Italien

Reinhold Messners Bergwelt erleben: Das dezentrale Messner Mountain Museum

Zwischen schroffen Gipfeln und mittelalterlichen Mauern hat der legendäre Extrembergsteiger Reinhold Messner seine Bergphilosophie in Stein gemeißelt. Seine sechs Museen sind keine gewöhnlichen Ausstellungsräume, sondern Orte des Dialogs zwischen Mensch und Berg.

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Zwischenablage

Reinhold Messner – der Name steht für alpinistische Meilensteine und kompromisslose Bergphilosophie. Der Südtiroler, der als erster Mensch alle 14 Achttausender ohne künstlichen Sauerstoff bezwang, schuf zwischen 2003 und 2015 ein ungewöhnliches Kulturprojekt: Das Messner Mountain Museum (MMM), eine Komposition aus sechs thematisch unterschiedlichen Standorten, verteilt über die Berglandschaft Südtirols und des angrenzenden Belluno. Keine Ansammlung verstaubter Erinnerungsstücke, sondern durchdachte architektonische Eingriffe in die Landschaft, die den Dialog zwischen Mensch und Berg auf verschiedenen Ebenen inszenieren.

Die Museen folgen einem klaren Konzept: Sie erzählen nicht primär von Messners Expeditionen, sondern reflektieren die Bedeutung der Berge für die menschliche Kulturgeschichte. Dabei ergänzen sich die sechs Standorte wie Mosaiksteine zu einem Gesamtbild. Drei davon stechen besonders hervor – Firmian als Herzstück, Dolomites hoch über den Wolken und Juval als persönlichster Ort des Bergsteigers.

MMM Firmian – Das zentrale Herzstück auf Schloss Sigmundskron

Majestätisch thront Schloss Sigmundskron über dem Etschtal, nur wenige Kilometer von Bozen entfernt. Die ehemalige Burganlage aus dem 10. Jahrhundert bildet seit 2006 mit dem MMM Firmian das Herzstück der Museumsfamilie. Hier geht's um den Dialog zwischen Mensch und Berg – ein Thema, das der Architekt Werner Tscholl auf faszinierende Weise umgesetzt hat. Statt die historischen Mauern zu überwältigen, schuf er einen zurückhaltenden Dialog zwischen alt und neu: Stahl, Glas und Beton fügen sich respektvoll in die mittelalterliche Substanz ein.

Der Rundgang durch Firmian folgt keiner chronologischen Ordnung. Stattdessen verteilen sich die Ausstellungsbereiche wie organisch gewachsen über das weitläufige Areal. In der Weißen Burg dreht sich alles um Fels und Gipfel. Die Geologie der Berge steht hier ebenso im Fokus wie ihre religiöse Bedeutung als Sitz der Götter. Besonders eindrucksvoll: die Sammlung sakraler Kunst aus verschiedenen Bergregionen der Welt – tibetische Thangkas neben christlichen Darstellungen von Bergheiligen.

Im Bergfried erwarten dich Exponate zur Erschließung der Alpen. Alte Stiche zeigen die ersten Vermessungen der Gebirgszüge, historische Ausrüstungsgegenstände erzählen von den Anfängen des Alpinismus. Messners kritische Auseinandersetzung mit dem Massentourismus in den Bergen kommt hier nicht zu kurz – schließlich hat der ehemalige Extrembergsteiger eine klare Haltung zum "Overtourism" in fragilen Ökosystemen.

Die Ausstellung im Palas widmet sich dem Thema Eis und der besonderen Faszination der Polregionen. In einem kühlen, blau schimmernden Raum stehen Originalexponate aus Messners eigenen Expeditionen in der Antarktis und Arktis. Angesichts der schwindenden Gletscher mischen sich hier Bewunderung für die Schönheit des Eises mit der Mahnung zum Klimaschutz – ein Thema, das Messner seit Jahren beschäftigt.

Der Ausstellungsrundgang lässt dem Besucher spürbar Freiheit – ganz nach Messners Philosophie. Enge Gänge wechseln sich mit weiten Terrassen ab, von denen sich spektakuläre Ausblicke auf die Südtiroler Bergwelt öffnen. Diese Momente des Durchatmens sind bewusst eingeplant. Zwischen den dichten Informationsblöcken entsteht so Raum für eigene Gedanken. Zirkulation statt Einbahnstraße ist das Prinzip – man kann jederzeit zurückkehren und Dinge neu entdecken.

MMM Dolomites – Der Adlerhorst auf dem Monte Rite

Ein komplett anderes Erlebnis bietet das MMM Dolomites. Hoch oben auf dem 2.181 Meter hohen Monte Rite, zwischen Cortina d'Ampezzo und Pieve di Cadore gelegen, thront ein ehemaliges Festungsgebäude aus dem Ersten Weltkrieg. Hier hat Messner 2002 das erste seiner Museen eröffnet – für viele Besucher der spektakulärste Standort der gesamten Reihe.

Der Anfahrtsweg trägt erheblich zum Gesamterlebnis bei. Während der Sommermonate pendelt ein Shuttlebus die kurvige Bergstraße hinauf. Die letzten hundert Höhenmeter müssen zu Fuß bewältigt werden – ein Umstand, der die Erwartungshaltung steigert. Oben angekommen, belohnt ein 360-Grad-Panorama, das bei klarem Wetter die komplette Pracht der Dolomiten offenbart. Marmolada, Monte Pelmo, Monte Cristallo und Civetta umrahmen das Museum wie eine natürliche Ausstellungshalle unter freiem Himmel.

Im Inneren der renovierten Festungsanlage dreht sich alles um die "bleichen Berge", wie die Dolomiten auch genannt werden. Nachdem die italienische Armee das Gebäude aufgegeben hatte, stand es jahrzehntelang leer. Messners Umnutzung bewahrt die historische Substanz und fügt gleichzeitig moderne Elemente ein. Eine Ausstellung zur Erschließungsgeschichte der Dolomiten bildet das Herzstück – angereichert mit Originalaufnahmen der ersten Besteigungen und historischen Karten.

Überraschenderweise beherbergt das Museum eine beachtliche Sammlung von Gemälden mit Dolomitenbildern namhafter Künstler vom 19. Jahrhundert bis in die Moderne. Diese künstlerische Perspektive auf die einzigartige Gebirgsformation zeigt, wie die markanten Felstürme die Wahrnehmung von Landschaft in der Kunst geprägt haben. Besonders eindrucksvoll ist der Kontrast zwischen den romantisch verklärten frühen Darstellungen und den expressionistischen Interpretationen des 20. Jahrhunderts.

Die Architektur des Museums nutzt die ehemaligen Geschützstände und Mannschaftsräume auf clevere Weise. Am Ende des Rundgangs führt eine Treppe auf das Dach des Forts. Hier, auf einer großzügigen Aussichtsplattform, kulminiert das MMM Dolomites in seinem wohl stärksten Argument: dem unverstellten Blick auf die umliegenden Gipfel. Die Bergkette erscheint zum Greifen nah – ein Gefühl, das keines der anderen Messner-Museen so unmittelbar vermittelt.

Tipp für Planungsmuffel: Das Museum hat nur von Juni bis Mitte Oktober geöffnet. Der Shuttlebus fährt nicht an Regentagen – ein Anruf vorab lohnt sich also. Besonders farbenprächtig präsentiert sich das Panorama im frühen Herbst, wenn die Lärchenwälder unterhalb des Museums in leuchtendem Gold erscheinen.

MMM Juval – Messners private Rückzugsinsel

Während Firmian als konzeptionelles Zentrum und Dolomites als spektakulärer Aussichtspunkt funktionieren, offenbart Juval die persönlichste Seite des Bergsteigers. Im Vinschgau, auf einem strategisch platzierten Felsvorsprung über dem Tal, kaufte Messner 1983 die Ruine von Schloss Juval und restaurierte sie über Jahre hinweg. Es wurde nicht nur sein privater Wohnsitz, sondern seit 1995 auch ein Museum – das MMM Juval, gewidmet dem "Mythos Berg".

Die Burg selbst stammt aus dem 13. Jahrhundert und hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Vor Messners Eingreifen drohte sie zu verfallen. Die Restaurierung erfolgte mit traditionellen Materialien und viel Gespür für die historische Substanz. Das Ergebnis ist kein steriles Museum, sondern ein lebendiges Ensemble aus Wohnräumen, Ausstellungsflächen und bewirtschafteten Weinbergen am Fuß des Schlosshügels. Fast hat man das Gefühl, bei Messner zu Hause zu Gast zu sein – ein Eindruck, der durchaus beabsichtigt ist.

Die Ausstellung im Schloss zeigt Messners umfangreiche Sammlung von Artefakten aus dem Himalaya, afrikanischen Masken und tibetischer Kunst. Ein ganzer Raum ist dem Mythos des Yeti gewidmet – ein Themenfeld, mit dem sich Messner intensiv beschäftigt hat. Im "Expeditionskeller" lagern Ausrüstungsgegenstände seiner zahlreichen Unternehmungen, von der ersten Everest-Besteigung ohne Sauerstoff bis zu den Wüstendurchquerungen der 1990er Jahre.

Bemerkenswert an Juval ist die Verschmelzung von Museum und landwirtschaftlichem Betrieb. Der zum Anwesen gehörende Bergbauernhof "Unterortl" wird biologisch bewirtschaftet. Hier werden Wein und Obst angebaut, Schafe und Ziegen gehalten. Im hauseigenen Restaurant "Schlosswirt Juval" kommen die Produkte auf den Tisch – Messners Interpretation eines geschlossenen Kreislaufs. Besucher können nach dem Museumsbesuch hier einkehren und bei einem Glas Wein vom eigenen Gut über das Gesehene nachdenken.

Der Weg nach Juval führt entweder über einen 20-minütigen Fußmarsch vom Parkplatz oder – bequemer – mit dem Shuttlebus. Da Messner selbst zeitweise im Schloss wohnt, ist das Museum nur von Ende März bis Mitte Juni und von Anfang September bis Anfang November geöffnet. Dies trägt zum exklusiven Charakter bei – Juval lässt sich nicht mal eben abhaken, sondern erfordert Planung.

Die kleineren Geschwister: Ortles, Ripa und Corones

Neben den drei Hauptstandorten komplettieren drei weitere Museen das MMM-Konzept. In Sulden am Ortler befindet sich das MMM Ortles, das sich dem Thema Eis und der Geschichte des Alpinismus widmet. Besonders beeindruckend: eine Sammlung historischer Eispickel und Steigeisen, die die technische Entwicklung des Bergsteigens dokumentiert. Das Museum ist geschickt in einen Untergrundkomplex integriert, dessen Architektur an einen Gletscher erinnert.

Das MMM Ripa auf Schloss Bruneck im Pustertal fokussiert sich auf die Bergvölker der Welt. Hier erfährt man alles über das Leben und Überleben in extremen Höhenlagen – von den Sherpa im Himalaya bis zu den Bewohnern der Anden. Originale Kleidungsstücke, Werkzeuge und Alltagsgegenstände dieser Kulturen vermitteln ein authentisches Bild ihrer Lebensweise. Das Museum ist in Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern der jeweiligen Völker entstanden – ein Ansatz, der dem kolonial belasteten Ethnographie-Begriff eine partnerschaftliche Alternative entgegensetzt.

Als jüngstes und architektonisch vielleicht gewagstestes Museum vervollständigt das MMM Corones seit 2015 die Sechsergruppe. Auf dem Gipfel des Kronplatz, direkt neben der Seilbahnstation auf 2.275 Metern Höhe, schuf die Star-Architektin Zaha Hadid einen futuristischen Bau, der wie ein kristalliner Fremdkörper aus dem Berg zu wachsen scheint. Inhaltlich widmet sich Corones dem traditionellen Alpinismus und den großen Nordwänden. Filme, Installationen und historische Ausrüstungsgegenstände dokumentieren die Entwicklung des Bergsteigens von seinen Anfängen bis heute.

Praktisches für den Besuch

Wer die Messner Mountain Museums besuchen möchte, sollte etwas Zeit mitbringen. Für Firmian als zentralen Standort solltest du mindestens drei Stunden einplanen, für die anderen Häuser jeweils zwei bis zweieinhalb Stunden. Kombinationstickets ermöglichen den vergünstigten Eintritt zu mehreren Standorten innerhalb eines Jahres – eine sinnvolle Option für alle, die nicht alle Museen an einem Wochenende abhaken wollen.

Die Öffnungszeiten variieren je nach Standort und Saison erheblich. Während Firmian, Ripa und Corones ganzjährig zugänglich sind (mit Ausnahme bestimmter Wintermonate), haben Juval und Dolomites ausgeprägte Saisonzeiten. Eine vorherige Recherche auf der offiziellen Website lohnt sich also. Für Juval empfiehlt sich sogar eine Reservierung, da die Besucherkapazität begrenzt ist.

Die Anreise erfolgt am besten mit dem eigenen Fahrzeug oder öffentlichen Verkehrsmitteln bis zu den jeweiligen Ausgangspunkten. Von dort verkehren zu den meisten Standorten Shuttlebusse. Nach Firmian kommst du bequem mit dem Stadtbus von Bozen aus. Für Dolomites solltest du früh am Tag losfahren, um genügend Zeit auf dem Berg zu haben – die letzte Talfahrt mit dem Shuttle erfolgt meist gegen 17 Uhr.

Alle Museen bieten mehrsprachige Ausstellungstexte in Deutsch, Italienisch und Englisch. Audioguides stehen gegen eine geringe Gebühr zur Verfügung, lohnen sich aber besonders in Firmian und Dolomites. Die Mitarbeiter an den Standorten sind durchweg kompetent und geben gerne Auskunft – manch einer hat sogar das eine oder andere Aperçu über den Chef zu erzählen.

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