Wo das steirische Ennstal seine breiteste Stelle erreicht und die schroffen Felswände des Nationalparks Gesäuse wie eine natürliche Kulisse aufragen, erhebt sich ein Monument der Gelehrsamkeit: das Benediktinerstift Admont. Gegründet 1074 durch Erzbischof Gebhard von Salzburg, gehört es heute zu den bedeutendsten kulturellen Zentren Österreichs. Das Stift präsentiert sich als beeindruckende Anlage mit mehreren Innenhöfen, barocken Türmen und einer imposanten Stiftskirche – doch sein wertvollster Schatz liegt im Inneren versteckt.
Die lichtdurchfluteten Hallen des Klosters beherbergen nämlich ein Wunder des Barock: die größte Klosterbibliothek der Welt. Ein Superlativ, der bei Besuchern anfangs oft auf Skepsis stößt. Größer als die berühmten Bibliotheken im Vatikan oder in St. Gallen? Tatsächlich. Mit ihren 70 Metern Länge, 14 Metern Breite und 13 Metern Höhe übertrifft sie alle anderen monastischen Büchersammlungen – zumindest, was die räumlichen Dimensionen betrifft.
In der steirischen Provinz, fernab großer Metropolen, hat sich ein kulturelles Erbe von Weltrang erhalten. Das Kloster trägt den Beinamen "Österreichs Escorial", in Anlehnung an das monumentale spanische Kloster bei Madrid – ein Vergleich, der keineswegs übertrieben ist. Obwohl das Stift mehrere schwere Brände überstehen musste, darunter eine besonders verheerende Feuersbrunst im Jahr 1865, sind seine wertvollsten Schätze nahezu unversehrt geblieben.
Die atemberaubende Klosterbibliothek – Ein Saal zwischen Himmel und Erde
Den ersten Schritt in die Admonter Bibliothek vergisst niemand. Plötzlich scheint man zu schweben, zwischen goldverzierten Bücherregalen, schwebenden Engelsfiguren und freskierten Kuppeln. Der Wiener Architekt Josef Hueber schuf hier zwischen 1764 und 1776 einen Sakralraum für das Wissen – einen Ort, an dem Glaube und Wissenschaft keine Gegensätze bilden, sondern eine harmonische Synthese eingehen.
Sieben Kuppeln überwölben den gigantischen Saal, dessen Deckengemälde vom Grazer Künstler Bartolomeo Altomonte stammen. Dargestellt ist die menschliche Erkenntnis, von der Schöpfung über die Wissenschaften bis zur göttlichen Offenbarung – ein barockes Bildprogramm von faszinierender Tiefe. Bemerkenswert dabei, dass die Malereien im Alter von 80 Jahren ausgeführt wurden – Altomonte musste bei der Arbeit auf dem Rücken liegend auf einem Gerüst malen, kein Kinderspiel in diesem fortgeschrittenen Alter.
Die Regale aus Nussbaumholz fügen sich nahtlos in das architektonische Gesamtkonzept ein. Sie beherbergen rund 70.000 Werke, darunter kostbare Inkunabeln (Frühdrucke aus der Zeit vor 1500), mittelalterliche Handschriften und Raritäten, die man in dieser abgeschiedenen Region kaum vermuten würde. Nur ein Bruchteil der insgesamt 200.000 Bände des Stifts ist hier ausgestellt – der Rest verteilt sich auf spezialisierte Sammlungen und klimatisch besser geeignete Magazinräume.
Dass die Fenster beidseitig angeordnet sind, ist kein Zufall: Das von beiden Seiten einfallende Licht schafft eine geradezu mystische Atmosphäre, die je nach Tageszeit und Wetterlage variiert. Früh morgens, wenn die ersten Sonnenstrahlen durch die östlichen Fenster fallen und die Goldverzierungen zum Leuchten bringen, wirkt der Raum wie ein überirdisches Gefäß für das gesammelte Wissen der Menschheit.
Wissenskultur und Sammlungstradition der Benediktiner
Die berühmte Ordensregel des heiligen Benedikt legt großen Wert auf Bildung und intellektuelle Arbeit. "Ora et labora" – bete und arbeite – bezog sich bei den Benediktinern stets auch auf geistige Tätigkeit. Stundenlange Lektüre gehörte zum Tagesablauf der Mönche, genauso wie das Abschreiben und später das Sammeln von Büchern. Diese Tradition setzten die Admonter Mönche mit besonderem Eifer fort.
Bereits im Mittelalter verfügte das Stift über ein Skriptorium – eine Schreibwerkstatt, in der kostbare Handschriften kopiert und illuminiert wurden. Manche dieser Kostbarkeiten sind noch heute in der Bibliothek zu sehen. Dazu kommen Sammlungen naturwissenschaftlicher Werke, die vom Forscherdrang der Klostergemeinschaft zeugen. Spannend ist dabei, dass viele der Bücher tatsächlich intensive Gebrauchsspuren aufweisen – sie waren keine reinen Schaustücke, sondern wurden aktiv für Studien genutzt.
Die "Enzyklopädie" von Diderot und d'Alembert – das Herzstück der französischen Aufklärung – steht hier Seite an Seite mit theologischen Werken. Ein Zeichen für den offenen Geist des Klosters, gerade in einer Zeit, als die katholische Kirche der Aufklärungsbewegung skeptisch gegenüberstand. Die Mönche von Admont verfolgten dagegen den Grundsatz: Wissen zu sammeln bedeutet, allen Stimmen Gehör zu schenken, auch den kritischen.
Nach dem verheerenden Brand von 1865, der große Teile des Stifts zerstörte, blieb die Bibliothek wie durch ein Wunder unversehrt – dank massiver Gewölbe und schnellen Eingreifens der Mönche und Dorfbewohner. Ein Schutzengel muss über diesem Tempel des Wissens gewacht haben, meinen die Einheimischen noch heute.
Kunst und Kultur jenseits der Bücher
Wer glaubt, das Stift Admont erschöpfe sich in seiner Bibliothek, liegt grundfalsch. Das Kloster beherbergt ein Museum mit überraschender Bandbreite. Neben einer bedeutenden Sammlung mittelalterlicher Kunst – darunter der berühmte "Admonter Tragaltar" aus dem 12. Jahrhundert – bietet es auch zeitgenössische Ausstellungen. Unter dem Motto "Gegenwartskunst im Dialog mit Tradition" finden hier regelmäßig Präsentationen moderner Künstler statt, was für ein Kloster durchaus ungewöhnlich ist.
Die naturhistorische Sammlung des Stifts geht auf den Forschergeist des 19. Jahrhunderts zurück. Damals begann man systematisch, Exponate aus der umliegenden Bergwelt zusammenzutragen. Tiere, Pflanzen und Mineralien des Alpenraums wurden konserviert und dokumentiert – ein regionales Naturkundemuseum entstand. Besonders beliebt bei Familien mit Kindern ist das "Naturhistorische Museum" mit seinen präparierten Alpentieren, darunter Exemplare, die heute längst aus der Region verschwunden sind.
Die Stiftskirche selbst, nach dem Brand von 1865 im neugotischen Stil wiederaufgebaut, präsentiert sich als lichtdurchfluteter Sakralraum mit bemerkenswerter Akustik. Auf der Empore thront die Orgel des bekannten Orgelbaumeisters Matthäus Mauracher – ein Instrument, das bei den regelmäßig stattfindenden Konzerten seine volle Klangpracht entfaltet. Die alljährlichen "Admonter Orgeltage" locken Musikliebhaber aus ganz Europa in die steirische Provinz.
Ein g'schmackiges Detail am Rande: Im Stiftsrestaurant werden traditionelle Gerichte serviert, deren Rezepte teilweise aus den historischen Kochbüchern des Klosters stammen. Die "Klosterschmankerlwoche" im Herbst bietet die Möglichkeit, in die kulinarische Geschichte des Benediktinerklosters einzutauchen – mit Speisen, die schon Generationen von Mönchen stärkten.
Der Nationalpark Gesäuse – Naturschönheit vor der Klostertür
Die Lage des Stifts am Eingang zum Nationalpark Gesäuse ist kein Zufall. Seit jeher suchten Mönchsgemeinschaften Orte, die zur Kontemplation einluden – und die dramatische Berglandschaft rund um Admont bietet ideale Voraussetzungen dafür. Das "Gesäuse", dessen Name vom Rauschen und "Sausen" der Enns zwischen den steilen Felswänden herrührt, ist einer der jüngsten Nationalparks Österreichs (gegründet 2002) und gleichzeitig einer der wildesten.
Nur etwa fünf Gehminuten vom Stift entfernt beginnen bereits die ersten Wanderwege. Die Kombination aus Kultur und Natur macht Admont zu einem idealen Ausgangspunkt für einen Mehrtagesaufenthalt. Vormittags die Bibliothek bestaunen, nachmittags eine Wanderung durch die alpine Landschaft – diese Mischung bieten wenige Reiseziele in Europa.
Wer länger bleibt, kann von hier aus tiefer in den Nationalpark vordringen. Die Bergwelt des Gesäuses gilt als anspruchsvoll – "saftig steil" nennen Einheimische die Hänge und Wände aus Kalkstein. Für geübte Bergsteiger bieten sich die markanten Gipfel der Gesäuseberge an: Hochtor (2.369 m), Planspitze (2.117 m) oder der imposante Buchstein (2.224 m). Weniger alpine Erfahrene finden aber auch sanftere Routen, etwa die Wanderung zur Kaiserau, einer idyllischen Hochebene mit Blick auf das Kloster.
Die Verbindung von Kultur und Natur, von menschlichem Geistesschaffen und ungebändigter Bergwelt, macht den besonderen Reiz dieser Region aus. Die Benediktiner wussten scho' immer, warum sie sich hier niederließen – die Kombination aus abgeschiedener Lage und beeindruckender Landschaft schuf ideale Bedingungen für geistige Arbeit und Meditation.
Praktische Informationen für den Besuch
Das Stift Admont ist gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Der Bahnhof Admont liegt an der Strecke Selzthal-Hieflau, von dort sind es etwa 15 Gehminuten zum Kloster. Mit dem Auto führt die Ennstal-Bundesstraße (B320) direkt am Stift vorbei. Parkplätze stehen ausreichend zur Verfügung, wobei in der Hochsaison (Juli/August) frühes Kommen empfehlenswert ist.
Geöffnet hat das Stift von Ende März bis Anfang November täglich außer an kirchlichen Feiertagen. Die Besichtigung erfolgt im Rahmen einer Führung oder mit Audioguide, wobei letzterer in acht Sprachen verfügbar ist. Der Eintritt ist mit rund 12 Euro für Erwachsene durchaus erschwinglich, zumal darin alle Museen und Sammlungen inbegriffen sind. Familien profitieren von vergünstigten Tarifen.
In der Nähe des Stifts finden sich mehrere Übernachtungsmöglichkeiten unterschiedlicher Preisklassen. Das "Stiftshotel Admont" bietet gediegenen Komfort direkt neben dem Kloster, während Pensionen und Privatunterkünfte im Ort meist günstigere Alternativen darstellen. Camper finden am Ortsrand einen gut ausgestatteten Campingplatz – ein Tipp für Naturliebhaber, die morgens mit Blick auf die Bergkulisse aufwachen möchten.
Für die Verpflegung sorgt nicht nur das erwähnte Stiftsrestaurant. Im Ortszentrum von Admont gibt es mehrere Gasthäuser mit traditioneller steirischer Küche. Besonders beliebt ist das "Hofwirt", wo regionale Spezialitäten wie Steirerkäse mit Kürbiskernöl oder bodenständige Gerichte wie Kaspressknödel auf der Karte stehen. Da schmeckt's dir vorzüglich nach einem Tag zwischen Bücherschätzen und Berggipfeln.