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Thermen und Schluchten: Bad Gastein und die verborgenen Schätze des Gasteinertals

Zwischen majestätischen Felswänden stürzt ein Wasserfall mitten durch einen Ort voller prächtiger Häuser aus der Kaiserzeit. Dampfende Thermalquellen, heilsame Stollen und alpine Landschaften, die dem Atem stocken lassen – das Gasteinertal ist ein bisschen wie aus der Zeit gefallen, aber genau das macht seinen Charme aus.

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Zwischenablage

Das Gasteinertal erstreckt sich über rund 40 Kilometer im Salzburger Land, eingeklemmt zwischen den mächtigen Gebirgszügen der Hohen Tauern und den Gasteiner Alpen. Die drei Hauptorte – Dorfgastein, Bad Hofgastein und Bad Gastein – könnten unterschiedlicher kaum sein, obwohl sie alle vom selben Thermalwasser profitieren. Während Dorfgastein noch den Charakter eines traditionellen Alpendorfs bewahrt hat, ist Bad Hofgastein ein gemütlicher Kurort mit modernem Thermalbad. Bad Gastein hingegen, der berühmteste der drei Orte, überrascht mit seiner ungewöhnlichen Architektur und Lage.

Das Tal hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Ursprünglich wurde hier schon in der Römerzeit und im Mittelalter Gold abgebaut – daher der alte Name "Gastuna", der vom keltischen "gast" (unfruchtbar) herrührt und auf die kargen Bedingungen für die Landwirtschaft hinweist. Der eigentliche Aufstieg zur Berühmtheit begann aber erst mit der Entdeckung der heilenden Wirkung des Thermalwassers. Als die Habsburger Monarchen im 19. Jahrhundert begannen, hier regelmäßig zu kuren, avancierte das Tal zum "Kurort der Könige". Nicht nur Kaiser Franz Joseph und Wilhelm I. schätzten die heilende Wirkung der Gasteiner Quellen, auch Komponisten wie Schubert und Schumann sowie Dichter wie Grillparzer suchten hier Inspiration.

Bad Gastein: Zwischen Glamour und Verfall

Wer zum ersten Mal in Bad Gastein ankommt, traut seinen Augen kaum. In einer schwindelerregenden Hanglage, durchschnitten vom tosenden Gasteiner Wasserfall, stehen Belle-Époque-Bauten wie aus einer anderen Zeit. Die mondänen Hotels und großbürgerlichen Villen aus der Kaiserzeit verleihen dem Ort eine seltsam entrückte Atmosphäre. Das architektonische Erbe aus der Glanzzeit um 1900 ist beeindruckend – allerdings liegt ein Hauch von glorreichem Verfall über manchen Gebäuden.

Die Stadtarchitektur ist ein echtes Unikat: Die meisten Häuser kleben förmlich am steilen Hang und türmen sich übereinander auf, verbunden durch verwinkelte Treppen und schmale Gassen. Mittendurch donnert der imposante Wasserfall – im Sommer ein erfrischendes Naturspektakel, im Winter teilweise zu bizarren Eisskulpturen erstarrt. An kalten Tagen wabern Dampfschwaden vom Thermalwasser durch die Straßen und verstärken das mysteriöse Flair der Stadt. Kaum zu glauben, aber genau diese skurrile Mischung macht den besonderen Reiz aus.

In den letzten Jahren hat ein vorsichtiger Aufschwung eingesetzt. Kunstprojekte beleben verlassene Gebäude, kleine Boutiquen und Cafés ziehen ein. Das einstige Grand Hotel de l'Europe etwa, ein Prachtbau aus der Kaiserzeit, wird langsam aus seinem Dornröschenschlaf geweckt. Ein Spaziergang auf der Kaiser-Wilhelm-Promenade lohnt sich schon allein wegen der prächtigen Jugendstilarchitektur und dem atemberaubenden Blick auf den Wasserfall.

Thermalwasser: Das "flüssige Gold" des Gasteinertals

Der eigentliche Schatz des Tals sprudelt mit einer Temperatur von bis zu 47 Grad aus dem Berg: das Gasteiner Thermalwasser. Insgesamt 18 Quellen liefern täglich rund fünf Millionen Liter des kostbaren Nasses. Seine Besonderheit liegt im natürlichen Radongehalt – ein schwach radioaktives Edelgas, dem eine schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkung nachgesagt wird. Das Wasser hat auf seinem langen Weg durch die Gesteinsschichten zudem zahlreiche Mineralien aufgenommen.

Die traditionellste Art, die Heilkraft zu nutzen, sind die Thermalbäder. In Bad Gastein bietet die Felsentherme mit ihrem spektakulären Panorama-Außenbecken einen grandios inszenierten Badegenuss. Man schwimmt quasi über dem Wasserfall! In Bad Hofgastein lockt die weitläufigere Alpentherme mit verschiedenen Saunalandschaften und einem Familienbereich.

Eine weltweite Rarität ist der Gasteiner Heilstollen. Hier fährt man mit einer kleinen Grubenbahn tief in den Berg hinein, um in einer Mischung aus Hitze, hoher Luftfeuchtigkeit und leichter Radonkonzentration zu schwitzen. Die Kombination aus 37 bis 41,5 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von nahezu 100 Prozent fühlt sich zunächst etwas beklemmend an, soll aber besonders bei rheumatischen Erkrankungen kleine Wunder wirken. In den ehemaligen Goldbergwerksstollen liegen die Kurgäste in leichter Kleidung auf einfachen Liegen – eine kuriose Erfahrung, die aber viele Stammgäste immer wieder ins Tal lockt.

Auf den Höhen: Das alpine Erlebnis

Abseits der Thermen bietet das Gasteinertal ein erstklassiges alpines Erlebnis zu jeder Jahreszeit. Im Winter verwandelt sich die Region in ein schneesicheres Skigebiet mit über 200 Pistenkilometern. Die Skigebiete Schlossalm-Angertal-Stubnerkogel und Dorfgastein-Großarltal sind durch den Skibus bequem miteinander verbunden. Besonders die Abfahrten vom Stubnerkogel (2.246 m) bieten spektakuläre Ausblicke und anspruchsvolle Pisten für Könner. Wer's gemütlicher mag, findet auf der Schlossalm breite, familienfreundliche Pisten.

Ein Highlight für Wanderer und Ausflügler ist die Stubnerkogel-Hängebrücke – mit 140 Metern Länge und in knapp 2.300 Metern Höhe nichts für schwache Nerven, aber mit einem grandiosen Panorama belohnt. Die gläserne Aussichtsplattform "Glocknerblick" bietet an klaren Tagen einen Ausblick bis zum Großglockner. Mit der Gondelbahn ist der Aufstieg auch für Nicht-Wanderer gut machbar.

Im Sommer verwandelt sich das Tal in ein Paradies für Wanderer und Bergsteiger. Über 350 Kilometer markierte Wege führen durch das Tal und die umliegenden Berge. Eine herausfordernde Mehrtagestour ist der Gasteiner Höhenweg, der auf rund 75 Kilometern das gesamte Tal umrundet. Leichtere Alternativen gibt's zuhauf: Der Weg zum Reedsee etwa, einem malerischen Bergsee oberhalb von Bad Gastein, ist auch für Familien gut machbar.

Wem das alles zu anstrengend ist, der kann vom lauschigen Örtchen Böckstein aus mit der Tauernbahn durch den Tauerntunnel nach Mallnitz fahren und von dort die karnische Alpenseite erkunden – zwei völlig verschiedene Landschaften an einem Tag!

Kulinarische Entdeckungen zwischen Tradition und Moderne

Nach aktiver Bewegung meldet sich früher oder später der Hunger. Da kommt die bodenständige Alpenküche gerade recht. In den urigen Gasthäusern des Tals bekommt man von deftigen Kasnocken (eine Art Spätzle mit Käse) bis zum klassischen Tafelspitz alles, was das Herz begehrt. Die Belohnung nach einer Wanderung auf einer der zahlreichen Almen: frische Buttermilch und selbstgemachter Käse direkt vom Erzeuger. In der Himmelwandhütte auf 2.000 Metern schmeckt die Brettljause irgendwie doppelt so gut – muss an der Höhenluft liegen.

Aber auch die gehobene Küche kommt nicht zu kurz. In Bad Gastein hat sich in den letzten Jahren eine kleine, aber feine Gastro-Szene entwickelt. Im Restaurant des Hotels Miramonte etwa wird alpine Küche neu interpretiert, mit regionalen Produkten und kreativen Ideen. Das Wirtshaus Bellevue bietet nicht nur einen famosen Blick auf den Wasserfall, sondern auch bodenständige Klassiker in hoher Qualität.

Eine lokale Besonderheit, die man unbedingt probieren sollte, ist der "Gasteiner Glücksfall" – ein Kräuterlikör, der mit Extrakten aus 33 Alpenkräutern hergestellt wird. Die örtliche Brennerei bietet Führungen an, bei denen man die Herstellung kennenlernen kann. Nichts für Zartbesaitete, aber ein authentisches Stück Gasteiner Kultur!

Leben und Kulturelles abseits des Mainstreams

Was Bad Gastein von anderen Alpenorten unterscheidet, ist seine lebendige Kunst- und Kulturszene. Seit einigen Jahren zieht der etwas heruntergekommene Charme des Ortes kreative Köpfe an, die hier neue Projekte starten. Das Festival "sommer.frische.kunst" etwa bespielt leerstehende Hotels mit Ausstellungen und Performances. Auch das "Montanistische Museum" in Böckstein ist einen Abstecher wert – es dokumentiert die Goldgräberzeit im Tal.

Im Winter sorgt das "Sound & Snow"-Festival für elektronische Beats im Schnee. Eine kuriose Mischung, die aber erstaunlich gut zum Charakter des Orts passt. Überhaupt haben viele Lokale und Hotels eine spannende Geschichte zu erzählen. Das Grand Hotel de l'Europe etwa beherbergte einst den persischen Schah, der hier inkognito badete. Auch der spätere Fan der Gegend, Kaiser Franz Joseph, nächtigte hier.

Für Architekturfans ist der Ort ein wahres Freilichtmuseum. Besonders spannend: die Wandelhalle aus den 1960er Jahren, ein brutalistisches Betonmonster, das mittlerweile unter Denkmalschutz steht. Der Kontrast zu den verschnörkelten Jugendstilbauten könnte krasser nicht sein. Auch das ehemalige Kraftwerk, ein imposanter Bau aus den 1920er Jahren, ist einen Blick wert.

Praktische Informationen und Insider-Tipps

Die beste Reisezeit für das Gasteinertal hängt stark von deinen Plänen ab. Für Skifahrer ist die Zeit von Dezember bis März ideal, wobei die Schneesicherheit dank der Höhenlage bis in den April hinein gegeben ist. Für Wanderer und Thermenbesucher empfehlen sich die ruhigeren Monate Mai/Juni oder September/Oktober. Im Hochsommer kann es auf manchen Wanderwegen recht voll werden.

Die Anreise erfolgt am einfachsten mit der Bahn bis Bad Gastein oder Bad Hofgastein. Der nächste größere Flughafen ist Salzburg, von dort sind es etwa 90 Minuten mit dem Auto. Im Tal selbst kommt man mit Bus und Bahn gut voran, für abgelegene Ziele empfiehlt sich allerdings ein Mietwagen.

Bei der Unterkunftswahl hat man die Qual der Wahl: von luxuriösen Wellnesshotels über gemütliche Pensionen bis hin zu einfachen Ferienwohnungen ist alles dabei. Einen besonderen Charme haben die renovierten historischen Hotels in Bad Gastein, wie etwa das Miramonte oder das Hotel Weismayr, beide mit direktem Blick auf den Wasserfall.

Ein echter Geheimtipp für Wasserratten: Das "Gasteiner Heilwasser" kann man auch trinken – allerdings in Maßen. An den öffentlichen Trinkbrunnen im Tal kann man es kostenlos probieren. Geschmacklich gewöhnungsbedürftig, aber angeblich gesund!

Wer auf der Suche nach einem ungewöhnlichen Souvenir ist: In der kleinen Manufaktur "Gasteiner Kräuterhex" werden traditionelle Heilmittel wie Latschenkieferöl oder Arnikasalbe nach alten Rezepten hergestellt. Nicht nur ein Mitbringsel, sondern auch ein Stück lokalem Wissen.

Das Gasteinertal im Wandel der Zeit

Das Tal durchlebte in den letzten Jahrzehnten einen tiefgreifenden Wandel. Vom mondänen Kurort der Kaiserzeit über eine zwischenzeitliche Flaute bis hin zur heutigen Neupositionierung zwischen Wellness, Sport und Kultur war es ein langer Weg. Manches, wie der einstige Glanz von Bad Gastein, ist verloren gegangen, anderes wie die therapeutische Qualität des Thermalwassers ist geblieben.

Aktuell scheint das Tal einen spannenden Spagat zu schaffen: Einerseits bewahrt es sein historisches Erbe und die Tradition als Kurort, andererseits öffnet es sich für neue Ideen und Besuchergruppen. Die einzigartige Kombination aus alpiner Landschaft, heilendem Wasser und historischer Bausubstanz macht das Gasteinertal zu einem Ort, der sich wohltuend von den durchgestylten Tourismushochburgen anderswo abhebt.

Wer das ursprüngliche Österreich sucht, abseits des Massentourismus, aber mit exzellenter Infrastruktur, ist hier genau richtig. Das Gasteinertal hat seinen ganz eigenen Rhythmus – etwas langsamer, etwas eigensinniger, aber gerade deshalb authentisch. Für manche mag der leichte Hauch von Patina, der über Bad Gastein liegt, ein Manko sein. Für andere ist genau das der besondere Charme des Ortes: ein Stück Zeitreise mit modernem Komfort.

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