Österreich

Gefrorene Zeit im Berg: Die spektakuläre Dachstein-Rieseneishöhle

Bizarre Eisskulpturen, die im schummrigen Licht blau schimmern. Kilometerlange Höhlengänge, die sich tief in den Kalkstein fressen. Ein echtes Naturschauspiel im Herzen des Salzkammerguts.

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Zwischenablage

In der Stille hörst du nur deine eigenen Schritte und manchmal das leise Tröpfeln von Schmelzwasser, das auf Jahrtausende altes Eis fällt. Die Luft, feucht und kühl, kriecht unter die Jacke. Es ist ein seltsamer Gedanke: Während draußen vielleicht die Sommersonne brennt, bewegt man sich hier durch eine Welt, in der die Zeit in Eis gefroren scheint. Die Dachstein-Rieseneishöhle bei Obertraun in Oberösterreich stellt mit ihren gigantischen Eismassen und bizarren Eisformationen eines der bemerkenswertesten Naturwunder der Ostalpen dar.

Der Dachstein, dieser markante Kalksteinkoloss an der Grenze zwischen Oberösterreich und der Steiermark, verbirgt in seinem Inneren ein verzweigtes System aus Höhlen, von denen die Rieseneishöhle wohl die spektakulärste ist. Sie gehört nicht umsonst zum UNESCO-Welterbe "Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut" – eine Region, in der Natur und Kultur eine einmalige Verbindung eingegangen sind.

Etwa 14.000 Kubikmeter Eis füllen die Hohlräume der Höhle. Zum Vergleich: Das entspricht in etwa dem Volumen von fünf olympischen Schwimmbecken. Die Eismassen erreichen stellenweise eine Dicke von über 20 Metern und sind teilweise mehrere hundert Jahre alt. Ein gefrorenes Archiv der Klimageschichte, sozusagen.

Entstehung und Geologie: Wie die Höhle zu ihrer Eiswelt kam

Die Geschichte der Dachstein-Rieseneishöhle beginnt vor Millionen Jahren mit der Ablagerung von Kalkstein in einem urzeitlichen Meer. Als die Alpen emporgehoben wurden, begannen Wasser und Kohlensäure ihr Werk – sie lösten den Kalk langsam auf und formten über Jahrtausende die Hohlräume, die wir heute bestaunen können. Den kühlen Kopf bewahrt die Höhle buchstäblich durch ihre besondere Bauform: Sie hat nur einen einzigen Eingang, der relativ hoch am Berg liegt.

Sackkaminhöhle nennen Experten diesen Typ. Die kalte Winterluft sinkt wegen ihrer höheren Dichte in die Höhle ein und sammelt sich dort, während die wärmere Sommerluft die Höhle kaum erreicht. So pendelt die Temperatur im Inneren ganzjährig um den Gefrierpunkt – perfekte Bedingungen für die Bildung und Erhaltung von Eis. Schmelzwasser, das durch Risse und Spalten ins Höhlensystem sickert, gefriert in der kalten Luft und formt über die Jahrhunderte die massiven Eisgebilde.

Bedrohlich für dieses fragile Gleichgewicht ist der Klimawandel. Wissenschaftler dokumentieren seit Jahren einen langsamen, aber stetigen Rückgang der Eismassen. Was wir heute sehen können, ist daher vielleicht nur ein Abglanz der einstigen Pracht – ein Grund mehr, dieses Naturwunder zu schätzen.

Der Weg zur Höhle: Anreise und Aufstieg

Die Anreise zur Dachstein-Rieseneishöhle beginnt typischerweise im Ort Obertraun am Ostufer des Hallstättersees. Von hier aus geht's mit der Dachstein-Krippenstein-Seilbahn zur Mittelstation Schönbergalm, die auf etwa 1.350 Metern Höhe liegt. Die erste Etappe überwindet dabei eine Höhendifferenz von rund 850 Metern – und bietet bereits atemberaubende Ausblicke auf den Hallstättersee und das umgebende Gebirge. Die Perspektive von oben macht erst klar, warum diese Landschaft als eine der schönsten Österreichs gilt.

Von der Schönbergalm führt ein etwa 15-minütiger Fußmarsch zum Eingang der Rieseneishöhle. Der Weg ist gut ausgebaut, aber nicht barrierefrei – festes Schuhwerk ist Pflicht. Und übrigens: Auch wenn draußen hochsommerliche Temperaturen herrschen, in der Höhle ist es lausig kalt. A bisserl was Warmes zum Anziehen sollte man also unbedingt mitnehmen. Eine Jacke, feste Schuhe und eventuell Handschuhe gehören zur Standardausrüstung, selbst im August.

In unmittelbarer Nähe befindet sich übrigens auch der Eingang zur Mammuthöhle, einem weiteren beeindruckenden Höhlensystem des Dachsteins, das jedoch keine Eisformationen aufweist, sondern durch seine enormen Dimensionen und interessanten Tropfsteinformationen besticht. Wer Zeit hat, sollte beide Höhlen besichtigen – das Kombiticket macht's möglich.

Durch die gefrorene Unterwelt: Die Führung

Die Rieseneishöhle kann nur im Rahmen einer geführten Tour besichtigt werden. Die Standardführung dauert etwa eine Stunde und führt auf gesicherten Stegen und Treppen durch die wichtigsten Bereiche der Höhle. Insgesamt müssen während der Tour etwa 500 Stufen bewältigt werden, teilweise auf recht steilen Treppen – eine gewisse Grundkondition ist daher erforderlich.

Gleich zu Beginn der Tour öffnet sich der sogenannte "Große Eispalast", einer der beeindruckendsten Räume der Höhle. Der bis zu 40 Meter hohe Dom wird von massiven Eissäulen dominiert, die im künstlichen Licht in verschiedenen Blau- und Weißtönen schimmern. Die künstliche Beleuchtung mag auf den ersten Blick unnatürlich wirken, doch schafft sie eine fast mystische Atmosphäre und bringt die feinen Strukturen des Eises erst richtig zur Geltung.

Besonders faszinierend während der Führung: Die seltsame Akustik in den eisigen Hallen. Geräusche klingen gedämpft, gleichzeitig wirft der Fels manche Töne als Echo zurück. Wenn der Guide kurz das Licht ausknipst – was manchmal als eindrucksvolle Demonstration erfolgt – erlebt man eine Finsternis, die absolut ist. Nicht mal die Hand vor Augen ist dann zu erkennen.

Weiter geht es zur "Tristan-Kuppel" und zum "Parsifal-Dom", benannt nach Wagners Opern, deren mythische Atmosphäre diese Höhlenräume tatsächlich einfangen. Hier haben sich über die Jahrhunderte spektakuläre Eisvorhänge und -kaskaden gebildet, die von der Decke zu stürzen scheinen, jedoch in ihrer Bewegung für immer erstarrt sind.

Die kunstvollen Namen der Höhlenabschnitte entstammen übrigens der romantischen Begeisterung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, als die Höhle für Besucher erschlossen wurde. Damals war es Mode, Naturwunder mit mythologischen oder literarischen Bezügen zu verknüpfen – ein bisschen theatralisch vielleicht, aber irgendwie passt's zur Dramatik der Szenerie.

Höhepunkte der Besichtigung: Was nicht verpasst werden sollte

Der absolute Star unter den Eisgebilden ist der "Eisberg" – eine gewaltige Eismasse von schätzungsweise 50.000 Jahren Alter, die sich am tiefsten Punkt der Besichtigungsroute befindet. Wie ein gefrorener Wasserfall ergießt sich das bläulich schimmernde Eis über mehrere Ebenen. Die verschiedenen Schichten des Eises erzählen wie Jahresringe eines Baumes von klimatischen Veränderungen vergangener Epochen.

Ein weiteres Highlight ist die "König-Artus-Halle" mit ihren zackigen Eiskristallen, die im Lichtschein wie Schwerter und Lanzen wirken – daher auch der Name. Hier wird besonders deutlich, wie die Natur als Bildhauerin arbeitet: Durch das langsame Gefrieren des einsickernden Wassers entstehen Formen von einer Präzision und Schönheit, die kein menschlicher Künstler nachahmen könnte.

Im "Großen Eispavillon" wird das Licht manchmal so inszeniert, dass die Eiswände in verschiedenen Farben erstrahlen. Ein künstlicher Effekt, gewiss, aber einer, der die natürliche Schönheit des Eises auf fast magische Weise hervorhebt. Die Temperatur in diesem Abschnitt kann selbst im Hochsommer unter dem Gefrierpunkt liegen – trotz Klimaerwärmung bleibt es hier drin saukalt.

Gegen Ende der Tour bietet die "Elefantenhalle" einen überraschenden Anblick: Eine massive Eisformation, die tatsächlich an den Rüssel eines Elefanten erinnert. Man braucht nicht viel Fantasie, um in den verschiedenen Eisgebilden Figuren und Gestalten zu erkennen – ein bisschen wie beim Wolkengucken, nur dauerhafter.

Praktische Informationen: Öffnungszeiten, Preise und Tipps

Die Dachstein-Rieseneishöhle ist saisonbedingt geöffnet, typischerweise von Ende April bis Ende Oktober. Im Winter macht der Schnee den Zugang zu schwierig und gefährlich. Die genauen Öffnungszeiten variieren je nach Jahreszeit und Wetterbedingungen – ein Blick auf die offizielle Website vor dem Besuch ist daher ratsam.

Die Eintrittspreise liegen – je nach Saison und gewähltem Tickettyp – zwischen 20 und 30 Euro für Erwachsene, wobei Kombitickets mit der Seilbahn und/oder anderen Höhlen erhältlich sind. Kinder, Studenten und Senioren erhalten Ermäßigungen. Für Familien gibt es spezielle Familientarife, die sich durchaus lohnen können.

Ein paar Tipps aus der Praxis: Die Höhle ist ganzjährig etwa 0°C kalt, unabhängig von der Außentemperatur. Warme Kleidung ist daher unbedingt erforderlich. Wer leicht friert, zieht am besten mehrere Schichten übereinander. Fotografieren ist zwar erlaubt, aber durch die Lichtverhältnisse nicht ganz einfach – eine Kamera mit guter Lichtempfindlichkeit und ein Stativ können Wunder wirken.

Während der Hochsaison im Juli und August kann es zu längeren Wartezeiten kommen. Wer kann, sollte seinen Besuch daher auf die frühen Morgen- oder späteren Nachmittagsstunden legen oder gleich die Nebensaison wählen. Im Juni und September ist oft weniger los, die Höhle aber genauso beeindruckend.

Die Führungen finden in verschiedenen Sprachen statt, vorwiegend auf Deutsch und Englisch. Bei größeren Gruppen mit einer gemeinsamen Fremdsprache können spezielle Führungen arrangiert werden. Für Schulklassen und andere Bildungsgruppen gibt es zudem spezielle pädagogische Programme, die mehr auf die erdgeschichtlichen und klimatologischen Aspekte der Höhle eingehen.

Rundherum: Das UNESCO-Welterbe Dachstein erkunden

Die Dachstein-Rieseneishöhle ist nur ein Juwel in der Krone des UNESCO-Welterbegebiets Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut. Wer schon mal da ist, sollte unbedingt auch die Umgebung erkunden. Unmittelbar neben der Rieseneishöhle befindet sich die bereits erwähnte Mammuthöhle – eine der größten Karsthöhlen Europas mit kilometerlangen Gängen und imposanten Tropfsteinformationen. Im Gegensatz zur Eishöhle herrscht hier eine konstante Temperatur von etwa 6-8°C.

Mit der Dachstein-Krippenstein-Seilbahn kann man von der Mittelstation weiter zur Bergstation auf 2.100 Meter Höhe fahren. Hier oben eröffnet sich ein spektakulärer Blick auf die Alpen. Die Aussichtsplattform "5fingers" – fünf fingerartige Plattformen, die über dem 400 Meter tiefen Abgrund schweben – ist nichts für schwache Nerven, bietet aber ein unvergleichliches Panorama. Die Plattform verdankt ihren Namen der Hand-ähnlichen Form und jeder der fünf "Finger" bietet ein anderes Erlebnis. Einer hat sogar einen Glasboden, durch den man direkt in die Tiefe blicken kann. Grauslig schön!

Für Wanderer bietet das Dachsteingebirge Routen für jeden Schwierigkeitsgrad. Der "Heilbronner Rundwanderweg" ist eine beliebte, mittelschwere Route, die in etwa vier Stunden zu bewältigen ist und grandiose Ausblicke auf den Hallstättersee und das umliegende Gebirge bietet. Für erfahrene Bergsteiger ist die Besteigung des Hohen Dachsteins (2.995 m) ein lohnendes Ziel – allerdings nur mit entsprechender Ausrüstung und Erfahrung oder in Begleitung eines Bergführers zu empfehlen.

Ein Abstecher ins historische Hallstatt, das malerisch am gleichnamigen See liegt, sollte auf keiner Dachstein-Tour fehlen. Der Ort, berühmt für seine prähistorischen Salzbergwerke und die idyllische Lage zwischen See und Bergen, kann mit dem Schiff von Obertraun aus erreicht werden – eine Fahrt, die allein schon wegen der Aussicht lohnt.

Für die kleinen Entdecker: Mit Kindern in die Höhle

Die Dachstein-Rieseneishöhle ist auch für Kinder ein faszinierendes Erlebnis, allerdings sollten einige Punkte beachtet werden. Die Standardführung ist für Kinder ab etwa sechs Jahren geeignet, jüngere Kinder könnten Probleme mit der Länge der Tour und den vielen Treppen haben. In den Schulferien werden spezielle Kinderführungen angeboten, die altersgerecht gestaltet sind und mehr auf die Fragen und Interessen der jungen Besucher eingehen.

Kinder sollten besonders warm angezogen werden, da sie schneller auskühlen als Erwachsene. Eine Thermoskanne mit heißem Tee oder Kakao für danach kann Wunder wirken und kleine Abenteurer bei Laune halten. Überhaupt ist es ratsam, die Höhlenbesichtigung in ein größeres Programm einzubetten, das auch Aktivitäten an der frischen Luft umfasst – nach der kühlen Höhle tut etwas Bewegung gut.

Ein besonderes Erlebnis für Kinder und Erwachsene gleichermaßen sind die gelegentlich stattfindenden Konzerte in der Höhle. Die einzigartige Akustik und die atmosphärische Umgebung machen diese Veranstaltungen zu einem unvergesslichen Erlebnis. Die Termine sind meist lange im Voraus ausgebucht, also frühzeitig informieren!

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