Frankreich

Barrage de Roselend: Smaragdfarbener Stausee, Almwiesen und schroffe Gipfel

Ein glitzernder Smaragd zwischen massiven Bergflanken. Wo Kühe mit Glockengeläut die Almwiesen bevölkern und das Wasser in unnatürlich schönem Türkis leuchtet.

Frankreich  |  Natur & Aktivitäten
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Zwischenablage

Wer zum ersten Mal um die Kurve der schmalen Bergstraße D925 biegt und den Lac de Roselend erblickt, muss unweigerlich innehalten. Wie ein riesiger Türkisstein glänzt der Stausee zwischen den schroffen Gipfeln des Beaufortain-Massivs. Die Wanduhr der Zeit scheint hier stehen geblieben zu sein – ein imposantes Bauwerk menschlicher Ingenieurkunst, das sich erstaunlich harmonisch in die alpine Umgebung einfügt.

Der Barrage de Roselend liegt auf 1.557 Metern Höhe in der Gemeinde Beaufort, im Département Savoyen. Erbaut zwischen 1955 und 1962 als Teil eines größeren Wasserkraftkomplexes, staut die 150 Meter hohe und 804 Meter lange Bogenstaumauer den Doron de Roselend zu einem Reservoir mit bis zu 187 Millionen Kubikmetern Wasser. Technische Daten, die beeindrucken mögen – aber es ist die außergewöhnliche Kulisse, die den wahren Zauber dieses Ortes ausmacht.

Die charakteristische gebogene Form der Staumauer folgt nicht nur technischen Notwendigkeiten, sondern verleiht dem Bauwerk eine fast skulpturale Anmutung. Gegen den Wasserdruck gewölbt, steht sie wie ein steinerner Wächter vor dem künstlichen See. Am Gegenufer thronen majestätisch die Bergspitzen des Grand Mont und der Pointe de Presset – ein Naturpanorama, das in perfektem Kontrast zur menschengemachten Struktur steht.

Der smaragdgrüne See – mehr als nur Wasserreservoir

Die irreal wirkende türkisblaue Färbung des Wassers – nicht selten als "Bergseeblau" bezeichnet – entsteht durch feinste Mineralpartikel aus dem Gletscherwasser, das den See speist. Je nach Sonnenstand und Wetterbedingungen wechselt der See seine Farbpalette von strahlendem Azur bis zu dunklem Jade. Faszinierend ist dabei, wie sich die umliegenden Berge im Wasser spiegeln und das Bild einer perfekten Symmetrie erzeugen.

Der See erstreckt sich über eine Fläche von rund 320 Hektar und reicht mit seinen Verzweigungen tief in die umliegenden Täler hinein. Seine Form erinnert an ein riesiges "Y" – aus der Vogelperspektive betrachtet eine kurios anmutende Geometrie inmitten der organischen Bergwelt. Bemerkenswert ist die Wasserqualität: Trotz seiner technischen Funktion als Reservoir ist das Wasser so klar, dass bei ruhiger Oberfläche bis in mehrere Meter Tiefe geschaut werden kann.

Im Winter, wenn der See gefroren ist und Schnee die Landschaft bedeckt, verwandelt sich die Region in eine fast monochrome Szenerie. Nur der Damm selbst ragt dann dunkel aus dem Weiß hervor. Ein regelrechter "Dornröschen-Schlaf", aus dem der See erst im späten Frühjahr erwacht, wenn die Schneeschmelze einsetzt und das Wasser wieder seinen charakteristischen Farbton annimmt.

Historisches zur Entstehung des Stausees

Der Bau des Barrage de Roselend war ein Mammutprojekt der Nachkriegszeit. In den 1950er Jahren, als Frankreich seinen wachsenden Energiebedarf zu decken versuchte, plante man dieses ambitionierte Vorhaben. Hinter dem Projekt stand die "Électricité de France" (EDF), die hier eines ihrer Prestigeobjekte realisierte. Für den Bau mussten allerdings Opfer gebracht werden – mehrere Alphütten und kleine Siedlungen verschwanden unter dem aufsteigenden Wasser, als der Damm 1962 seinen Dienst aufnahm.

Besonders die Bewohner des kleinen Weilers Roselend mussten ihre Heimat räumen. Die alte Kapelle Notre-Dame-de-Roselend wurde glücklicherweise gerettet und auf höherem Terrain wiedererrichtet – ein symbolträchtiger Akt, der zeigt, wie der Mensch trotz technischen Fortschritts versuchte, kulturelles Erbe zu bewahren. Heute steht sie auf einer Anhöhe mit Blick auf den See und ist ein beliebtes Fotomotiv für Besucher.

Die Dimension des Bauvorhabens war gewaltig: Zeitweise arbeiteten über 1.000 Menschen auf der Baustelle. Material wurde über speziell angelegte Seilbahnen transportiert, da die Straßeninfrastruktur damals noch rudimentär war. Alte Schwarzweißfotos in der Ausstellung am Informationszentrum zeugen von den Strapazen und der Entbehrung, aber auch vom Pioniergeist jener Zeit.

Besuch der Staumauer – ein technisches Monument

Die Staumauer selbst kann von Mai bis Oktober besichtigt werden – wobei "besichtigen" fast zu bescheiden klingt für das, was einen dort erwartet. Der Fußweg über die Dammkrone bietet nicht nur schwindelerregende Tiefblicke an der Außenseite, sondern auch einen grandiosen Panoramablick über den gesamten See. An klaren Tagen reicht die Sicht bis zum Mont Blanc, dessen schneebedeckter Gipfel am Horizont thront.

Im Inneren der Staumauer lohnt sich eine Führung durch das Besucherzentrum. Dort werden die technischen Details der Anlage erklärt, Modelle und Fotografien dokumentieren den Bau, und interaktive Exponate machen das Funktionsprinzip eines Wasserkraftwerks anschaulich. Die Führungen finden in der Hochsaison täglich statt, außerhalb davon sollte man sich vorher erkundigen. Der Eintritt ist moderat – ein kleiner Preis für einen Einblick in dieses imposante Bauwerk.

Besonders beeindruckend ist das Geräusch im Inneren der Mauer: Ein permanentes, dumpfes Rauschen begleitet den Besucher – das Wasserdruckgeräusch, das daran erinnert, welchen gewaltigen Kräften die Konstruktion standhält. In den tiefen Gängen herrscht eine konstante Temperatur von etwa 10°C – selbst an heißen Sommertagen empfiehlt sich also eine Jacke mitzunehmen.

Rund um den See – Wanderparadies Beaufortain

Der Lac de Roselend liegt im Herzen des Beaufortain-Massivs, einer Region, die bei Wanderern noch als Geheimtipp gilt. Während die benachbarten Gebiete um Chamonix oder Val d'Isère von Touristen überlaufen sind, bewahrt das Beaufortain seinen ursprünglichen Charakter. Die Landschaft rund um den See bietet zahlreiche markierte Wanderwege für jeden Schwierigkeitsgrad.

Der einfachste ist der Uferrundweg, der etwa drei bis vier Stunden in Anspruch nimmt und nur geringe Höhenunterschiede aufweist. Der Weg führt teils durch Nadelwald, teils durch offene Almwiesen und bietet immer wieder neue Perspektiven auf den See und die Staumauer. Im Frühsommer verwandeln Alpenblumen die Wiesen in ein buntes Farbenmeer – die leuchtend violetten Alpenaster und die gelben Trollblumen stechen besonders ins Auge.

Anspruchsvoller ist die Besteigung des Rocher du Vent (2.360 m), eines markanten Felsgipfels südlich des Sees. Der Aufstieg erfordert Bergerfahrung und Trittsicherheit, belohnt aber mit einem atemberaubenden Blick auf das gesamte Wassereinzugsgebiet des Roselend-Damms. An besonders klaren Tagen reicht die Sicht bis zum Genfer See.

Die "Grande Traversée du Beaufortain" ist ein mehrtägiger Weitwanderweg, der den See als einen Höhepunkt einschließt. Etappenziele sind rustikale Berghütten, in denen Wanderer übernachten können – Reservierungen in der Sommersaison sind allerdings ratsam. Wer's eilig hat, kann die Strecke auch mit dem Mountainbike zurücklegen – am Westufer des Sees führt ein gut ausgebauter Schotterweg entlang.

Anreise und beste Besuchszeit

Der Barrage de Roselend ist von Albertville aus über die D925 zu erreichen. Die Straße windet sich in zahlreichen Serpentinen durch das Tal des Doron und bietet schon während der Anfahrt spektakuläre Ausblicke. Für die etwa 30 Kilometer lange Strecke sollte man gut eine Stunde einplanen – nicht weil die Straßenverhältnisse schlecht wären, sondern weil man unweigerlich für Fotos anhalten wird.

Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist der See schwieriger zu erreichen. In der Sommersaison fahren Busse von Albertville nach Beaufort, von dort aus muss man sich allerdings per Taxi oder Mitfahrgelegenheit zum See begeben. Eine bessere Alternative: In Beaufort können Mountainbikes gemietet werden, mit denen die verbleibenden 15 Kilometer zum See zurückgelegt werden können – sportlich, aber machbar.

Die beste Besuchszeit liegt zwischen Juni und September. Im Mai kann es noch Schneereste geben, und ab Oktober wird es bereits empfindlich kühl. Die absolute Hochsaison fällt in die ersten beiden Augustwochen – dann tummeln sich französische Familien am See, und die Parkplätze sind rar. Der Juni hingegen bietet eine besondere Attraktion: Die Almwiesen stehen in voller Blüte, und der Wasserspiegel des Sees ist nach der Schneeschmelze meist am höchsten.

Ein Geheimtipp sind die Wochenenden im September, wenn sich das Laub langsam verfärbt und die Sommerhitze nachlässt. Dann hat man Chancen auf jene magischen Momente, in denen Nebelschwaden über dem Wasser treiben und die morgendliche Stille nur vom Geläut der Kuhglocken durchbrochen wird. Fotografen schätzen besonders das Licht der "goldenen Stunde" kurz nach Sonnenaufgang, wenn die ersten Strahlen die Berggipfel in warmes Licht tauchen.

Übernachtungsmöglichkeiten – zwischen Berghütte und Boutique-Hotel

Direkt am See gibt es keine Hotels, was dem ursprünglichen Charakter des Ortes zugutekommt. Campen ist in unmittelbarer Nähe des Wassers ebenfalls nicht gestattet – der See dient schließlich der Trinkwasserversorgung. Wer dennoch übernachten möchte, hat verschiedene Möglichkeiten in der näheren Umgebung.

Das Dorf Arêches-Beaufort, etwa 15 Kilometer vom See entfernt, bietet eine gute Auswahl an Unterkünften. Vom einfachen "Gîte d'étape" über gemütliche Pensionen bis hin zu komfortablen Hotels ist für jeden Geschmack und Geldbeutel etwas dabei. Besonders charmant sind die umgebauten Bauernhäuser, die traditionelle Architektur mit modernem Komfort verbinden. In der Nebensaison sind die Preise moderat, während der Schulferien im August empfiehlt sich eine frühzeitige Reservierung.

Für Naturverbundene bietet sich die Übernachtung in einer der Berghütten an. Die "Refuge de Plan Mya" liegt auf 1.850 Metern Höhe oberhalb des Sees und ist in etwa zwei Stunden zu Fuß erreichbar. Die Hütte bietet Matratzenlager und einfache Verpflegung – der Sonnenuntergang von der Terrasse aus entschädigt für den fehlenden Luxus. Eine Reservierung ist in jedem Fall notwendig, da die Hütte nur begrenzte Kapazitäten hat und bei Weitwanderern sehr beliebt ist.

Mehr als nur ein Ausflugsziel – der See im Wechsel der Jahreszeiten

Der Barrage de Roselend präsentiert sich zu jeder Jahreszeit anders. Im Frühling, wenn der See nach der Schneeschmelze seinen höchsten Stand erreicht, wirkt das Wasser besonders intensiv in seiner Färbung. Die umliegenden Hänge leuchten in frischem Grün, und die ersten Bergblumen sprenkeln bunte Tupfer in die Landschaft.

Der Sommer bringt warme Temperaturen – ideal für ausgedehnte Wanderungen und Picknicks am Ufer. An besonders heißen Tagen wirkt der türkisfarbene See wie eine Fata Morgana zwischen den Bergen. Obwohl das Baden offiziell nicht erlaubt ist, sieht man gelegentlich mutige Schwimmer, die ein erfrischendes Bad nehmen. Die Wassertemperatur bleibt allerdings auch im Hochsommer kühl – nichts für Warmduscher!

Im Herbst umgibt ein ganz besonderer Zauber den See. Die Lärchenwälder an den Hängen färben sich goldgelb, Nebelschwaden ziehen über das Wasser, und in der klaren Luft zeichnen sich die Bergkonturen messerscharf am Himmel ab. Die Tage werden merklich kürzer, und wenn am Abend die Sonne hinter den Bergen versinkt, taucht sie den See in ein dramatisches Licht.

Auch der Winter hat seinen Reiz, wenngleich der Zugang zum See dann erheblich erschwert ist. Die Straße wird nicht durchgehend geräumt, und man braucht oft Schneeketten oder einen Geländewagen, um überhaupt in die Nähe zu kommen. Dafür wird man mit einer fast unwirklichen Stille belohnt – nur manchmal unterbrochen vom dumpfen Knacken des Eises, wenn der zugefrorene See sich bewegt. Skitouren in der Umgebung sind bei erfahrenen Winterbergsteigern beliebt, erfordern aber alpine Erfahrung und eine sorgfältige Vorbereitung.

Praktische Tipps für den Besuch

Wer den Barrage de Roselend besucht, sollte unbedingt eine Kamera mitbringen – die Fotomotive sind einfach zu gut, um sie zu verpassen. Besonders eindrucksvoll sind Aufnahmen von der gegenüberliegenden Seite des Sees, wo die gebogene Staumauer in ihrer ganzen Länge zu sehen ist. Ein Weitwinkelobjektiv ist von Vorteil, um die Dimension der Landschaft einzufangen.

Auch bei Sonnenschein kann es auf 1.500 Metern Höhe empfindlich kühl werden, besonders wenn der Wind über den See fegt. Eine winddichte Jacke gehört daher auch im Sommer ins Gepäck. Die UV-Strahlung in den Bergen ist intensiv – Sonnenschutz ist Pflicht, selbst an bewölkten Tagen. Und wer wandern möchte, sollte festes Schuhwerk tragen – die Wege sind zwar gut markiert, aber teilweise steinig und uneben.

Die Handyverbindung im Bereich des Sees ist lückenhaft. In der Nähe der Staumauer gibt es meist Empfang, aber in den abgelegeneren Buchten des Sees kann das Signal abreißen. Für Notfälle gibt es an der Informationsstelle ein Telefon, und das Personal des Besucherzentrums ist geschult, um Hilfe zu organisieren.

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