das traditionelle Handwerk hat im Montafon ebenfalls überlebt. In Schruns kann man dem letzten Kupferschmied des Tals über die Schulter schauen. Seine filigrane Arbeit an Pfannen, Kesseln und dekorativen Objekten zeugt von Können, das über Jahrzehnte perfektioniert wurde. In Bartholomäberg wiederum hat sich eine kleine Weberei erhalten, in der nach alten Mustern gearbeitet wird. Die charakteristischen rot-weiß karierten "Montafoner Decken" sind begehrte Souvenirs mit praktischem Wert.
Die Montafoner selbst sind ein eigener Menschenschlag – geprägt von der rauen Bergwelt und der Abgeschiedenheit des Tals. Man begegnet einer gewissen Zurückhaltung, die aber schnell aufbricht, wenn man sich für ihre Heimat interessiert. Dann erzählen sie bereitwillig von alten Zeiten, von harten Wintern und den Veränderungen, die der Tourismus gebracht hat. Die Montafoner Mundart, gespickt mit romanischen Begriffen, klingt für Außenstehende oft unverständlich, doch gerade die älteren Bewohner wechseln bereitwillig ins Hochdeutsche, wenn man nicht vom Fach ist.
Praktische Informationen für Montafon-Besucher
Die beste Reisezeit für das Montafon hängt stark von den geplanten Aktivitäten ab. Für Wanderer und Mountainbiker empfiehlt sich die Zeit von Juni bis September, wenn die Bergwelt in voller Blüte steht und die meisten Hütten geöffnet haben. Der Juli kann allerdings gewitterreich sein – plötzliche Wetterumschwünge sind in den Bergen keine Seltenheit. Die Hochsaison für Wintersportler liegt zwischen Weihnachten und Ostern, wobei der Januar oft die stabilsten Schneeverhältnisse bietet.
Die Anreise ins Montafon gestaltet sich unkompliziert. Mit dem Auto erreicht man das Tal über die A14 bis Bludenz und dann weiter auf der L188 ins Montafon. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln reist man am besten mit der Bahn bis Schruns, von wo aus ein gut ausgebautes Busnetz alle Orte im Tal verbindet. Besonders praktisch ist die Montafon Silvretta Card, die in vielen Unterkünften inklusive ist und freie Fahrt mit Bussen und Bergbahnen sowie Ermäßigungen bei zahlreichen Attraktionen bietet.
Unterkünfte gibt es im Montafon in allen Preisklassen – von einfachen Pensionen und Ferienwohnungen bis hin zu Vier-Sterne-Hotels. Besonders authentisch übernachtet man in einem der traditionellen Montafoner Bauernhäuser, die zu Ferienwohnungen umgebaut wurden. Das "Muntafuner Stöbli" in Gaschurn etwa besticht durch seine historische Bausubstanz und den unvergleichlichen Charme vergangener Zeiten, ohne auf modernen Komfort zu verzichten.
Im Winter sollte man Unterkünfte früh buchen, besonders in der Hochsaison zwischen Weihnachten und Neujahr sowie in den Faschingsferien. Die Skigebiete können dann gut gefüllt sein, was sich in Wartezeiten an den Liften bemerkbar macht. Wer es ruhiger mag, weicht auf die Wochen im Januar oder März aus, wenn die Pisten leerer und die Preise niedriger sind.