Ein schmales Asphaltband schlängelt sich durch die Hohen Tauern, mal sanft ansteigend, mal in engen Kehren. Die Großglockner-Hochalpenstraße ist keine gewöhnliche Verbindung zwischen A und B – sie ist selbst das Ziel. Auf 48 Kilometern verbindet sie die Orte Fusch an der Großglocknerstraße im Salzburgerland mit Heiligenblut in Kärnten und überwindet dabei 2.504 Höhenmeter. Der höchste Punkt liegt auf der Edelweißspitze mit 2.571 Metern über dem Meeresspiegel. An klaren Tagen kannst du von hier aus 37 Dreitausender erblicken – eine Kulisse, die ihresgleichen sucht.
Erbaut in den frühen 1930er Jahren während der Weltwirtschaftskrise, war die Straße zunächst ein Arbeitsbeschaffungsprojekt. Rund 3.200 Arbeiter schufteten drei Jahre lang unter härtesten Bedingungen, ausgerüstet lediglich mit Schaufeln, Spitzhacken und primitivem Gerät. Was als politisches und wirtschaftliches Projekt begann, entwickelte sich zu einem der bedeutendsten touristischen Aushängeschilder Österreichs. Alljährlich zieht die von Mai bis Oktober geöffnete Mautstraße rund 900.000 Besucher an – Tendenz steigend. Hübsch anzusehen ist sie auch im Winter, allerdings dann nur von unten, denn Schneehöhen von bis zu 7 Metern machen eine Öffnung unmöglich.
Die Route: Von Fusch bis Heiligenblut
Der nördliche Ausgangspunkt Fusch an der Großglocknerstraße ist ein unscheinbares Dorf im Fuscher Tal. Meist bist du hier schnell wieder weg, denn die Straße lockt. Doch lohnenswert ist ein Abstecher zum Stausee Fuscher Lacke oder ein Besuch des kleinen, aber feinen Großglockner-Museums, das die Baugeschichte der Straße dokumentiert. Die ersten Kilometer führen allmählich bergauf durch saftige Wiesen und lichte Wälder. Ab Ferleiten, wo sich die Mautstelle befindet, wird's ernst: Die Straße windet sich nun in zahlreichen Kehren durch alpine Landschaft nach oben.
Spektakulär geht es am Fuschertörl (2.428 m) weiter. Hier stehen die Überreste der fürstbischöflichen Mautstation, die an die Zeit erinnert, als Säumer mit ihren Packtieren den alten Handelsweg über den Alpenhauptkamm nutzten. Ein kurzer Stopp lohnt auch wegen der Rundumsicht auf die Gipfel der Glocknergruppe. Nach einer kurzen Abfahrt erreicht die Straße die Hochtor-Passage (2.504 m), den höchsten Punkt der eigentlichen Strecke und Grenze zwischen den Bundesländern Salzburg und Kärnten. Hier verläuft auch die europäische Wasserscheide: Regentropfen, die nördlich fallen, landen irgendwann in der Donau und im Schwarzen Meer, während ihre südlichen Geschwister über die Drau und Donau ins Schwarze Meer fließen.
Südlich vom Hochtor geht's weiter zur wichtigsten Abzweigung: der Stichstraße zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe (2.369 m). Diese Extra-Schleife ist absolutes Pflichtprogramm. Hier parkst du deinen Wagen und blickst direkt auf den Großglockner (3.798 m), Österreichs höchsten Berg, und die Pasterze, den längsten Gletscher der Ostalpen. Allerdings: Selbst an Sonnentagen kann es hier oben empfindlich kühl werden. Eine Jacke gehört deshalb immer ins Reisegepäck – egal, welche Temperaturen unten im Tal herrschen.
Die Fahrt geht dann weiter in Richtung Süden durch das Mölltal, wo sich Serpentine an Serpentine reiht. Das Landschaftsbild wechselt: War es eben noch karg und felsig, zeigen sich nun wieder saftige Almwiesen mit Kühen, die so entspannt grasen, als wäre die spektakuläre Umgebung das Normalste der Welt. Der südliche Endpunkt Heiligenblut (1.301 m) grüßt schon von weitem mit seinem markanten Kirchturm – ein Postkartenmotiv, das kaum ein Besucher auslässt.
Aussichtspunkte und Stopps entlang der Route
Die Fahrt über die Großglockner-Hochalpenstraße gleicht einer Perlenkette aus Aussichtspunkten. Besonders beeindruckend: die Edelweißspitze, ein 2.571 Meter hoher Gipfel, der über eine schmale Stichstraße erreichbar ist. Von hier aus bietet sich ein 360-Grad-Panorama über die Hohen Tauern. Die Abzweigung zur Edelweißspitze liegt kurz vor dem Hochtor und ist nicht zu übersehen. Die engen Kurven der Stichstraße erfordern allerdings Konzentration – weniger die Straße selbst als vielmehr die Ausblicke können schnell ablenken.
Ein weiterer Pflichtaufenthalt ist die Kaiser-Franz-Josefs-Höhe. Hier steht das Besucherzentrum mit einer interaktiven Ausstellung über Gletscher und alpine Ökosysteme. Von der Aussichtsplattform aus kannst du die Pasterze betrachten – allerdings mit gemischten Gefühlen. Der Gletscher zieht sich seit Jahrzehnten zurück, jedes Jahr verliert er etwa 5 Meter an Dicke. Markierungen zeigen eindrucksvoll, wo die Eisgrenze noch vor wenigen Jahrzehnten verlief. Die Klimaerwärmung wird hier schmerzlich sichtbar. Dennoch: Die Aussicht auf den Großglockner ist atemberaubend, besonders am frühen Morgen oder späten Nachmittag, wenn das Licht weicher wird und lange Schatten wirft.
Auf halber Strecke zwischen Hochtor und Heiligenblut lohnt ein Stopp am Aussichtspunkt Fuscher Lacke. Hier wird bei günstigen Wetterbedingungen der Großglockner im stillen Wasser des kleinen Bergsees gespiegelt – ein Moment, in dem selbst erfahrene Alpenfotografen andächtig werden. Von hier führen auch mehrere gut markierte Wanderwege in die umliegende Bergwelt. Schon ein kurzer Ausflug abseits der Straße zeigt, wie unberührt die Natur hier oben trotz der touristischen Erschließung geblieben ist.
Die Orte am Wegesrand
Ferleiten, einige Kilometer hinter Fusch, verdient mehr als nur den kurzen Stopp an der Mautstelle. Der kleine Ort beherbergt den Nationalparkpark Hohe Tauern, wo Steinböcke, Gämsen, Murmeltiere und andere alpine Tiere in weitläufigen, naturnahen Gehegen leben. Für Familien mit Kindern ist dies ein willkommener Zwischenstopp, um die Beine zu vertreten und einen Einblick in die Fauna der Region zu gewinnen. Der Park liegt so geschickt im Gelände, dass die Tiere vor der imposanten Bergkulisse fast wie in freier Wildbahn wirken.
Heiligenblut am Großglockner, das südliche Ende der Hochalpenstraße, ist mehr als nur ein Durchgangsort. Die spätgotische Wallfahrtskirche St. Vinzenz mit ihrem schlanken, spitzen Turm thront malerisch über dem Dorf. Sie beherbergt eine Heilig-Blut-Reliquie, die dem Ort seinen Namen gab und auf eine abenteuerliche Legende zurückgeht: Ein dänischer Ritter soll im 13. Jahrhundert ein Fläschchen mit dem Blut Christi bei sich getragen haben. Als er in einen Gletscherspalt stürzte, wuchs an dieser Stelle eine rote Blume – das Signal für den Bau der Kirche. Fantasievoll, aber wirksam: Bis heute ist die Kirche ein beliebtes Fotomotiv und spiritueller Anziehungspunkt.
Im Ortszentrum von Heiligenblut lassen sich in den Sommermonaten vorzüglich die Motorradfahrer beobachten, die hier nach der Passfahrt eine Rast einlegen. Die Terrassen der Cafés füllen sich mit schwarz gekleideten Gestalten, die ihre Helme abnehmen und mit leuchtenden Augen von der gerade erlebten Fahrt erzählen. Die Großglocknerstraße ist für Biker nämlich mehr als nur eine Straße – sie ist ein Mythos, eine Pilgerstätte auf zwei Rädern.
Zwischen diesen Hauptorten liegen verstreut kleine Ansiedlungen und Almen. Manche bestehen nur aus einer Handvoll Gebäuden, oft urige Gasthäuser dabei, die zur Einkehr laden. Die "Fuscherlackalm" etwa, auf 1.967 Metern gelegen, serviert deftige Kärntner und Salzburger Spezialitäten. Ein dampfender Kaiserschmarrn oder eine Portion Kaspressknödel geben Kraft für die weitere Fahrt – oder für eine der vielen Wanderungen, die von der Straße aus starten.
Die Menschen und ihre Geschichten
Die Großglockner-Hochalpenstraße lebt nicht nur von ihrer landschaftlichen Schönheit, sondern auch von den Menschen, die mit ihr verbunden sind. Da sind zum einen die Straßenwärter, die jeden Frühling aufs Neue den Kampf gegen die Schneemassen aufnehmen. Mit gewaltigen Fräsen bahnen sie sich ihren Weg durch bis zu 7 Meter hohe Schneewände. "Oft weiß ich morgens nicht, ob ich abends heimkomme", erzählt Franz Hofer, seit 22 Jahren bei der Räumtruppe dabei. "Wenn sich das Wetter dreht, kann es schnell kritisch werden." Die Eröffnung der Straße, meist im Mai, ist jedes Jahr ein kleines Volksfest für die Region.
Dann sind da die Hüttenwirte, die während der kurzen Saison kaum zum Durchatmen kommen. Maria Wallner führt die Edelweißhütte in dritter Generation. "Mein Großvater hat noch den Bau der Straße miterlebt", berichtet sie. "Damals kamen die ersten Touristen mit dem Pferdewagen. Heute parken hier Sportwagen aus ganz Europa." Die Zeiten ändern sich, aber die Gastfreundschaft bleibt. Auf ihrer Hütte gibt es hausgemachten Almkäse, der von den eigenen Kühen stammt, die jeden Sommer auf den umliegenden Almen grasen.
Besonders interessant sind die Geschichten der "Glocknerzähler" – so nennen sich die offiziellen Guides, die am Besucherzentrum der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe ihr Wissen weitergeben. Sie berichten von der besonderen Wetterküche am Großglockner, von der ersten Besteigung des Berges im Jahr 1800 und vom dramatischen Rückgang der Pasterze. Manch ein Glocknerzähler hat als Bergführer selbst schon dutzende Male auf dem Gipfel gestanden. Ihre Geschichten vermitteln ein Gespür dafür, dass die Alpen trotz aller touristischen Erschließung nach wie vor ein Raum sind, in dem die Natur die Regeln diktiert.
Die Straße im Wandel der Jahreszeiten
Wer die Großglockner-Hochalpenstraße zu unterschiedlichen Zeiten befährt, erlebt fast verschiedene Welten. Im Mai, kurz nach der Öffnung, säumen noch meterhohe Schneewände die Straße. Das Blau des Himmels kontrastiert dann mit dem blendenden Weiß der umliegenden Gipfel. Die ersten Krokusse durchbrechen die Schneedecke auf den Almwiesen – ein faszinierendes Schauspiel zwischen Winter und Frühling.
Der Hochsommer zeigt die Alpen von ihrer sanften Seite. Die Wiesen stehen in voller Blüte, ein Meer aus Gelb, Blau und Violett umgibt die Straße. Schmetterlinge taumeln über die Almwiesen, Kühe grasen friedlich, und an klaren Tagen reicht die Sicht bis weit in die Zentralalpen hinein. Das ist auch die Zeit mit den meisten Besuchern. Wer es ruhiger mag, sollte unter der Woche und zu früher Stunde aufbrechen.
Der frühe Herbst hat wiederum seinen eigenen Reiz. Die Touristenströme ebben ab, die Lärchenwälder in den unteren Lagen färben sich goldgelb, und manchmal zeigt sich auf den Gipfeln bereits der erste Neuschnee. Die Luft wird klarer, die Fernsicht oft besser als im Sommer. Ende Oktober fällt dann der letzte Vorhang: Die Straße wird geschlossen, und die alpine Hochregion versinkt in ihren Winterschlaf.
Der Zeitpunkt deines Besuchs beeinflusst also maßgeblich das Erlebnis. Für Fotografen sind die Randzeiten besonders lohnend. Die tief stehende Sonne im September zaubert ein warmes Licht auf die Felswände, während die klare Luft für gestochen scharfe Bilder sorgt. Frühaufsteher werden belohnt: Am schönsten zeigt sich die Straße am frühen Morgen, wenn der Nebel aus den Tälern aufsteigt und die ersten Sonnenstrahlen die Gipfel vergolden.
Praktisches für die Reise
Die Mautgebühr für die Großglockner-Hochalpenstraße ist nicht gerade ein Schnäppchen – etwa 43 Euro für einen PKW (Stand 2024). Dafür erhältst du aber Zugang zu einer der spektakulärsten Alpenstraßen überhaupt und kannst einen ganzen Tag mit Ausflügen und Stopps verbringen. Die Mautstellen befinden sich in Ferleiten auf der Nordseite und in Heiligenblut auf der Südseite.
Tante Emma's Rat: Prüfe vor der Fahrt unbedingt deine Bremsen. Die steilen Passagen fordern das Material heraus, besonders bei der Abfahrt. Auch der Tankstand sollte im Auge behalten werden – Tankstellen gibt es auf der Strecke selbst nicht. In Bruck im Norden und Heiligenblut im Süden kannst du aber problemlos auftanken.
Die Fahrzeit ohne Stopps beträgt etwa 1,5 Stunden. Aber mal ehrlich – wer fährt hier durch, ohne anzuhalten? Plane für die gesamte Strecke mindestens einen halben Tag ein, besser noch einen ganzen. So bleibt Zeit für Fotostopps, kleine Wanderungen und gemütliche Pausen in den Almhütten entlang der Strecke.
Die beste Reisezeit liegt zwischen Juni und September. In diesen Monaten ist die Straße garantiert schneefrei, und die Wahrscheinlichkeit für gutes Wetter steht am besten. Im Mai und Oktober musst du mit plötzlichen Wetterumschwüngen rechnen – packe also immer warme Kleidung ein, selbst wenn unten im Tal Badewetter herrscht. Typisch für die Alpen: Morgens aufbrechen lohnt sich, denn am Nachmittag ziehen häufig Wolken auf, die die Sicht einschränken können.
Für die Anreise empfiehlt sich aus Richtung Norden die Autobahn A10 (Tauernautobahn). Bei Bruck nimmst du die Ausfahrt und folgst der Beschilderung nach Fusch. Aus dem Süden kommend fährst du über Spittal an der Drau nach Heiligenblut. Übrigens: Die Großglockner-Hochalpenstraße ist Teil der Grand Tour of Switzerland und der Großen Walser Route – für Europareisende also gut in längere Routen integrierbar.
Abseits des Asphalts
Die Großglockner-Hochalpenstraße erschließt nicht nur eine Landschaft für Autofahrer, sondern ist auch Ausgangspunkt für zahlreiche Wanderungen. Eine besonders lohnende Tour führt vom Parkplatz Hochtor zum Spielmann (2.581 m). Der gut markierte Weg überwindet etwa 200 Höhenmeter und bietet eine grandiose Rundumsicht über die Hohen Tauern. Die reine Gehzeit beträgt etwa 1,5 Stunden – ein überschaubarer Zeitaufwand für ein alpines Gipfelerlebnis.
Für geübte Bergsteiger bietet die Region um die Hochalpenstraße wesentlich anspruchsvollere Ziele. Der Großglockner selbst ist das prominenteste, aber keineswegs das einzige. Die Besteigung des höchsten Bergs Österreichs sollte nur mit Bergführer und entsprechender Ausrüstung angegangen werden – er fordert jedes Jahr seine Opfer unter unvorsichtigen Alpinisten. Das Gletscherfeld der Pasterze wiederum ist für geführte Touren zugänglich. Mit Steigeisen ausgerüstet, kannst du hier die faszinierende Welt der Eisspalten und Gletschermühlen erkunden.
Wer es gemächlicher angehen möchte, nutzt den "Gamsgrubenweg" – einen in den Fels gesprengten Wanderweg, der von der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe zur Gamsgrube führt. Teile des Weges verlaufen durch beleuchtete Tunnels, was ihn auch bei zweifelhaftem Wetter begehbar macht. Am Ende werden Wanderer mit einem eindrucksvollen Blick auf den Gletscher belohnt. Der Weg ist auch für Familien mit größeren Kindern gut machbar.
Nicht zu vergessen sind die botanischen Besonderheiten entlang der Straße. Der "Alpine Naturschaugarten" an der Fuscher Lacke präsentiert auf kleinem Raum die vielfältige Flora der alpinen Höhenstufen. Hier wachsen Edelweiß, Enzian, Alpenrose und viele weitere Pflanzen, die außerhalb solcher Schaugärten streng geschützt sind und nicht gepflückt werden dürfen. Übrigens: Echtes Edelweiß wächst trotz seines Namens heute nicht mehr an der Edelweißspitze – zu viele Besucher haben es in vergangenen Jahrzehnten gepflückt.