Inmitten der Schladminger Tauern, nur einen Steinwurf von der bekannten Wintersportmetropole Schladming entfernt, versteckt sich eine Landschaft, die wie aus einem Bilderbuch der Alpen stammen könnte. Die Giglachseen – bestehend aus dem Großen und dem Kleinen Giglachsee – bilden das Herzstück einer hochalpinen Seenregion auf rund 1.900 Metern Höhe. Mit ihrem tiefblauen bis türkisfarbenen Wasser, das je nach Lichteinfall seine Farbe ändert, sind sie ein lohnendes Ziel für alle, die das besondere Wandererlebnis suchen.
Eingebettet zwischen dem mächtigen Gipfel des Giglachkogels (2.233 m) im Westen und den sanfteren Erhebungen des Znachsattels im Osten, bieten die Seen ein Landschaftsbild, das in den Ostalpen seinesgleichen sucht. Die Niederen Tauern zeigen sich hier von einer überraschend wilden Seite – schroff und weich zugleich, mit steil aufragenden Felswänden und sanft geschwungenen Almwiesen, die im Sommer in allen erdenklichen Grüntönen leuchten. Direkt am Ufer des Großen Giglachsees thront die Ignaz-Mattis-Hütte, eine traditionelle Schutzhütte, die zum Verweilen einlädt und für hungrige Wanderer warme Mahlzeiten bereithält.
Die Rundwanderung, die beide Seen erschließt, ist mehr als nur ein Spaziergang – sie ist eine vollwertige alpine Tagestour, die bei guter Kondition etwa 5-6 Stunden reine Gehzeit in Anspruch nimmt. Der Höhenunterschied hält sich mit etwa 650 Metern in Grenzen, aber die Strecke hat es stellenweise durchaus in sich. Einige ausgesetzte Passagen und schmale Pfade verlangen Trittsicherheit und ein gewisses Maß an Schwindelfreiheit. Trotzdem gilt die Tour als mittelschwer und ist für geübte Wanderer sowie ambitionierte Anfänger mit entsprechender Grundkondition gut machbar.
Anreise und Ausgangspunkt – wo die Wanderung beginnt
Die Anreise nach Schladming erfolgt entweder mit dem Auto über die A9 Pyhrnautobahn (Ausfahrt Liezen oder Treglwang) und weiter über die B320 nach Schladming. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist Schladming gut per Bahn erreichbar – der Bahnhof liegt direkt an der Ennstal-Strecke. Von dort verkehren im Sommer regelmäßig Busse ins Untertal bis zum eigentlichen Ausgangspunkt der Wanderung.
Der klassische Startpunkt für die Giglachseen-Rundwanderung ist die Ursprungalm im hinteren Untertal, etwa 15 Kilometer von Schladming entfernt. Bis hierher führt eine gebührenpflichtige Mautstraße (rund 8 Euro pro PKW), die von Ende Mai bis Oktober befahrbar ist. Wer früher am Tag unterwegs ist, findet in der Regel noch einen der begehrten Parkplätze. Ab 9 Uhr wird's eng - zumal an Wochenenden und in der Hauptsaison. Alternativ kannst du aber auch das Auto in Hopfriesen abstellen und mit dem Wanderbus zur Ursprungalm fahren oder gleich die zusätzlichen vier Kilometer zu Fuß zurücklegen.
Die Ursprungalm selbst liegt bereits auf 1.604 Metern Höhe und bietet mit ihrem gleichnamigen Gasthof die erste Einkehrmöglichkeit vor oder nach der Tour. Von hier aus ist der imposante Talschluss mit dem markanten Höchstein (2.543 m) bereits gut zu sehen – ein Vorgeschmack auf die alpine Szenerie, die dich erwartet.
Die Route im Detail – Schritt für Schritt zum Seenerlebnis
Von der Ursprungalm führt der gut markierte Weg Nr. 773 zunächst leicht ansteigend durch lichten Lärchenwald. Nach etwa 20 Minuten lichtet sich der Wald zusehends, und der Pfad verläuft über blumenreiche Almwiesen, auf denen im Frühsommer unzählige Alpenblumen blühen. Besonders der gelbe Enzian und verschiedene Orchideenarten fallen ins Auge. Der Weg schlängelt sich nun steiler bergauf, wobei immer wieder Ausblicke auf die umliegenden Berggipfel möglich sind.
Nach knapp eineinhalb Stunden steiler Steigung erreicht man die Giglachseehütte am Ufer des Kleinen Giglachsees auf 1.922 Metern Höhe. Hier lohnt sich der erste ausgiebige Halt – nicht nur wegen der Einkehrmöglichkeit, sondern weil sich von hier ein fantastischer Blick auf den kleineren der beiden Giglachseen bietet. Die mit Alpengras bewachsenen Ufer spiegeln sich im klaren Wasser, während sich im Hintergrund die markanten Gipfel der Schladminger Tauern erheben.
Von der Giglachseehütte aus führt der Weg am westlichen Ufer des Kleinen Giglachsees entlang und steigt dann über einen steilen, felsigen Abschnitt zum Verbindungssattel zwischen den beiden Seen auf. Dieser Teil der Route erfordert etwas Vorsicht, besonders bei Nässe oder Schneeresten, die hier bis in den Juli hinein liegen können. Oben angekommen öffnet sich der Blick auf den deutlich größeren Großen Giglachsee, der in einem natürlichen Felskessel eingebettet liegt. Seine Wasseroberfläche changiert je nach Lichtverhältnissen zwischen Tiefblau und Türkis – ein Schauspiel, das jede Anstrengung des Aufstiegs vergessen lässt.
Der Weg führt nun am nördlichen Ufer des Großen Giglachsees entlang, wobei das Gelände hier deutlich alpiner wird. Massive Geröllfelder und Blockwerk zeugen vom einstigen Gletschergeschehen in dieser Region. Nach etwa 30 Minuten erreicht man schließlich die am Ostufer gelegene Ignaz-Mattis-Hütte, die mit ihrer exponierten Lage direkt am See zu den schönsten Hüttenstandorten der gesamten Ostalpen zählt.
Die Ignaz-Mattis-Hütte – gemütliche Rast mit Panoramaaussicht
Auf 1.986 Metern Seehöhe erhebt sich die Ignaz-Mattis-Hütte wie ein alpiner Wachposten über dem Großen Giglachsee. Die Schutzhütte des Österreichischen Alpenvereins (Sektion Austria) wurde nach dem Bergsteiger und langjährigen Vorsitzenden der Sektion benannt und existiert in ihrer heutigen Form seit den 1980er Jahren. Vorher stand hier bereits seit 1925 eine deutlich kleinere Unterkunft.
Das Hüttengebäude mit seinem charakteristischen roten Dach und der gemütlichen Sonnenterrasse bietet einen idealen Rastplatz für hungrige und durstige Wanderer. Die Hütte ist in der Regel von Anfang Juni bis Ende September bewirtschaftet, abhängig von den Wetterbedingungen und der Schneelage im Frühjahr. Bei der Einkehr solltest du unbedingt die regionalen Spezialitäten probieren – besonders die hausgemachten Kasnocken mit frischem Bergkäse oder die deftige Hüttenpfanne haben schon so manchem Wanderer neue Kräfte verliehen. Dazu ein Glas Most oder ein kühles Schladminger Bier – mehr braucht's nicht für die perfekte Mittagspause.
Die Terrasse der Hütte bietet dabei einen grandiosen Panoramablick: Im Westen erhebt sich der kantige Giglachkogel, im Süden thront die markante Kalkspitze (2.459 m), und im Norden schweift der Blick über den Großen Giglachsee mit seinen schwimmenden Wolkenspiegelungen. Wer eine längere Pause einlegt, kann zudem mit etwas Glück Murmeltiere beobachten, die in der näheren Umgebung der Hütte ihre Baue haben und bei ruhigem Verhalten oft recht zutraulich sind. Ihr charakteristischer Pfiff hallt dann durch die Berglandschaft und vermischt sich mit dem sanften Plätschern des Seewassers am Ufer.
Für diejenigen, die mehr als nur eine Tagestour unternehmen möchten, bietet die Hütte auch Übernachtungsmöglichkeiten in Mehrbettzimmern und Lagern. Eine rechtzeitige Reservierung – besonders an Wochenenden – ist allerdings dringend anzuraten, da die Betten heiß begehrt sind.
Die Rückkehr – Varianten für den Abstieg
Für den Rückweg zur Ursprungalm bieten sich verschiedene Varianten an, wobei die klassische Rundtour über den Znachsattel führt. Nach der Stärkung auf der Ignaz-Mattis-Hütte folgt man dem gut markierten Weg Nr. 702 in östlicher Richtung. Der Pfad steigt zunächst leicht an und führt dann über einen breiten Bergrücken zum Znachsattel auf 2.059 Metern Höhe. Dieser Abschnitt bietet noch einmal spektakuläre Ausblicke zurück auf die Giglachseen sowie nach Norden in Richtung Dachsteinmassiv.
Vom Znachsattel aus beginnt der Abstieg ins Untertal. Der Weg führt zunächst durch alpines Gelände, später durch Latschenkieferfelder und schließlich durch lichten Bergwald. Unterwegs kommt man an der Znachsattel-Hütte vorbei, die allerdings nicht durchgehend bewirtschaftet ist. Der Pfad wird allmählich breiter und geht schließlich in einen Forstweg über, der in mehreren Serpentinen zurück zur Ursprungalm führt.
Eine alternative Abstiegsroute bietet sich über die Duisitzkarseen an. Hierbei folgt man vom Großen Giglachsee aus dem Weg Nr. 774 in südlicher Richtung, der über einen weiteren Sattel zu den drei kleinen, aber nicht minder reizvollen Duisitzkarseen führt. Diese Route verlängert die Wanderung um etwa eine Stunde, belohnt jedoch mit weiteren spektakulären Bergseelandschaften, die deutlich weniger besucht sind als die Giglachseen selbst. Von den Duisitzkarseen aus führt der Weg steil und teilweise exponiert ins Duisitzkar und schließlich zurück zur Ursprungalm.
Für Bergerprobte gibt es noch die anspruchsvolle Variante über den Giglachkogel (2.233 m). Diese Route erfordert jedoch deutlich mehr Kondition, absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit, da teilweise weglose und ausgesetzte Passagen zu bewältigen sind. Sie sollte nur bei stabilen Wetterverhältnissen und ausreichender Erfahrung in Angriff genommen werden.
Flora und Fauna – natürliche Highlights am Wegesrand
Die Region um die Giglachseen bietet nicht nur landschaftliche Reize, sondern auch eine bemerkenswerte Artenvielfalt, die der besonderen Höhenlage und den unterschiedlichen Lebensräumen zu verdanken ist. In den tieferen Lagen dominieren artenreiche Bergwiesen und lichte Lärchen-Fichtenwälder. Hier blühen im Frühsommer Türkenbund, Arnika und verschiedene Enzianarten. Weiter oben, in der alpinen Stufe, findet man typische Hochgebirgspflanzen wie Silberwurz, Alpenmannstreu und die geschützte Edelraute.
Die Tierwelt ist nicht minder interessant. Mit etwas Glück und Geduld lassen sich neben den bereits erwähnten Murmeltieren auch Gämsen beobachten, die an den steilen Felshängen des Giglachkogels klettern. Steinadler ziehen manchmal ihre Kreise über dem Gebiet, und wer morgens früh unterwegs ist, kann am ehesten auf Alpenschneehuhn oder Birkhuhn treffen. In den klaren Gewässern der Giglachseen leben zudem Bergforellen, die allerdings streng geschützt sind und nicht beangelt werden dürfen.
Eine besondere ökologische Bedeutung kommt den sogenannten "Quellfluren" zu, die sich an mehreren Stellen entlang des Weges finden. Diese kleinen Feuchtgebiete, wo Quellwasser austritt und spezielle Pflanzengesellschaften bildet, beherbergen selten gewordene Arten wie den Alpen-Fettkraut und verschiedene Seggenarten. Sie stehen unter Naturschutz und sollten keinesfalls betreten werden.
Praktische Tipps und Hinweise für die perfekte Tour
Die beste Zeit für die Giglachseen-Rundwanderung liegt zwischen Mitte Juni und Ende September. In dieser Zeit sind die Wege in der Regel schneefrei, und die Hütten sind bewirtschaftet. Besonders reizvoll präsentiert sich die Landschaft Ende Juni, wenn die Alpenblumen in voller Blüte stehen, oder im September, wenn sich die ersten herbstlichen Farbtupfer ins Bergpanorama mischen und die Wanderwege deutlich ruhiger sind.
Trotz der relativen Nähe zu Schladming und der guten Erreichbarkeit handelt es sich bei der Giglachseen-Rundwanderung um eine hochalpine Tour, die entsprechende Ausrüstung erfordert. Feste Wanderschuhe mit Profilsohle sind ein Muss, ebenso wie wetterfeste Kleidung nach dem Zwiebelprinzip. Das Wetter kann in dieser Höhenlage schnell umschlagen, und selbst an sonnigen Sommertagen kann es empfindlich kalt werden, besonders wenn Wind aufkommt. Ein Regenschutz, Sonnenschutz (Creme, Brille, Kopfbedeckung) und ausreichend Trinkwasser (mindestens 1,5 Liter pro Person) sollten im Rucksack nicht fehlen.
Für unterwegs empfiehlt sich die Alpenvereinskarte "Schladminger Tauern" im Maßstab 1:50.000 oder die noch detailliertere "Freytag & Berndt WK 202" (Schladming - Ramsau am Dachstein - Haus im Ennstal) im Maßstab 1:50.000. Beide Karten zeigen alle relevanten Wege und Hütten im Gebiet. Als digitale Alternative bietet sich die App "Alpenvereinaktiv" an, die auch offline genutzt werden kann.
Ein letzter, aber wichtiger Hinweis betrifft den Naturschutz: Die Giglachseen liegen im Landschaftsschutzgebiet "Schladminger Tauern". Hier gelten besondere Regeln, um die empfindliche alpine Natur zu schützen. Bleib auf den markierten Wegen, nimm deinen Müll wieder mit ins Tal, und lass Pflanzen und Tiere ungestört. Das Zelten ist im gesamten Gebiet verboten, und Hunde müssen an der Leine geführt werden. Nicht zuletzt aufgrund dieser Schutzmaßnahmen präsentiert sich das Giglachseen-Gebiet noch immer als naturbelassenes Juwel in den Niederen Tauern.