Italien

Wanderung zum Lago di Sorapis: Türkisfarbener Gletschersee in den Dolomiten

Türkisblau schimmert er zwischen schroffen Felswänden, als hätte jemand einen karibischen Traum in die raue Bergwelt der Dolomiten verpflanzt. Lohnt sich der Aufstieg? Und wie!

Italien  |  Natur & Aktivitäten
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Zwischenablage

Wenn der schmale Pfad nach stundenlanger Wanderung plötzlich um eine Felsnase biegt und der Blick frei wird auf ein schimmerndes Türkis, das zwischen grauen Felswänden leuchtet wie ein verlorener Edelstein, dann ist man am Lago di Sorapis angekommen. Dieser Bergsee auf 1.923 Metern Höhe zählt zu den beeindruckendsten Naturschauspielen der Dolomiten. Seine unnatürlich anmutende Farbe – mal türkis, mal milchig-blau, je nach Lichteinfall – verdankt er den feinen Mineralpartikeln aus dem Gletscherwasser, das ihn speist. Dahinter erhebt sich die markante Felspyramide des Piz Sorapis (3.205 m), nach dem der See benannt ist, und vervollständigt ein Bilderbuchmotiv, das jährlich tausende Wanderer und Fotografen anzieht.

Der Lago di Sorapis liegt unweit von Cortina d'Ampezzo, dem mondänen Wintersportort in den östlichen Dolomiten. Er gehört zum UNESCO-Weltnaturerbe und ist seit einigen Jahren kein Geheimtipp mehr. Instagram und andere soziale Netzwerke haben dem See zu einer gewissen Berühmtheit verholfen – Fotos des milchig-türkisen Wassers vor imposanter Bergkulisse gehen regelmäßig viral. Dennoch hat der Ort nichts von seiner Magie eingebüßt. Vor allem nicht, wenn die frühmorgendliche Sonne erste Strahlen über die Bergkämme schickt und das Wasser im sanften Licht zu leuchten beginnt.

Der Weg zum See – Wanderrouten und Herausforderungen

Den Lago di Sorapis erreicht man ausschließlich zu Fuß, und das ist gut so. Die notwendige Anstrengung hält den Besucheransturm in Grenzen und macht die Ankunft am Ufer umso lohnenswerter. Mehrere Routen führen zum See, wobei der "Klassiker" vom Passo Tre Croci startet, einem Bergpass etwa 8 km östlich von Cortina d'Ampezzo. Der Wanderparkplatz dort ist zwar groß, aber an Sommerwochenenden oft überfüllt. Wer mit dem Auto anreist, sollte zeitig losfahren oder alternativ den Linienbus von Cortina nutzen.

Von dort folgt man dem gut markierten Wanderweg Nr. 215, der zunächst gemächlich durch lichte Nadelwälder führt. Nach etwa 20 Minuten gewinnt der Pfad an Höhe, und erste Ausblicke auf die umliegenden Berggipfel eröffnen sich. Der Weg führt bald aus dem Wald heraus und verläuft nun an den Flanken der Felsformationen entlang. Hier wird's spannend: Einige Passagen sind mit Stahlseilen gesichert und verlangen Trittsicherheit. Kinder sollten daher gut beaufsichtigt werden. Richtig gefährlich ist's nicht, aber ein gewisses Kribbeln im Bauch ist durchaus Teil des Erlebnisses, wenn der Pfad schmal wird und der Blick in die Tiefe schweift.

Nach etwa zwei Stunden Wanderung – die Zeitangaben schwanken je nach Kondition und Fotopausen erheblich – erreicht man schließlich den See. Die gesamte Strecke vom Passo Tre Croci zum Lago di Sorapis beträgt knapp 6 Kilometer mit etwa 400 Höhenmetern im Aufstieg. Für den Rückweg kann man denselben Weg nehmen oder, für erfahrenere Wanderer, eine anspruchsvollere Rundtour über den Weg Nr. 216 und die Forcella Marcoira wählen, die insgesamt etwa 5-6 Stunden in Anspruch nimmt.

Eine alternative Route startet am Rifugio Vandelli, das sich direkt am See befindet und über einen etwas steileren Pfad erreichbar ist. Diese Variante ist etwas kürzer, aber nicht weniger anspruchsvoll und landschaftlich ebenso beeindruckend. Im Winter und Frühjahr bis weit in den Juni hinein sind übrigens alle Wege zum See wegen Schneemassen und Lawinengefahr gesperrt – ein Umstand, den manche Wanderer zu ihrem Leidwesen ignorieren und dann in brenzlige Situationen geraten.

Die beste Reisezeit für den Besuch

Die optimale Zeit für eine Wanderung zum Lago di Sorapis liegt zwischen Ende Juni und Anfang Oktober. In dieser Periode sind die Wege in der Regel schneefrei und gut begehbar. Der See selbst präsentiert sich zu verschiedenen Jahreszeiten mit unterschiedlichen Facetten. Im Frühsommer, wenn die Schneeschmelze auf Hochtouren läuft, führt der See am meisten Wasser und zeigt sich in intensivem Türkis. Die umliegenden Hänge sind dann oft noch mit bunten Alpenblumen geschmückt.

Im Hochsommer – besonders an Wochenenden und Feiertagen – muss man mit relativ vielen Besuchern rechnen. Der See ist längst kein Geheimtipp mehr, und manch ein Fotograf mag sich ärgern, wenn dutzende Selfie-Jäger am Ufer herumturnen. Wer Ruhe sucht, bricht entweder sehr früh am Morgen auf (was ohnehin ratsam ist, um der Mittagshitze zuvorzukommen) oder plant den Besuch für einen Wochentag im Früh- oder Spätsommer.

Der Herbst bietet eine ganz eigene Atmosphäre: Die Lärchenwälder auf dem Weg zum See färben sich golden, die Touristenmassen ebben ab, und an klaren Tagen ist die Fernsicht phänomenal. Allerdings kann's dann schon empfindlich kühl werden, und die ersten Schneefälle sind ab Oktober keine Seltenheit. Wer zu dieser Zeit aufbricht, sollte unbedingt warme Kleidung und gutes Schuhwerk dabei haben. Die Belohnung: ein fast menschenleerer See in mystischer Herbststimmung.

Die Farbe des Wassers – ein Naturphänomen

Das auffälligste Merkmal des Lago di Sorapis ist zweifellos seine außergewöhnliche Färbung. Die türkis bis milchig-blaue Farbe erinnert eher an einen tropischen Strand als an einen alpinen Bergsee. Schuld daran – oder besser: verantwortlich dafür – ist das sogenannte Gletschermilchphänomen. Das Schmelzwasser vom Sorapis-Gletscher, der oberhalb des Sees liegt, transportiert feinsten Gesteinsstaub mit sich, der durch die Reibung des Gletschers am Fels entsteht. Diese winzigen Partikel bleiben im Wasser suspendiert und reflektieren das Sonnenlicht in einer Weise, die dem See seine charakteristische Färbung verleiht.

Je nach Tageszeit, Wetterbedingungen und Schmelzwassermenge verändert der See sein Aussehen. Am spektakulärsten zeigt er sich oft am frühen Vormittag bei Sonnenschein, wenn das Licht direkt auf die Wasseroberfläche trifft. Dann leuchtet er in einem fast unwirklich anmutenden Türkis, das einen faszinierenden Kontrast zu den grauen Felswänden bildet, die ihn umgeben. Fotografen schwören auf diese Morgenstunden, wenn das Licht weich ist und sich die umliegenden Berge im stillen Wasser spiegeln.

Im Spätsommer und Herbst, wenn der Zustrom an Schmelzwasser nachlässt, wird die Farbe meist etwas weniger intensiv, behält aber immer noch ihren charakteristischen blau-türkisen Ton. Ein interessantes Detail: Nimmt man eine Wasserprobe mit nach Hause (was natürlich nicht empfohlen wird), verliert das Wasser seine spektakuläre Farbe. Das Phänomen existiert nur im Zusammenspiel von Wasser, Mineralpartikeln und dem speziellen Licht der Bergumgebung – ein echtes Naturwunder also, das man vor Ort erleben muss.

Die Rifugio Vandelli – Übernachtungsmöglichkeit am See

Direkt am Ufer des Lago di Sorapis steht die Rifugio Vandelli, eine Berghütte auf 1.928 Metern Höhe, die vom italienischen Alpenverein CAI betrieben wird. Die Hütte öffnet in der Regel von Mitte Juni bis Ende September und bietet einfache, aber gemütliche Übernachtungsmöglichkeiten in Mehrbettzimmern oder Matratzenlagern. Eine Übernachtung hier ist ein besonderes Erlebnis – vor allem wegen der Aussicht, die sich morgens bietet, wenn die ersten Sonnenstrahlen den See in magisches Licht tauchen, lange bevor die Tageswanderer eintreffen.

Das 1891 errichtete und nach dem venezianischen Alpinisten Antonio Vandelli benannte Rifugio wurde mehrfach renoviert und bietet heute grundlegenden Komfort mit Waschräumen und warmen Duschen. Reservierungen sind unbedingt empfehlenswert, in der Hochsaison sogar mehrere Wochen im Voraus. Die Hütte verfügt über etwa 55 Schlafplätze und ein Restaurant, das deftige italienische Berghüttenkost serviert. Nach einem anstrengenden Aufstieg schmeckt eine Portion hausgemachte Pasta oder Polenta mit Pilzen doppelt gut – dazu vielleicht ein Glas Rotwein und der Blick auf den türkisfarbenen See, während die Abendsonne die umliegenden Felswände in rosafarbenes Licht taucht.

Wer hier übernachtet, kann nicht nur den See ohne Menschenmassen genießen, sondern hat auch die Möglichkeit, von hier aus weitere Touren zu unternehmen. Besonders lohnend ist der Aufstieg zum Monte Sorapis, für den man allerdings alpinistische Erfahrung mitbringen sollte. Weniger anspruchsvoll, aber ebenso landschaftlich reizvoll sind Wanderungen zur Forcella Marcoira oder zum Passo Tre Croci, von wo aus man wiederum andere Bereiche der Dolomiten erkunden kann.

Praktische Tipps für die Wanderung

Für die Wanderung zum Lago di Sorapis solltest du gut vorbereitet sein. Auch wenn der Weg technisch nicht besonders schwierig ist, unterschätzen ihn viele Besucher. Hier ein paar praktische Tipps, um den Ausflug zu einem rundum gelungenen Erlebnis zu machen:

Festes Schuhwerk ist ein Muss – idealerweise knöchelhohe Wanderschuhe mit gutem Profil. Teile der Strecke führen über felsigen Untergrund, der bei Nässe rutschig sein kann. Die mit Stahlseilen gesicherten Passagen lassen sich so deutlich entspannter bewältigen. Flipflops oder Stadtschuhe sind definitiv fehl am Platz, auch wenn man das bei manchen Besuchern leider immer wieder sieht.

Nimm ausreichend Wasser mit, mindestens einen Liter pro Person. Unterwegs gibt es keine Möglichkeit nachzufüllen, es sei denn, du kehrst in der Rifugio ein. Auch ein kleiner Snack oder Picknick-Proviant macht Sinn – am See gibt's zahlreiche idyllische Plätzchen zum Verweilen. Übrigens: Deinen Müll nimmst du natürlich wieder mit. In den letzten Jahren ist die Verschmutzung durch achtlos weggeworfene Verpackungen leider auch hier zu einem Problem geworden.

Der Wetterbericht sollte unbedingt gecheckt werden, bevor man aufbricht. In den Dolomiten kann sich das Wetter schnell ändern, und Gewitter sind im Sommer keine Seltenheit. Auf dem exponierten Weg gibt es kaum Schutzmöglichkeiten, und bei Nässe werden die Felspassagen gefährlich rutschig. Eine Regenjacke gehört daher zur Grundausstattung, selbst wenn der Himmel morgens strahlend blau ist.

Sonnenschutz ist ebenfalls wichtig, da große Teile des Weges ungeschützt in der Sonne liegen. In der dünnen Höhenluft wird man schneller sonnenverbrannt als gedacht. Eine Kopfbedeckung, Sonnencreme und Sonnenbrille sollten daher nicht fehlen.

Je nach Jahreszeit kann es am See empfindlich kühl werden, selbst wenn unten im Tal sommerliche Temperaturen herrschen. Eine wärmende Schicht zum Überziehen ist daher ratsam, besonders wenn man eine längere Rast einlegen möchte.

Fotografische Perspektiven und Bildkompositionen

Der Lago di Sorapis zählt nicht umsonst zu den meistfotografierten Motiven der Dolomiten. Seine einzigartige Farbkombination aus türkisem Wasser und grauem Fels vor oft tiefblauem Himmel macht ihn zu einem Traumobjekt für Landschaftsfotografen. Aber auch mit dem Smartphone lassen sich hier beeindruckende Bilder einfangen.

Die "klassische" Perspektive, die man oft in sozialen Medien sieht, erfasst den See von seinem nordwestlichen Ufer aus, mit dem Piz Sorapis im Hintergrund. Hier hat man den besten Blick auf die türkise Wasserfläche und die dramatischen Felswände. Früh am Morgen, wenn die Sonne gerade über den östlichen Bergkamm steigt, ist diese Stelle besonders magisch – das Licht bricht sich im mineralreichen Wasser und lässt es förmlich leuchten.

Für kreativere Bildkompositionen lohnt es sich, das Seeufer zu umrunden, was je nach Wasserstand nicht überall möglich ist. An der südlichen Seite findet man oft interessante Vordergrundmotive wie verwitterte Baumstämme oder Felsblöcke, die ins Wasser ragen. Im Spätsommer, wenn der Wasserstand niedriger ist, bilden sich am Ufer kleine Terrassen aus weißlichen Mineralablagerungen, die spannende Strukturen ins Bild bringen können.

Ein fotografischer Geheimtipp: Versuche den See aus leicht erhöhter Position zu fotografieren. Es gibt einen kleinen, etwas versteckten Pfad, der vom Hauptweg abzweigt und zu einer Art natürlichem Aussichtspunkt führt. Von dort erfasst man die gesamte Szenerie aus einer anderen Perspektive, die den See in seiner Einbettung zwischen den mächtigen Felswänden zeigt.

Wer sich für Langzeitbelichtungen interessiert, findet am frühen Morgen oder späten Nachmittag ideale Bedingungen. Dann ist das Licht weicher, und mit einem Neutraldichtefilter lassen sich faszinierende Effekte auf der leicht bewegten Wasseroberfläche erzielen. Und für Nachtfotografen: Bei Vollmond und klarem Himmel bietet der See eine geradezu surreale Kulisse – allerdings ist dann eine Übernachtung in der Rifugio Vandelli praktisch unumgänglich.

Umweltschutz und nachhaltiges Wandern

Die wachsende Beliebtheit des Lago di Sorapis hat leider auch ihre Schattenseiten. Die empfindliche alpine Umgebung leidet zunehmend unter dem Besucherandrang, und Erosionsschäden entlang der Wege sind unübersehbar. Dazu kommen Probleme mit achtlos weggeworfenem Müll und Wildcampern, die trotz Verbots ihre Zelte am Seeufer aufschlagen.

Als verantwortungsbewusster Wanderer kannst du deinen Teil zum Schutz dieses Naturjuwels beitragen. Bleib auf den markierten Wegen, auch wenn es für das perfekte Foto verlockend erscheint, querfeldein zu gehen. Die alpine Vegetation ist extrem empfindlich und braucht oft Jahrzehnte, um sich von Trittschäden zu erholen. Das Pflücken von Alpenblumen ist ohnehin verboten – viele Arten stehen unter Naturschutz.

Selbstverständlich nimmst du deinen Müll wieder mit ins Tal, selbst Obstkerne oder -schalen. Diese mögen zwar biologisch abbaubar sein, gehören aber dennoch nicht in die alpine Natur. Öffentliche Toiletten gibt es außer in der Rifugio Vandelli keine – entsprechend sollte man seinen "Geschäften" in angemessener Entfernung von Gewässern und dem Wanderweg nachgehen und Toilettenpapier wieder mitnehmen.

Camping am See ist strikt untersagt, obwohl sich nicht alle Besucher daran halten. Die Versuchung, eine Nacht unter dem Sternenhimmel direkt am türkisen Wasser zu verbringen, mag groß sein, schadet jedoch dem empfindlichen Ökosystem. Nutze stattdessen die Rifugio Vandelli oder kehre ins Tal zurück und plane bei Bedarf einen mehrtägigen Aufenthalt in der Region.

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