Bayern

Wandern im Zeitlupentempo: Der Meditationsweg in den Ammergauer Alpen

85 Kilometer durch die bayerischen Voralpen, aber diesmal ohne Höhenmeter-Hatz und Gipfelstress. Der Meditationsweg Ammergauer Alpen führt von der Wieskirche bis zum Märchenschloss Linderhof – und lehrt nebenbei die Kunst des langsamen Gehens.

Bayern  |  Natur & Aktivitäten
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Zwischenablage

Wer kennt das nicht: Man packt die Wanderstiefel, schnallt sich den Rucksack um und hetzt dann durch die Berge, als würde man für die Olympischen Spiele trainieren. Höhenmeter sammeln wie Briefmarken, Gipfel abhaken wie eine To-do-Liste. Schön ist anders. Der Meditationsweg Ammergauer Alpen macht Schluss mit diesem Wahnsinn und zeigt, wie Wandern eigentlich gedacht war: als Entschleunigung, nicht als Extremsport.

Auf 85 Kilometern schlängelt sich die Route durch das sanfte Vorland der Ammergauer Alpen. Startpunkt ist die berühmte Wieskirche im Pfaffenwinkel, Endpunkt das märchenhafte Schloss Linderhof. Dazwischen liegen fünf bis acht Tagesetappen – je nachdem, wie gemütlich du es angehen möchtest. Und genau darum geht's: ums Gemütliche, ums Innehalten, ums bewusste Wahrnehmen.

Norbert Parucha, Achtsamkeits-Coach und Initiator des Weges, bringt es auf den Punkt: "Das Wichtigste ist, dass jeder seinen ganz persönlichen Schritt findet." Klingt esoterisch? Ist es aber nicht. Es geht schlicht darum, die Natur wieder mit allen Sinnen zu erleben, statt sie nur als Kulisse für den nächsten Instagram-Post zu missbrauchen.

Auf einen Blick:

Ausgangspunkt: Wieskirche (876 Meter)
Ziel: Schloss Linderhof (952 Meter)
Streckenlänge: rund 85 Kilometer
Höhenunterschied: 1100 Höhenmeter
Zeitbedarf: 5 bis 8 Tagesetappen
Web: www.ammergauer-alpen.de/meditationsweg

Von der Wieskirche zum Soiener See: Der sanfte Einstieg

Los geht's am UNESCO-Weltkulturerbe Wieskirche. Das barocke Juwel liegt auf 876 Metern und ist schon für sich ein Kraftort – auch wenn dieser Begriff mittlerweile etwas abgenutzt ist. Die erste Etappe führt nach Bad Bayersoien, einem freundlichen Örtchen mit bunt gestrichenen Häusern und dörflichem Flair. Hier trifft Ammer auf Soiener See, hier beginnt das erste Aha-Erlebnis.

Abends am Soiener See zu sitzen und einfach nur zu sein – wann macht man das schon mal? Die Frage stellt sich Kiki vom Instagram-Kanal "sowhatwetravel", und sie hat recht. Meist sind wir zu beschäftigt damit, Fotos zu machen, statt den Moment zu leben. Sanfte Hügel spiegeln sich im ruhigen Wasser, Wellen plätschern ans Ufer, Vögel zwitschern. Kitschig? Vielleicht. Aber auch verdammt entspannend.

Der idyllische Steg lädt zum Verweilen ein. Hier merkst du schon: Das wird anders als die üblichen Bergtouren. Keine Hektik, kein Druck. Zeit haben – das ist das eigentliche Ziel dieses Weges.

Durch Moorlandschaften zum Ammerdurchbruch: Natur pur

Weiter geht's entlang der Ammer durch herrliche Moorlandschaften. Insekten summen, der Wind rauscht durchs hohe Gras, kleine Wasserläufe plätschern vor sich hin. Irgendwo quakt ein Frosch. Solche Details nimmt man nur wahr, wenn man langsam unterwegs ist – und genau das ist der Punkt.

Höhepunkt dieser Etappe ist der Ammerdurchbruch Scheibum. Hier hat das tosende Wasser über Jahrtausende eine tiefe Schlucht in den Felsen geschliffen. Die hohen Felswände sind von Spalten und Rissen durchzogen, an manchen Stellen wachsen Moose und Farne. Ein Kraftort im wahrsten Sinne – hier spürst du förmlich das pulsierende Herz der Natur.

Entlang des Weges stehen immer wieder Inspirationstafeln mit kleinen Weisheiten. Manche finden das kitschig, andere hilfreich. Geschmackssache halt. Wichtiger sind ohnehin die eigenen Gedanken, die kommen und gehen, während die Füße einen Schritt vor den anderen setzen.

Das Hörnle: Täuschend schwer

Immer wieder gibt der Meditationsweg den Blick frei auf das heimliche Wahrzeichen der Ammergauer Alpen: die Hörnle-Gruppe. Drei nicht besonders hohe Gipfel, umgeben von grünen Wiesen. Sieht harmlos aus, ist es aber nicht. Was aus der Ferne sanft und leicht erscheint, entpuppt sich als steiler Aufstieg zum Mittleren Hörnle auf 1496 Meter.

Wer mag, kann ab Bad Kohlgrub die Hörnle-Schwebebahn nehmen. Keine Schande, ehrlich. Aber Chris und Kiki haben es trotzdem zu Fuß gemacht – "nicht, weil es uns auf die Leistung ankam, sondern weil uns das Gipfelerlebnis ein starkes Gefühl der Erfüllung gibt." Langsam und bedächtig natürlich. Wie es sich für Meditationswanderer gehört.

Oben auf der Hörnle-Hütte können sich Wanderer im Sommer wie im Winter stärken. Der Blick auf die Bergwelt ist spektakulär – und hat man sich erarbeitet, schmeckt das Bier gleich doppelt so gut.

Oberammergau und Ettal: Kultur im Programm

Der vierte Tag startet bewusst langsam vom Passionstheater in Oberammergau. Das Dorf ist berühmt für seine Lüftlmalereien und die alle zehn Jahre stattfindenden Passionsspiele. Auch wenn gerade keine Aufführung läuft – der Ort strahlt eine besondere Atmosphäre aus.

Auf dem Grottenweg geht's weiter zum Benediktinerkloster Ettal. Das imposante Kloster ist heute noch aktiv und beeindruckt mit seiner barocken Pracht. Hier lohnt sich ein Abstecher, auch wenn Meditation und Tourismus nicht immer beste Freunde sind.

Überhaupt ist der Meditationsweg kein einsamer Pfad durch die Wildnis. Man begegnet anderen Wanderern, passiert Dörfer und Sehenswürdigkeiten. Das gehört dazu – schließlich führt der Weg auch durch eine Kulturlandschaft, die seit Jahrhunderten vom Menschen geprägt ist.

Finale grande: Schloss Linderhof

Am letzten Tag führt der Weg durch das Naturschutzgebiet Weidmoos. Der Blick auf die Alpen ist beeindruckend – kein Wunder, dass schon Maximilian II., der Vater von König Ludwig, diese Gegend als Sehnsuchtsort wählte. Das malerische Hochmoor geht langsam in Wiesen über, die von glucksenden Bächen durchzogen werden.

Dann, am Ende des wildromantischen Graswangtals, lichtet sich die Natur. Schloss Linderhof taucht auf mit seinen goldenen Türmchen und dem weitläufigen Park. Märchenhaft und unwirklich – ein Ort, an dem Zeit schon immer keine Rolle gespielt hat. Passender könnte das Ende einer Meditationswanderung nicht sein.

Schloss Linderhof ist übrigens das einzige Schloss, das König Ludwig II. vollständig fertigstellen konnte. Ein Glücksfall für uns – heute können wir den Prunk und die Pracht in Ruhe bewundern und über die Vergänglichkeit königlicher Träume sinnieren.

Praktische Infos: Alles was du wissen musst

Der Meditationsweg ist bestens ausgeschildert und kann sowohl geführt als auch individuell erwandert werden. Wer sich ohne Guide auf den Weg macht, kann die Tour als Paket mit Übernachtungen und Gepäcktransport buchen. Praktisch – so muss man nicht den halben Hausstand mitschleppen.

Die Route besteht insgesamt aus 15 Sehenswürdigkeiten und Kraftorten, die auch individuell miteinander kombiniert werden können. Du musst also nicht die komplette Strecke absolvieren. Manche Tagesetappen sind zwischen 10 und 15 Kilometer lang – auch das ist variabel.

Man muss kein erfahrener Bergfex sein, um die Tour zu schaffen. Die wichtigsten Voraussetzungen sind Freude an der Natur und Lust auf Bewegung. Und natürlich die Bereitschaft, das Tempo zu drosseln.

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