Italien

Via Ferrata Ivano Dibona: Ein spektakulärer, aber gut gesicherter Klettersteig

Stell dir vor, du balancierst auf einem schmalen Grat mit Panoramablick auf die Gipfel der Dolomiten. Die Hängebrücke unter deinen Füßen schwingt leicht im Wind. Der Via Ferrata Ivano Dibona ist ein Gratklettersteig der Extraklasse – spektakulär, aber dank guter Sicherung auch für Einsteiger machbar.

Italien  |  Natur & Aktivitäten
Lesezeit: ca. 8 Min.
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Zwischenablage

Die Via Ferrata Ivano Dibona zählt zu den bekanntesten und spektakulärsten Klettersteigen der Dolomiten. Sie führt über den luftigen Grat der Cristallo-Gruppe oberhalb von Cortina d'Ampezzo und bietet eine atemberaubende Kulisse, die schon als Drehort für den James-Bond-Film "Cliffhanger" mit Sylvester Stallone diente. Benannt ist der Steig nach dem italienischen Alpinisten und Politiker Ivano Dibona (1883-1918), der im Ersten Weltkrieg sein Leben ließ.

Ursprünglich stammt der Klettersteig aus den Kriegsjahren 1915-1918, als die Front zwischen Italien und Österreich-Ungarn mitten durch die Dolomiten verlief. Die Soldaten errichteten damals ein Netzwerk aus Wegen und Steiganlagen, um ihre Stellungen in den Felsen zu erreichen. Nach dem Krieg wurden diese militärischen Anlagen allmählich zu touristischen Zwecken umgebaut und gesichert. Der heutige Klettersteig folgt teilweise diesen historischen Pfaden und führt vorbei an Relikten aus der Kriegszeit – rostigen Stacheldrahtresten, Mauerwerksresten ehemaliger Unterstände und gelegentlich sogar Patronenhülsen, die nach über hundert Jahren noch immer in Felsspalten stecken.

Die Besonderheit des Klettersteigs liegt in seiner spektakulären Aussichtslage auf einem Grat mit Tiefblicken zu beiden Seiten und der berühmten, 27 Meter langen Hängebrücke „Ponte Cristallo", die für manchen Adrenalinstoß sorgt. Technisch gehört die Route mit Schwierigkeitsgrad B/C (vereinzelt C) zu den moderaten Klettersteigen, erfordert aber aufgrund ihrer Länge und Ausgesetztheit eine gute Kondition und Schwindelfreiheit.

Steckbrief und technische Details

Der Via Ferrata Ivano Dibona erstreckt sich über eine Gesamtlänge von etwa 4-5 Kilometern mit über 1.100 Metern Abstieg und nur geringem Aufstieg. Die Startposition erreicht man bequem über die Seilbahn Rio Gere-Son Forca, sodass der Großteil der Tour abwärts führt – anfangs über den exponierten Grat, später durch Schuttrinnen und zuletzt durch bewaldetes Gelände zum Parkplatz Rifugio Rio Gere. Ausgesetzte Passagen sind durchgehend mit Stahlseilen gesichert. Die komplette Tour dauert je nach Können und Tempo zwischen 5 und 7 Stunden.

Die charakteristischen Eckdaten im Überblick:

  • Schwierigkeitsgrad: B/C (vereinzelt C)
  • Gehzeit: 5-7 Stunden
  • Höhenunterschied: ca. 200 m Aufstieg, 1.100 m Abstieg
  • Ausgangspunkt: Bergstation der Seilbahn Son Forca (2.215 m)
  • Endpunkt: Rifugio Rio Gere (1.698 m)
  • Beste Jahreszeit: Juli bis September

Der Routenverlauf – ein Berg voller Geschichten

Am Anfang des Klettersteigs steht ein Aufstieg, der gleich Farbe bekennt: Steil geht's über gut gesicherte Felsen Richtung Monte Cristallo. Der erste Höhepunkt wartet schon nach etwa 30 Minuten – die schmale, 27 Meter lange Hängebrücke Ponte Cristallo, die über eine tiefe Schlucht führt. Unter den Füßen schwankend und mit Blick in schwindelerregende Tiefe merkt selbst der hartgesottenste Bergfex, dass das Herz schneller klopft. Immer wieder überquert man danach luftige Gratpassagen, die zu beiden Seiten steil abfallen. Das Besondere dabei: Fast ständig hat man einen gewaltigen Rundumblick auf die umliegenden Gipfel der Cristallo-Gruppe, auf die Tofanen, die Sorapiss-Gruppe und in der Ferne sogar auf die Marmolada mit ihrem schwindenden Gletscher.

Nach der Brücke führt der Weg am markanten Gipfel des Cristallino d'Ampezzo vorbei. Hier oben befinden sich zahlreiche Überreste aus dem Ersten Weltkrieg – von Stacheldraht bis zu Schützengräben und Stellungen. Besonders bizarr: In einigen Felsvorsprüngen wurden regelrechte Zimmer aus dem Stein gehauen, in denen damals die Soldaten Schutz vor dem unwirtlichen Wetter und feindlichem Beschuss suchten. Dem aufmerksamen Auge entgeht nicht, dass an manchen Stellen noch alte Holzbalken in den Wänden stecken, die einst als Stütze für Zeltplanen oder primitive Dächer dienten.

Weiter geht's entlang des Grates, der sich wie ein steinerner Drachen in Richtung der Forcella Grande schwingt. Immer wieder kommen knackige Kletterpassagen, die aber alle zuverlässig mit Stahlseilen gesichert sind. Nach etwa der Hälfte des Weges erreicht man den Bivacco Buffa di Perrero auf 2.747 Metern – eine kleine, rote Notunterkunft, die bei plötzlichem Wetterumschwung Schutz bietet. Von hier hat man einen fantastischen Blick hinunter auf die Skipisten von Cortina d'Ampezzo. Bei klarem Wetter lässt sich in der Ferne sogar die berühmte Drei-Zinnen-Formation erahnen.

Der weitere Weg führt über mehrere Auf- und Abstiege, bevor er allmählich nach unten schwenkt. Der letzte Teil gestaltet sich dann als Abstieg über Geröllfelder und später durch einen lichten Wald zurück zum Rifugio Rio Gere, wo man entweder mit dem Bus oder dem eigenen Auto zurück nach Cortina gelangt.

Praktische Infos und Vorbereitungen

Für den Via Ferrata Ivano Dibona braucht's die klassische Klettersteigausrüstung: einen Klettergurt, ein Klettersteigset mit Falldämpfer, einen Helm und feste Bergschuhe. Fingerlose Kletterhandschuhe sind nicht zwingend notwendig, aber angenehm für die Hände. Da der Weg lang ist und keine Einkehrmöglichkeiten bietet, sollte man ausreichend Wasser (mindestens 2 Liter pro Person) und energiereiche Snacks einpacken. Ein kleiner Erste-Hilfe-Set und eine Stirnlampe für unvorhergesehene Verzögerungen gehören ebenfalls ins Gepäck.

Die Anreise zum Startpunkt erfolgt von Cortina d'Ampezzo aus. Mit dem Auto fährt man auf der SS51 in Richtung Passo Tre Croci bis zum Parkplatz des Rifugio Rio Gere. Von dort geht's mit der Seilbahn Rio Gere-Son Forca aufwärts zur Mittelstation Son Forca. Alternativ verkehren im Sommer auch Busse von Cortina zum Rifugio Rio Gere.

Wichtig zu wissen: Die Seilbahn fährt nur in den Sommermonaten von Ende Juni bis Ende September. Die genauen Betriebszeiten sollte man vorab erfragen, da sie witterungsbedingt variieren können. Im Frühsommer liegen oft noch Schneefelder auf dem höheren Teil des Weges, die den Steig gefährlich machen können. Die beste Zeit für die Tour ist daher von Mitte Juli bis Mitte September.

Wetterbedingungen und Sicherheitshinweise

Bei Gewitter wird's kritisch auf dem exponierten Grat – die Tour sollte daher nur bei stabilem Wetter unternommen werden. Eine Gewitterfront kann sich in den Dolomiten rasch zusammenbrauen, meistens nachmittags. Darum empfiehlt sich ein früher Start, möglichst vor 8 Uhr morgens. Die Wettervorhersage für die Region lässt sich am zuverlässigsten über den örtlichen Alpenverein oder im Internet unter www.dolomitimeteo.it abrufen.

Auch bei Nässe oder Kälte wird der Steig tückisch. Das blanke Felsgestein wird dann glitschig wie Schmierseife, und die Stahlseile werden rutschig oder gar eisig. Gelegentlich kann es in den Dolomiten selbst im Hochsommer zu plötzlichen Kälteeinbrüchen kommen – eine warme Jacke, Mütze und Handschuhe sind daher selbst an sonnigen Tagen sinnvolle Begleiter.

Noch ein Wörtchen zur Ausrüstung: Die Klettersteigsets sollten auf dem neuesten Stand der Technik sein und den aktuellen Sicherheitsstandards entsprechen. Nach einem Sturz ins Klettersteigset muss dieses ersetzt werden, da die einmalige Belastung des Falldämpfers dessen Funktionsfähigkeit beeinträchtigt. Für alle, die keine eigene Ausrüstung besitzen, bieten die Sportgeschäfte in Cortina d'Ampezzo Leihausrüstung an, manchmal sogar im Paket mit einer geführten Tour.

Die Region rund um den Klettersteig

Cortina d'Ampezzo, das als Basislager für die Tour dient, ist nicht umsonst als "Perle der Dolomiten" bekannt. Der mondäne Skiort hat sich seinen charmanten Charakter bewahrt und bietet neben luxuriösen Hotels auch authentische Berghütten und Trattorien. Für ein Abendessen nach dem Klettersteig empfehle ich das "El Camineto" am Fuße der Tofana – hier gibt's deftige lokale Küche mit Wildspezialitäten und Polenta, die nach einem anstrengenden Tag besonders gut schmeckt.

In Cortina findet man auch zahlreiche Outdoor-Läden, falls noch Ausrüstung fehlt, sowie mehrere Bergführerbüros, die geführte Touren anbieten. Wer auf Nummer sicher gehen will oder die Gegend nicht kennt, tut gut daran, einen lokalen Guide zu engagieren. Die Kosten dafür liegen bei etwa 280-350 Euro für eine Gruppe von maximal 6 Personen.

Etwas Vorsicht ist beim Thema Übernachtung geboten: In der Hauptsaison von Juli bis August sind die Unterkünfte in Cortina oft Monate im Voraus ausgebucht. Die Preise haben's ebenfalls in sich und rangieren von 80 Euro für ein einfaches Zimmer bis zu jenseits der 300 Euro für Luxusquartiere. Wer's günstiger mag, weicht auf die umliegenden Dörfer wie San Vito di Cadore oder Dobbiaco aus.

Alternativen und Kombination mit anderen Routen

Für alle, denen der Via Ferrata Ivano Dibona zu heftig erscheint, bietet die Region zahlreiche Alternativen. Der Via Ferrata Marino Bianchi auf der anderen Seite des Cristallo-Massivs ist technisch einfacher, aber nicht minder spektakulär. Für geübte Kletterer ist dagegen der Via Ferrata Strobel eine lohnende Herausforderung – hier geht's auf einer rutschigen Leiter an einem Wasserfall entlang.

Wer mehrere Tage in der Region verbringt, kann die Klettersteige auch zu einer mehrtägigen Tour verbinden. Eine klassische Kombination ist der Via Ferrata delle Trincee am Col di Lana, gefolgt vom Via Ferrata Ivano Dibona und abschließend dem Via Ferrata Lipella an der Tofana di Rozes. Dazwischen übernachtet man in den gut ausgestatteten Berghütten der Region.

Für weniger Ambitionierte bietet die Gegend auch zahlreiche Wanderwege ohne technische Schwierigkeiten, die dennoch beeindruckende Ausblicke auf die Dolomiten eröffnen. Der Rundweg um die Drei Zinnen oder der Weg zum Lago di Sorapis mit seinem türkisblauen Wasser sind zwei solcher Perlen.

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