Während man über die nördliche Brennerautobahn durch die Alpen nach Süden fährt, ändert sich die Atmosphäre spürbar. Die kantige Gebirgslandschaft wird sanfter, die Vegetation mediterraner, und plötzlich öffnet sich das Etschtal zu einem breiten Talkessel. Mittendrin liegt Trient oder Trento, wie die Italiener sagen – eine Stadt, die über Jahrhunderte hinweg den Übergang zwischen germanischer und italienischer Welt verkörperte. Die etwa 120.000 Einwohner zählende Hauptstadt des Trentino hat sich ihre historische Bedeutung bewahrt, ohne sich musealer Starre hinzugeben. In den Gassen der kompakten Altstadt pulst das Leben, während die umliegenden Gebirgszüge der Brenta-Dolomiten eine markante Kulisse bilden.
Trients Geschichte ist geprägt von seiner Lage an der wichtigen Nord-Süd-Verbindung über die Alpen. Als Bischofssitz seit dem 4. Jahrhundert genoss die Stadt lange Zeit eine gewisse Autonomie als Teil des Heiligen Römischen Reichs. Der Fürstbischof von Trient hatte beachtlichen Einfluss – davon zeugen noch heute prächtige Bauten und reiche Kunstsammlungen. Die wechselvolle Geschichte zwischen österreichischen und italienischen Einflüssen hat tiefe Spuren in der Architektur, aber auch in der mehrsprachigen Kultur hinterlassen. Viele Einwohner sprechen neben Italienisch auch heute noch Deutsch oder zumindest den lokalen trentinischen Dialekt, der manche deutsche Einflüsse aufweist.
Das historische Herz der Stadt
Der Piazza Duomo bildet das unbestrittene Zentrum des alten Trient. Der von eleganten Renaissancepalazzi gesäumte Platz ist ein erstklassiges Beispiel für die harmonische Verschmelzung von italienischer und mitteleuropäischer Baukunst. Beherrschend steht hier der romanische Dom San Vigilio, benannt nach dem Schutzpatron der Stadt. Der im 13. Jahrhundert begonnene und im 16. Jahrhundert vollendete Bau versprüht mit seiner rötlichen Fassade aus Trentiner Marmor einen warmen Charme. Im Inneren fesselt besonders die beeindruckende Rosette über dem Hauptportal den Blick. Der angrenzende Glockenturm, im Volksmund "Torre Civica" genannt, scheint über die Stadt zu wachen – man kann ihn besteigen und genießt von oben einen fantastischen Blick über die Altstadt und das gesamte Etschtal bis hin zu den Dolomitengipfeln.
Nicht übersehen sollte man den Neptunbrunnen in der Mitte des Platzes. Das barocke Wasserspiel aus dem 18. Jahrhundert bietet in den heißen Sommermonaten eine willkommene Erfrischung – zumindest für die Augen. Rings um den Platz reihen sich Cafés und Restaurants, die zum Verweilen einladen. Besonders schön: Frühmorgens, wenn der Platz noch fast menschenleer ist und die Sonne die alten Fassaden in ein goldenes Licht taucht. Der Kaffee schmeckt hier einfach besser als anderswo.
Vom Domplatz aus führen mehrere Straßen ins Gewirr der Altstadt. Die Via Belenzani ist dabei die prächtigste – eine wahre Galerie der Renaissance mit ihren farbig bemalten Fassaden. Wer genau hinschaut, entdeckt allerdings auch gotische Elemente an manchen Gebäuden. Diese Straße war einst die bevorzugte Adresse der Adligen und reichen Kaufleute. Die Palazzi Geremia und Thun zeugen vom Reichtum ihrer einstigen Bewohner. Heute beherbergen sie verschiedene städtische Einrichtungen und sind teilweise für Besucher zugänglich.
Das Konzil von Trient – Weichenstellung der Kirchengeschichte
Wer durch Trient spaziert, begegnet immer wieder den Spuren eines Ereignisses, das die Stadt weltberühmt machte: dem Konzil von Trient (1545-1563). Diese kirchliche Versammlung, die als Antwort auf die protestantische Reformation einberufen wurde, prägte nicht nur die katholische Kirche nachhaltig, sondern auch das Stadtbild. Zahlreiche Gebäude in Trient sind untrennbar mit diesem historischen Großereignis verbunden.
Die Santa Maria Maggiore Kirche gehört zu den wichtigsten Konzilsorten. Der Renaissancebau mit seiner charakteristischen rotbraunen Marmorfassade wurde speziell für die Konzilssitzungen ausgestattet. Innen überrascht die Kirche mit einer außergewöhnlichen Akustik – nicht zufällig, denn hier fanden während des Konzils regelmäßig musikalische Darbietungen statt. Die prachtvolle Orgel aus dem 16. Jahrhundert ist noch erhalten und erklingt bei besonderen Anlässen. Bei genauem Hinsehen entdeckt man an den Wänden Gedenktafeln, die an wichtige Konzilsteilnehmer erinnern. Die Kirche liegt etwas abseits vom touristischen Hauptstrom – ein Glück für Besucher, die hier oft ungestörte Momente der Stille finden können.
Wer sich tiefer mit der Konzilsgeschichte befassen möchte, dem sei das Diözesanmuseum im Palazzo Pretorio empfohlen. Hier werden nicht nur Dokumente und Kunstgegenstände aus der Konzilszeit ausgestellt, sondern auch die Auswirkungen dieser wichtigen kirchlichen Versammlung auf die europäische Geschichte beleuchtet. Das Museum ist zwar nicht übermäßig groß, bietet aber einen fundierten Überblick. Tafeln in deutscher, italienischer und englischer Sprache erleichtern das Verständnis. Besonders beeindruckend: die erhaltenen Sitzungsprotokolle und persönlichen Gegenstände einiger Konzilsteilnehmer.
Die Folgen des Tridentinischen Konzils waren weitreichend: Es definierte katholische Lehrsätze neu, reformierte den Klerus und legte den Grundstein für die Gegenreformation. Diese historische Bedeutung spiegelt sich auch in der baulichen Entwicklung Trients wider. Nach dem Konzil erlebte die Stadt eine Blütezeit, in der viele der heute noch bestehenden prächtigen Gebäude entstanden. Ein Rundgang durch die Altstadt ist somit immer auch eine Zeitreise in diese bedeutsame Epoche der Kirchengeschichte.
Castello del Buonconsiglio – Zitadelle der Macht
Am nordöstlichen Rand der Altstadt thront das Castello del Buonconsiglio – imposante Herrschaftsarchitektur und wichtigstes Wahrzeichen Trients zugleich. Mit seinen massiven Mauern, Türmen und weitläufigen Innenhöfen verkörpert es die weltliche Macht der Fürstbischöfe, die von hier aus über Jahrhunderte ihr Territorium regierten. Das Kastell ist keine einheitliche Anlage, sondern ein faszinierendes Konglomerat aus verschiedenen Bauphasen vom 13. bis zum 16. Jahrhundert.
Der älteste Teil ist der "Castelvecchio" mit seinem markanten Bergfried. Im Laufe der Zeit kamen immer neue Trakte hinzu, darunter der elegante Renaissancepalast "Magno Palazzo". Jeder Fürstbischof wollte dem Bauwerk seinen Stempel aufdrücken. Drinnen erwartet den Besucher ein wahres Feuerwerk der Kunstgeschichte: Fresken, Stuckarbeiten und prachtvolle Säle zeugen vom Reichtum und Kunstsinn der geistlichen Herrscher. Absolutes Highlight sind die Monatsbilder im "Adlerturm" – ein einzigartiger Freskenzyklus aus dem 15. Jahrhundert, der das mittelalterliche Leben in den verschiedenen Jahreszeiten darstellt. Erstaunlich detailreich und lebensnah werden hier höfische wie bäuerliche Szenen geschildert.
Das Castello beherbergt heute das Provinzmuseum für Kunst und Archäologie. Die Sammlungen umfassen prähistorische Funde aus der Region, römische Artefakte, mittelalterliche Skulpturen und eine beachtliche Gemäldegalerie. Besonders stolz ist man auf die römischen Mosaikfunde und die Sammlung mittelalterlicher Waffen. Der Rundgang durchs Museum ist gut organisiert, kann aber durchaus Zeit in Anspruch nehmen. Wer knapp bei Zeit ist, sollte sich auf die prachtvollen Gemächer und die Monatsbilder konzentrieren.
Von den Zinnen des Kastells bietet sich ein spektakulärer Blick über die Dächer der Altstadt bis hin zu den umliegenden Bergen. Man versteht sofort, warum die Fürstbischöfe diesen strategisch günstigen Standort wählten. An lauen Sommerabenden werden im Innenhof gelegentlich Konzerte veranstaltet – ein Kultur-Highlight, bei dem Geschichte und Gegenwart auf magische Weise verschmelzen. Der Burghof ist dann in stimmungsvolles Licht getaucht, und über den alten Mauern funkeln die Sterne – schöner kann man Trient kaum erleben.
Renaissance-Juwelen abseits der Hauptattraktionen
Wer sich von den Hauptsehenswürdigkeiten löst und durch die Nebengassen Trients streift, wird mit architektonischen Entdeckungen belohnt. Die Via Prepositura etwa beherbergt einige der ältesten erhaltenen Häuser der Stadt, darunter die Casa Cazuffi und die Casa Rella. Ihre bemalten Fassaden erzählen Geschichten aus der Mythologie und dem Alten Testament. Anders als in vielen italienischen Städten sind diese Fassadenmalereien hier nicht verblichen, sondern erstrahlen in kräftigen Farben – der sorgfältigen Restaurierung sei Dank.
Ein verstecktes Kleinod ist der Palazzo delle Albere am südwestlichen Stadtrand. Das befestigte Landhaus aus dem 16. Jahrhundert vereint Elemente einer Villa mit denen einer Festung. Der quadratische Grundriss mit den vier Ecktürmen erinnert an oberitalienische Kastelle, während die Innengestaltung bereits den Komfort einer Renaissancevilla bietet. Heut' beherbergt der Palazzo Wechselausstellungen und wird von einem hübschen Park umgeben. Meist verirren sich nur wenige Touristen hierher – schade eigentlich, denn die Anlage hat ihren eigenen Charme.
Die Renaissance hat in Trient tiefe Spuren hinterlassen, nicht nur in der Architektur. Das Castello del Buonconsiglio beherbergt eine beachtliche Sammlung Renaissance-Gemälde lokaler Meister, die den Einfluss venezianischer und deutschsprachiger Kunst gleichermaßen widerspiegeln. Diese kulturelle Dualität macht den besonderen Reiz der Trientiner Kunst aus. In den Kirchen der Stadt finden sich zudem hervorragende Beispiele für Renaissancealtäre und -kanzeln. Die Pfarrkirche San Pietro etwa besitzt einen prachtvollen Altar aus dieser Zeit, der unbedingt einen Besuch wert ist.
Kulinarische Entdeckungen zwischen Berg und Tal
Die Küche Trients spiegelt die geographische Lage der Stadt zwischen Alpen und Poebene wider. Sie vereint deftige Berggerichte mit leichteren mediterranen Einflüssen. In den traditionellen Trattorien und Osterias der Altstadt kann man diese kulinarische Vielfalt hautnah erleben. Typisch sind etwa die "Canederli" – Semmelknödel, die mit Speck oder Käse verfeinert werden. Sie erinnern an die Südtiroler Küche, werden hier aber oft in einer leichten Brühe serviert. Als erste Wahl gilt das "Ristorante al Duomo" nahe dem Dom, wo die Knödel nach einem jahrhundertealten Rezept zubereitet werden.
Einheimische schwören auf das "Tortel di patate" – eine Art Reibekuchen, der traditionell mit lokalen Wurstwaren und eingelegtem Gemüse serviert wird. Dazu passt hervorragend ein Glas Teroldego, der charaktervolle Rotwein aus dem nördlichen Trentino. Die Weinkultur spielt überhaupt eine große Rolle in der Region. Neben dem Teroldego sind vor allem die Weißweine aus den höheren Lagen bekannt für ihre frische Mineralität. Eine Weinkostprobe in einer der zahlreichen Enotecas der Stadt gehört zum Pflichtprogramm. Besonders zu empfehlen ist die "Enoteca Grado 12" in einer Seitengasse nahe dem Domplatz – nicht nur wegen der exzellenten Weinauswahl, sondern auch wegen der fachkundigen Beratung durch den Besitzer.
Die Lage Trients inmitten von Obstgärten und Weinbergen sorgt für frische Zutaten in der lokalen Küche. Auf dem Markt, der dienstags und samstags auf der Piazza Fiera stattfindet, kann man regionale Spezialitäten direkt von den Erzeugern kaufen. Von Apfelprodukten über Bergkäse bis hin zu Honig und Grappa – hier findet sich alles, was die Region kulinarisch zu bieten hat. Ein Tipp: Die "Strudel di mele", die Trentiner Variante des Apfelstrudels, unterscheidet sich von der Tiroler Version durch die Zugabe von Pinienkernen und gelegentlich auch Rosinen. Am besten schmeckt er im Café Pasticceria Bertoldi, das seit 1893 besteht und ein Stück Trientiner Geschichte verkörpert.
Praktische Informationen für den Besuch
Die kompakte Größe der Trientiner Altstadt macht sie ideal für eine Erkundung zu Fuß. Die meisten Sehenswürdigkeiten liegen innerhalb eines Radius von etwa einem Kilometer und sind gut zu erlaufen. Vom Bahnhof zum Domplatz sind es etwa 15 Minuten zu Fuß. Für weiter entfernte Ziele gibt es ein gutes Busnetz. Tickets kann man in Tabakläden oder an Automaten kaufen und müssen beim Einsteigen entwertet werden.
Für einen Besuch des Castello del Buonconsiglio sollte man mindestens zwei Stunden einplanen, besser noch einen halben Tag, wenn man auch die Museumssammlungen anschauen möchte. Der Eintritt kostet 10 Euro, dienstags ist der Preis reduziert. Im Winter sind die Öffnungszeiten eingeschränkt. Fotografieren ist im Inneren größtenteils erlaubt, aber ohne Blitz.
Die beste Reisezeit für Trient sind die Monate Mai bis Oktober. Im Hochsommer kann es in der Stadt durchaus heiß werden, dafür bieten die umliegenden Berge dann angenehme Frische. Der Herbst lockt mit angenehmen Temperaturen und kulinarischen Highlights wie der Weinlese. Nicht zu unterschätzen ist Trient als Winterziel – besonders in der Adventszeit verzaubert der Weihnachtsmarkt auf dem Domplatz mit seinem alpinen Flair.
Als Unterkunft empfehlen sich die kleinen Hotels und B&Bs in der Altstadt. Das "Hotel Aquila d'Oro" etwa liegt nur einen Steinwurf vom Dom entfernt und ist in einem historischen Gebäude untergebracht. Wer's moderner mag, findet am Stadtrand größere Hotelneubauten mit mehr Komfort, aber weniger Charme. Eine interessante Alternative sind Agriturismi im Umland – landwirtschaftliche Betriebe mit Gästezimmern, die oft auch eigene Produkte anbieten.
Ausflüge in die Umgebung
Trient eignet sich hervorragend als Basis für Ausflüge in die nähere Umgebung. Nur wenige Kilometer östlich der Stadt liegt der türkisblaue Caldonazzosee – ein beliebtes Ziel für Badeausflüge und Wassersport. An seinen Ufern finden sich mehrere gut ausgestattete Strandbäder und gemütliche Restaurants.
Ein Muss für Geschichtsinteressierte ist das etwa 25 Kilometer nördlich gelegene Schloss Thun. Die mittelalterliche Burg thront majestätisch über dem Nonstal und beherbergt heute ein Museum mit einer beeindruckenden Sammlung von Rüstungen und Möbeln. Der Blick von den Burgmauern auf die umliegenden Apfelplantagen und Berggipfel ist atemberaubend.
Naturliebhaber zieht es in den Naturpark Adamello-Brenta westlich von Trient. Hier leben noch Braunbären, und zahlreiche Wanderwege führen durch eine eindrucksvolle Berglandschaft. Die Fahrt dorthin führt durch das malerische Judikarien-Tal mit seinen kleinen Dörfern und Burgen.
Weinfreunde sollten unbedingt die "Strada del Vino" – die Weinstraße des Trentino – erkunden. Sie führt von Trient aus nach Süden durch die Weinbaugebiete der Region. Zahlreiche Weingüter laden zur Verkostung ein, und in den Dörfern entlang der Route finden sich urige Gasthäuser, die regionale Spezialitäten anbieten.
Ein Geheimtipp ist das Valle dei Laghi nordwestlich von Trient – ein verstecktes Tal mit mehreren kleinen Seen und mittelalterlichen Dörfern. Hier wird der "Vino Santo" produziert, ein exzellenter Dessertwein. Das Mikroklima des Tals erlaubt zudem den Anbau von Olivenbäumen – eine Seltenheit in dieser alpinen Region.