Auf 1.578 Metern über dem Meeresspiegel, eingebettet zwischen steilen Felswänden und umgeben von imposanten Gipfeln, liegt der Oeschinensee – ein alpine Wasserfläche, die zum UNESCO-Welterbe Jungfrau-Aletsch gehört. Mit einer Länge von 1,6 Kilometern und einer Tiefe von bis zu 56 Metern ist er einer der größeren Bergseen der Schweizer Alpen. Was ihn jedoch von anderen unterscheidet: Seine Farbe. Je nach Lichteinfall schimmert das Wasser in verschiedenen Tönen zwischen Smaragdgrün und intensivem Türkis. Schuld daran ist das mineralhaltige Gletscherwasser, das feine Gesteinspartikel mit sich führt und dem Wasser seine magische Färbung verleiht.
Vier majestätische Berge umrahmen den See: Blüemlisalp (3.661 m), Oeschinenhorn (3.486 m), Fründenhorn (3.369 m) und Doldenhorn (3.643 m). Ihre steilen Flanken fallen teilweise direkt ins Wasser ab. Der Anblick dieser Kulisse lässt selbst routinierte Alpenwanderer für einen Moment innehalten. Tatsächlich fällt es schwer, diesen Ort mit Worten zu beschreiben – der erste Blick auf den Oeschinensee bleibt vielen Besuchern lange in Erinnerung.
Der Weg zum See
Der Ausgangspunkt für einen Besuch des Oeschinensees ist das Bergdorf Kandersteg im Berner Oberland. Von hier führt eine moderne Gondelbahn in knapp 8 Minuten hinauf zur Bergstation auf 1.682 Metern Höhe. Die Bahn ist von Ende April bis Ende Oktober sowie während der Wintersaison täglich in Betrieb. Aktuelle Fahrzeiten und Preise gibt's direkt bei der Bergbahn Kandersteg-Oeschinen.
Von der Bergstation sind es noch etwa 20 Minuten zu Fuß bis zum See. Der Weg führt leicht abwärts durch Alpwiesen und lichten Wald. Im Frühsommer ein besonderes Vergnügen, da die Wiesen dann mit einem bunten Teppich aus Alpenblumen übersät sind. Klar kann man auch direkt von Kandersteg aus zum See aufsteigen – der Wanderweg überwindet dabei rund 600 Höhenmeter und dauert etwa 1,5 Stunden. Schweißtreibend zwar, dafür aber ursprünglicher und abseits der Hauptströme, die sich von der Bergstation aus bewegen.
Wer keine Lust aufs Laufen hat oder mit kleinen Kindern unterwegs ist, kann den kostenpflichtigen Shuttlebus nutzen, der zwischen der Bergstation und dem Seeufer pendelt. Aber ehrlich gesagt: Der kurze Fußmarsch ist Teil des Erlebnisses und die ersten Blicke auf den türkisfarbenen See zwischen den Bäumen bleiben dann nicht aus.
Aktivitäten rund um den See
Der Oeschinensee selbst bietet während der warmen Jahreszeit allerlei Möglichkeiten. Die wohl einfachste: Einfach am Ufer sitzen, die Füße ins kühle Nass strecken und die Bergkulisse auf sich wirken lassen. An heißen Sommertagen laden einige flache Uferstellen zum Baden ein – wobei selbst im Hochsommer die Wassertemperatur selten über 20 Grad steigt. Erfrischend ist anders, aber dafür umso unvergesslicher.
Für Wasserratten gibt's Ruder- und Tretboote zur Miete. Damit lässt sich der See aus verschiedenen Perspektiven erleben, und man kann bis fast an die steil abfallenden Felswände heranfahren, wo Wasserfälle in den See stürzen. Beim Paddeln über die spiegelglatte Oberfläche, während über einem die Felswände aufragen, fühlt man sich fast wie in einem nordischen Fjord – bloß mit Alpenkulisse statt Polarlicht.
Angeln ist mit entsprechender Lizenz erlaubt. Im See tummeln sich Forellen und Felchen. Die Fischerkarte gibt's beim Kiosk am See oder in Kandersteg. So ein selbstgefangener Fisch, frisch aus dem Bergsee, hat schon was Besonderes – auch wenn's mit dem Fangen oft leichter gedacht als getan ist.
Das Wanderparadies
Die wahre Stärke des Oeschinensees offenbart sich beim Wandern. Der gut markierte Rundweg um den See (ohne Höhenunterschiede eigentlich machbar) existiert so nicht – die steilen Felswände im Süden machen einen kompletten Rundgang unmöglich. Trotzdem gibt's zahlreiche Routen, die für jeden etwas bieten.
Der beliebteste Wanderweg führt am Nordufer entlang. Dieser knapp 3,5 Kilometer lange Weg ist auch für Familien mit Kindern gut machbar und bietet immer wieder neue Ausblicke auf den See und die umliegenden Berge. Besonders fotogen: Die kleinen Buchten und vorgelagerten Inseln am westlichen Ende.
Ambitioniertere Wanderer wagen sich auf den Panoramaweg, der oberhalb des Sees verläuft und atemberaubende Ausblicke von oben bietet. Von hier aus kann man bei klarem Wetter die gesamte Wasserfläche überblicken und die komplette Bergkulisse auf einmal erfassen. Startpunkt ist meist die Bergstation der Gondelbahn. Der Weg führt zunächst durch Bergwiesen und dann an steilen Hängen entlang. Knackige 500 Höhenmeter sind's von der Bergstation bis zum höchsten Punkt – aber jeder Schweißtropfen wird mit noch besseren Aussichten belohnt.
Für erfahrene Bergsteiger gibt's zahlreiche anspruchsvolle Touren zu den umliegenden Gipfeln oder zur Blüemlisalphütte auf 2.834 Metern. Diese Touren erfordern allerdings alpine Erfahrung, Trittsicherheit und teilweise Schwindelfreiheit. Die Hütte des Schweizer Alpen-Clubs bietet Übernachtungsmöglichkeiten – abends, wenn die Tagesgäste verschwunden sind, hat man den See fast für sich allein. Der Sonnenuntergang, wenn die letzten Strahlen die Felswände in goldenes Licht tauchen und sich im See spiegeln, ist diesen zusätzlichen Aufwand definitiv wert.
Winter am Oeschinensee
Wenn der See zufriert und eine dicke Schneedecke die Landschaft überzieht, verwandelt sich das Gebiet in ein Winterwunderland. Der Weg zum See ist auch im Winter nutzbar, wird regelmäßig geräumt und ist bei guten Bedingungen sogar mit normalen Winterschuhen machbar. Für mehr Sicherheit empfehlen sich trotzdem Grödel oder wenigstens Stöcke.
Die wohl aufregendste Winterattraktion ist die 3,5 Kilometer lange Rodelbahn vom See hinunter nach Kandersteg – eine der längsten natürlichen Rodelbahnen Europas. Der Höhenunterschied von knapp 600 Metern sorgt für ordentlich Tempo, und die atemberaubende Winterlandschaft macht die Fahrt zu einem unvergesslichen Erlebnis. Schlitten kann man vor Ort ausleihen, aber gerade an Wochenenden lohnt sich eine Reservierung.
Die Eisfläche des zugefrorenen Sees ist ein weiteres Highlight. Bei sicheren Eisverhältnissen – was nicht jedes Jahr der Fall ist – kann man hier Schlittschuh laufen oder einfach auf dem Eis spazieren gehen. Umgeben von schneebedeckten Bergen auf einer spiegelglatten Eisfläche zu gleiten – das hat schon was Magisches. Die Eisdicke wird regelmäßig kontrolliert; ein Betreten ist nur erlaubt, wenn die grüne Flagge gehisst ist. Sicherheit geht vor, auch wenn's manchmal in den Fingern juckt.
Für Schneeschuhwanderer und Tourengeher gibt's ausgewiesene Routen, die jedoch nur mit entsprechender Ausrüstung und bei stabilen Lawinenverhältnissen begangen werden sollten. Die Bergführer in Kandersteg bieten geführte Touren an – gerade für Einsteiger eine gute Option.
Praktische Tipps
Die beste Reisezeit für den Oeschinensee ist von Juni bis September, wenn das Wetter stabil ist und alle Wege problemlos begehbar sind. Im Frühjahr, wenn der Schnee schmilzt, können einige Wege noch gesperrt sein, dafür erlebt man die Wasserfälle in voller Pracht. Der Herbst bietet mit seiner Laubfärbung und den oft klaren Tagen eine besonders malerische Kulisse – und deutlich weniger Besucher.
An schönen Sommerwochenenden kann es am See durchaus voll werden. Wer's ruhiger mag, kommt besser unter der Woche oder nutzt die frühen Morgen- oder späten Nachmittagsstunden. Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung – und wer schon mal den Morgennebel über dem See gesehen hat, weiß, warum sich das frühe Aufstehen lohnt.
Die alpine Umgebung kann wettertechnisch tückisch sein. Auch im Sommer kann es in der Höhe empfindlich kalt werden, besonders wenn Wind aufkommt oder sich plötzlich Wolken vor die Sonne schieben. Zwiebelprinzip ist Pflicht – lieber eine Schicht zu viel als eine zu wenig. Und Regenschutz gehört selbst bei bester Vorhersage ins Gepäck. Die Berge machen ihr eigenes Wetter, und das kann sich schnell ändern.
Für Anreisende mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist Kandersteg gut per Bahn erreichbar. Der Bahnhof liegt an der Lötschberg-Linie zwischen Bern und Brig. Von dort sind es etwa 15 Gehminuten zur Talstation der Gondelbahn. Der Ort selbst ist autofrei, was zur entspannten Atmosphäre beiträgt. Parkmöglichkeiten gibt's am Ortsrand und an der Talstation. Tagsüber kostenpflichtig, aber die Investition lohnt sich.