Manchmal braucht es gar keine spektakulären Felstürme oder Gletscher, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Die Nockalmstraße in den Kärntner Nockbergen beweist das eindrucksvoll. Diese 35 Kilometer lange Panoramastraße verbindet Innerkrems im Liesertal mit Ebene Reichenau im Katschtal und führt dabei durch eine Landschaft, die so sanft daherkommt wie sonst kaum eine in den Alpen.
Gebaut wurde die mautpflichtige Straße zwischen 1976 und 1981, ursprünglich als touristische Erschließung gedacht. Heute zählt sie zu den schönsten Gebirgsstraßen Österreichs, auch wenn sie deutlich ruhiger ist als ihre berühmten Geschwister wie die Großglockner Hochalpenstraße. Das liegt nicht zuletzt an der Tatsache, dass hier oben kein Durchgangsverkehr herrscht - wer die Nockalmstraße fährt, macht das bewusst.
Spannend ist dabei vor allem die Geologie. Die Nockberge bestehen größtenteils aus kristallinen Gesteinen, die über Millionen von Jahren zu den charakteristischen "Nocken" - den sanft gerundeten Bergkuppen - verwittert sind. Das verleiht der ganzen Region ihren unverwechselbaren Charakter: weich, wellig, fast meditativ.
Der Weg ist das Ziel
Die Route startet im Tal auf etwa 1.000 Metern Seehöhe und schraubt sich gemächlich auf maximal 2.042 Meter hinauf. Dabei passiert man zunächst noch dichte Wälder aus Fichten und Lärchen, bevor sich die Landschaft zusehends öffnet. Ab etwa 1.500 Metern beginnt das Reich der Almwiesen - und hier zeigt sich die Nockalmstraße von ihrer schönsten Seite.
Anders als bei vielen anderen Alpenstraßen geht es hier nicht um möglichst viele Höhenmeter in kurzer Zeit. Die Steigungen sind moderat, die Kurven weit geschwungen. Das macht die Fahrt entspannt, auch für weniger geübte Bergfahrer. Motorradfahrer schätzen die Strecke besonders, weil sie technisch nicht allzu anspruchsvoll ist, aber trotzdem genug Abwechslung bietet.
Unterwegs laden zahlreiche Aussichtspunkte zum Anhalten ein. Manche sind ausgeschildert, andere findet man eher zufällig - kleine Parkbuchten am Straßenrand, von denen aus sich unvermittelt weite Blicke ins Tal oder zu den benachbarten Bergketten auftun. Besonders eindrucksvoll ist der Blick vom Speiereck auf die Hohen Tauern im Norden.
Almen ohne Ende
Was die Nockalmstraße besonders macht, sind die unzähligen Almflächen, die sie durchquert. Zwischen Juni und September, wenn das Vieh auf den Bergweiden steht, herrscht hier oben reges Treiben. Kühe mit ihren melodischen Glocken, Schafe, die sich gemächlich über die Hänge bewegen, und dazwischen immer wieder urige Almhütten, von denen viele bewirtschaftet sind.
Die Zirbitzkogelalm auf etwa 1.800 Metern ist ein beliebter Stopp. Hier gibt's deftige Kärntner Kost: Almkäse, Speck, hausgemachte Knödel und - wenn man Glück hat - frische Buttermilch direkt von der Alm. Der Wirt, ein gemütlicher Kärntner Mitte fünfzig, erzählt gerne von den alten Zeiten, als die Straße noch nicht da war und alles zu Fuß oder mit dem Traktor transportiert werden musste.
Auch die Pfannock-Alm ist einen Abstecher wert. Sie liegt etwas abseits der Hauptroute, ist aber über einen kurzen Wanderweg erreichbar. Der Käse hier stammt noch aus eigener Produktion, und wer Glück hat, kann beim Melken zusehen. Für Kinder ein echtes Erlebnis.
Flora und Fauna am Wegesrand
Die Nockberge sind Teil des Biosphärenparks Nockberge, was sich in der außergewöhnlichen Artenvielfalt zeigt. Bereits während der Fahrt fallen die verschiedenen Vegetationszonen auf. In den tieferen Lagen dominieren noch typische Waldpflanzen wie Heidelbeeren und Preiselbeeren. Weiter oben machen sich dann die Spezialisten der Almregion breit.
Besonders auffällig sind im Frühjahr die großen Flächen mit Almrausch - dem rosa blühenden Rhododendron, der hier "Steinrosen" genannt wird. Ende Mai, Anfang Juni verwandeln diese Sträucher ganze Hänge in ein rosa Blütenmeer. Dazu gesellen sich Alpenrosen, Enzian in verschiedenen Varianten und unzählige andere Alpenblumen.
Wer aufmerksam ist, entdeckt auch die tierischen Bewohner. Murmeltiere sind hier oben häufig und machen durch ihre charakteristischen Pfiffe auf sich aufmerksam. Mit etwas Glück lassen sich auch Gämsen beobachten, die an den steilen Grashängen äsen. Steinadler kreisen regelmäßig über den Gipfeln, und in den frühen Morgenstunden oder am späten Abend kann man sogar Rotwild antreffen.
Wandern und mehr
Die Nockalmstraße ist nicht nur für Autofahrer interessant. Sie erschließt auch ein weitläufiges Wandergebiet, das von gemütlichen Spaziergängen bis hin zu anspruchsvollen Gipfeltouren alles bietet. Viele der Wanderungen starten direkt von der Straße aus, was die Anfahrtswege kurz hält.
Ein Klassiker ist die Wanderung zum Speiereck auf 2.307 Meter. Der Gipfel ist von der Straße aus in etwa eineinhalb Stunden zu erreichen und bietet einen grandiosen Rundblick. Bei klarem Wetter reicht die Sicht bis zu den Hohen Tauern im Norden und den Karawanken im Süden. Der Weg ist gut markiert und auch für Familien mit größeren Kindern machbar.
Gemütlicher geht es auf dem Nockalm-Panoramaweg zu, der größtenteils auf der Höhe der Straße verläuft und durch die schönsten Almgebiete führt. Hier kann man stundenlang wandern, ohne nennenswerte Höhenmeter zu sammeln - perfekt für alle, die die Berglandschaft genießen wollen, ohne sich zu verausgaben.
Mountain-Biker finden ebenfalls ihr Terrain. Mehrere markierte Routen führen von der Straße weg in die umliegenden Täler. Besonders beliebt ist die Abfahrt ins Katschtal, die aber nur für geübte Fahrer geeignet ist. Wer es gemächlicher mag, kann auf den Almwegen rund um die Straße seine Runden drehen.
Praktische Hinweise
Die Nockalmstraße ist von Mai bis Oktober geöffnet, wobei die genauen Termine wetterabhängig sind. In schneereichen Wintern kann die Öffnung auch mal bis in den Juni hinein dauern. Eine Maut wird erhoben - derzeit kostet die Durchfahrt für Pkw um die 18 Euro, für Motorräder entsprechend weniger. Das mag auf den ersten Blick viel erscheinen, aber angesichts der Instandhaltungskosten in dieser Höhenlage ist es durchaus gerechtfertigt.
Wichtig zu wissen: An beiden Enden der Straße gibt es Mautstellen, bezahlt wird aber nur einmal. Das Ticket gilt für die komplette Durchfahrt in beide Richtungen. Wer mehrere Tage in der Region verbringen möchte, kann auch Mehrtageskarten kaufen, die sich schnell rentieren.
Tankstellen gibt's auf der Strecke keine, also sollte man mit vollem Tank starten. Das gilt besonders für Motorradfahrer, die gerne mal vergessen, wie durstig ihre Maschinen in den Bergen werden können. Auch Verpflegung sollte man dabeihaben, auch wenn die Almhütten meist geöffnet sind - sicher ist sicher.
Übernachtungsmöglichkeiten direkt an der Straße sind rar. Wer nicht ins Tal zurückfahren möchte, kann sich nach einer der wenigen Almhütten umsehen, die auch Zimmer vermieten. Die Zirbitzkogel-Hütte bietet einfache, aber saubere Unterkünfte und ist besonders bei Wanderern beliebt. Reservierung ist allerdings Pflicht, vor allem in der Hauptsaison.
Wetter und beste Reisezeit
Das Wetter in den Nockbergen kann schnell umschlagen, auch im Sommer. Morgens strahlender Sonnenschein, mittags dichte Wolken und am Nachmittag ein kräftiger Regenschauer - das ist hier ganz normal. Eine wetterfeste Jacke sollte daher immer dabei sein, auch wenn man nur eine kurze Fahrt plant.
Die beste Zeit für die Nockalmstraße ist von Juni bis September. Im Juni blüht der Almrausch, im Juli und August ist das Wetter am stabilsten, und im September zeigt sich der Herbst von seiner schönsten Seite. Die Lärchen färben sich golden, die Luft ist klar, und oft ist das Wetter sogar stabiler als im Hochsommer.
Früh am Morgen oder am späten Nachmittag ist die Straße am schönsten. Dann steht die Sonne tief, taucht die Almwiesen in warmes Licht und lässt die sanften Konturen der Nockberge besonders weich erscheinen. Außerdem ist dann deutlich weniger Verkehr, und man hat die Aussichtspunkte oft für sich allein.