Schon von weitem fällt der Grimming auf – und das nicht ohne Grund. Seine massive, fast klotzige Silhouette unterscheidet sich deutlich von den spitzen Gipfeln seiner Nachbarn im Dachsteinmassiv. Während andere Berge elegant in die Höhe streben, wirkt der Grimming eher wie ein riesiger Steinwürfel, den jemand achtlos in die Landschaft gestellt hat. Diese ungewöhnliche Form verdankt er seiner geologischen Besonderheit: Er besteht größtenteils aus Dachsteinkalk, einem besonders widerstandsfähigen Gestein, das Wind und Wetter über Jahrmillionen getrotzt hat.
Die Einheimischen nennen ihn nicht umsonst den "steirischen Tafelberg". Von Bad Mitterndorf aus betrachtet, erscheint sein Gipfelplateau tatsächlich fast horizontal – ein seltener Anblick in den Alpen. Diese Eigenart macht ihn zu einem der fotogensten Berge der Region, auch wenn er fotografisch eine echte Herausforderung darstellt. Seine schiere Größe lässt sich nur schwer im Bild einfangen.
Geografie und Geologie
Der Grimming erhebt sich südlich von Bad Mitterndorf im Ausseerland und bildet den nordwestlichsten Ausläufer des Dachsteingebirges. Mit seinen 2.351 Metern überragt er die umliegenden Gipfel deutlich und bietet dadurch eine spektakuläre Rundumsicht. Besonders beeindruckend: Vom Talboden bei Bad Mitterndorf bis zum Gipfel sind es sage und schreibe 1.700 Höhenmeter – eine der größten zusammenhängenden Wandhöhen in den gesamten Ostalpen.
Geologisch gesehen ist der Berg ein Relikt aus der Trias, jener Zeit vor etwa 250 bis 200 Millionen Jahren, als hier noch ein tropisches Meer wogte. Der charakteristische Dachsteinkalk entstand aus den Ablagerungen unzähliger Meeresorganismen. Heute noch findet man in diesem Gestein versteinerte Muscheln und Korallen – stumme Zeugen einer längst vergangenen Unterwasserwelt. Ziemlich verrückt, wenn man bedenkt, dass man auf über 2.000 Metern Höhe Meerestiere findet.
Die Besteigung: Nichts für Anfänger
Der Grimming gilt als einer der anspruchsvollsten Bergwanderungen in der Steiermark. Das liegt nicht nur an der beträchtlichen Höhendifferenz, sondern auch an der oft unterschätzten Wegfindung im oberen Bereich. Mehrere Routen führen zum Gipfel, wobei der Normalweg über die Grimmingalm der gebräuchlichste ist.
Startpunkt ist meist der Parkplatz bei Klachau, etwa fünf Kilometer südlich von Bad Mitterndorf. Von dort führt zunächst ein breiter Forstweg zur Grimmingalm auf 1.261 Metern – ein gemütlicher Aufstieg durch dichten Fichtenwald, bei dem man noch nicht ahnt, was einen erwartet. Die Alm selbst ist bewirtschaftet und bietet eine letzte Gelegenheit für eine Stärkung, bevor es richtig zur Sache geht.
Ab der Alm wird's ernst. Der Weg führt steil bergauf durch Latschen und über Schuttfelder. Besonders im oberen Bereich, etwa ab 1.800 Metern, wird die Orientierung knifflig. Steinmännchen markieren zwar den Weg, aber bei Nebel oder schlechter Sicht verliert man schnell die Orientierung. GPS und Karte sind hier keine Luxusausrüstung, sondern praktische Notwendigkeit.
Gipfelerlebnis der besonderen Art
Wer es bis zum Gipfel schafft, wird belohnt – und zwar reichlich. Das Panorama vom Grimming-Gipfel gehört zu den spektakulärsten der gesamten Ostalpen. Nach Süden blickt man direkt auf das Dachsteinmassiv mit seinen vergletscherten Gipfeln, nach Osten erstreckt sich das steirische Hügelland bis weit in die Ferne. Im Norden zeigen sich die Toten Gebirge in ihrer ganzen Pracht, während im Westen die Schladminger Tauern grüßen.
Besonders beeindruckend ist der Tiefblick ins Ennstal. Die Ortschaften wirken wie Spielzeughäuser, die Enns schlängelt sich als silbernes Band durch die grünen Wiesen. An klaren Tagen reicht der Blick bis zu den Hohen Tauern – ein Panorama, das selbst erfahrene Bergsteiger ins Schwärmen bringt.
Das Gipfelplateau selbst ist überraschend groß und flach. Hier oben herrscht oft eine eigenartige Stille, nur unterbrochen vom Pfeifen des Windes. Die Vegetation ist karg – nur wenige spezialisierte Alpenpflanzen haben sich an diese rauen Bedingungen angepasst. Zwergweiden und Polster-Seggen klammern sich an die Felsritzen, dazwischen blühen im Sommer vereinzelt Enziane und Steinbrech.
Wetter und beste Reisezeit
Der Grimming macht sein eigenes Wetter – und das oft radikal anders als im Tal. Während in Bad Mitterndorf die Sonne scheint, können am Gipfel bereits dichte Wolken hängen. Die exponierte Lage macht den Berg besonders anfällig für plötzliche Wetterumschwünge. Gewitter entstehen hier oft wie aus dem Nichts und können extrem heftig werden.
Die beste Zeit für eine Besteigung liegt zwischen Juni und Oktober, wobei selbst im Hochsommer Schneefälle möglich sind. Früh am Morgen aufzubrechen ist nicht nur wegen der Hitze im Sommer ratsam, sondern auch wegen der oft nachmittags aufziehenden Gewitter. Viele erfahrene Bergsteiger starten bereits im Morgengrauen, um spätestens am frühen Nachmittag wieder unten zu sein.
Im Winter verwandelt sich der Grimming in ein gefährliches Terrain. Lawinengefahr, extreme Kälte und kurze Tage machen Besteigungen nur für sehr erfahrene Alpinisten mit entsprechender Ausrüstung möglich. Die meisten Wanderer meiden den Berg in dieser Jahreszeit – und das ist auch gut so.
Kulturgeschichte und Sagenwelt
Der Name "Grimming" leitet sich wahrscheinlich vom mittelhochdeutschen Wort "grim" ab, was so viel wie "wild" oder "grimmig" bedeutet – ein durchaus passender Name für diesen charakterstarken Berg. In der lokalen Sagenwelt spielt er eine wichtige Rolle. Eine alte Legende erzählt von Riesen, die hier einst gelebt haben sollen und deren Spuren man noch heute in Form von Felsbrocken und Geröllhalden sehen kann.
Besonders bekannt ist die Sage vom Grimmingmandl, einem sagenumwobenen Berggeist, der Wanderer in die Irre führen soll. Ob da was dran ist, sei dahingestellt – Fakt ist jedenfalls, dass sich am Grimming schon so mancher Bergsteiger verlaufen hat. Die komplexe Topografie des Berges mit ihren vielen Graten, Rinnen und Schuttfeldern macht Orientierungsfehler leider allzu wahrscheinlich.
Erste dokumentierte Besteigungen gab es bereits im 19. Jahrhundert, als der Alpinismus in den österreichischen Alpen aufkam. Damals war eine Grimming-Besteigung noch ein echtes Abenteuer, das nur wenige wagten. Heute zählt der Berg zu den beliebten, wenn auch anspruchsvollen Zielen für ambitionierte Bergwanderer.
Praktische Informationen
Für eine Grimming-Besteigung sollte man einen ganzen Tag einplanen. Die reine Gehzeit beträgt je nach Route und Kondition zwischen 6 und 8 Stunden, wobei der Abstieg oft unterschätzt wird. Gerade auf den steilen Schuttfeldern im oberen Bereich ist erhöhte Aufmerksamkeit gefragt – hier passieren die meisten Unfälle.
Die Ausrüstung sollte bergsteigerischen Standards entsprechen: feste Bergschuhe, wetterfeste Kleidung, ausreichend Proviant und Getränke sowie Erste-Hilfe-Material gehören zur Grundausstattung. Ein Helm ist empfehlenswert, da im oberen Bereich immer wieder Steinschlag auftreten kann. Stöcke können beim Abstieg über die Schuttfelder hilfreich sein, sind aber Geschmackssache.
Besonders wichtig: Die Wettervorhersage sollte man gründlich studieren und im Zweifel lieber einen Tag länger warten. Der Grimming verzeiht keine Leichtsinnigkeit. Handyempfang gibt es übrigens nur sporadisch, also sollte man sich nicht darauf verlassen, im Notfall Hilfe rufen zu können.
Alternativen und Umgebung
Wer den Grimming zu anspruchsvoll findet oder einfach eine gemütlichere Tour bevorzugt, hat in der Umgebung zahlreiche Alternativen. Der nahegelegene Kammspitz (1.963 m) bietet ebenfalls tolle Ausblicke, ist aber deutlich einfacher zu erreichen. Auch eine Wanderung zur Grimmingalm ohne Gipfelbesteigung ist lohnenswert – hier kann man bei einer zünftigen Jause die imposante Nordwand des Berges aus nächster Nähe bewundern.
Das Ausseerland selbst ist ein Wanderparadies mit unzähligen Möglichkeiten. Der Altausseer See, der Grundlsee oder die berühmte Loser-Panoramastraße sind nur einige der Highlights der Region. Bad Mitterndorf bietet sich als idealer Ausgangspunkt an – hier gibt es ausreichend Übernachtungsmöglichkeiten von der einfachen Pension bis zum komfortablen Hotel.