Eingebettet zwischen majestätischen Viertausendern ruht Kandersteg auf 1.200 Metern über dem Meeresspiegel. Das 1.200-Seelen-Dorf hat sich seine alpine Authentizität bewahrt. Holzbraune Chalets mit üppigem Blumenschmuck säumen die Hauptstraße, während rundherum ein Amphitheater aus Kalksteinwänden aufragt. Die Lage im Berner Oberland macht das Dorf zur idealen Basis für Ausflüge in die umliegende Bergwelt – allen voran zum Oeschinensee, dem Wahrzeichen der Region.
Kandersteg selbst ist kein architektonisches Schmuckstück wie etwa Grindelwald oder Zermatt. Sein Reiz liegt vielmehr in der bodenständigen Ursprünglichkeit. Der Ort diente lange als Durchgangsstation für Händler auf dem Weg über den Lötschenpass. Erst mit dem Bau des Lötschberg-Eisenbahntunnels 1913 begann seine touristische Entwicklung. Heute hat sich der Ort als ganzjähriges Reiseziel etabliert, bleibt dabei jedoch angenehm unaufgeregt. Während das Ortszentrum mit seinen Restaurants, kleinen Läden und Hotels überschaubar ist, locken die landschaftlichen Superlative rings um das Dorf.
Der Anfahrtsweg nach Kandersteg führt durch das Kandertal, wo sich bereits viele Fotomotive auftun. Mit dem Zug erreicht man den Ort bequem; die Bahnstation liegt direkt im Zentrum. Autofahrer finden am Ortsrand ausreichend Parkplätze – besonders in der Hochsaison eine Erleichterung. Im Winter verwandelt sich Kandersteg in ein schneesicheres Skigebiet, das vor allem bei Langläufern punktet. Von Dezember bis April ziehen gespurte Loipen ihre Bahnen durch die weiße Landschaft.
Der Oeschinensee – Türkises Juwel zwischen Felswänden
Wer in Kandersteg eintrifft, hat meist ein klares Ziel vor Augen: den Oeschinensee. Der 1,5 Kilometer lange und 56 Meter tiefe Bergsee liegt auf 1.578 Metern Höhe, eingebettet in eine grandiose Kulisse aus Dreitausendern. Vom Talgrund aus führt eine moderne Gondelbahn hinauf zur Bergstation Oeschinen. Die Fahrt dauert knapp zehn Minuten und überwindet dabei 500 Höhenmeter. Oben angekommen, eröffnet sich ein erster Blick auf den See, der besonders bei Sonnenschein in einem unwirklich anmutenden Türkisblau schimmert.
Der Fußweg von der Bergstation zum See nimmt etwa 20 Minuten in Anspruch. Dabei führt der gut ausgebaute Pfad zunächst durch lichten Bergwald, bevor er auf eine Alm mündet, von wo aus sich der Blick auf den Oeschinensee öffnet. Dieser Moment gehört zu den eindrücklichsten Naturerlebnissen, die die Schweizer Alpen zu bieten haben. Blütenübersäte Bergwiesen im Vordergrund, der leuchtend blaue See in der Mitte und ein Kranz aus gewaltigen Felswänden als Rahmen – dieses Bild brennt sich ins Gedächtnis ein.
Der Oeschinensee verdankt seine Färbung dem Gletscherwasser, das von den umliegenden Bergen hinabfließt. Speziell das fein gemahlene Gestein, das die Gletscher mit sich führen, sorgt für jene typische Färbung. Je nach Tageszeit und Lichteinfall wandelt sich das Blau von helltürkis bis tiefblau. Anfassen lohnt sich auch: Mit Temperaturen, die selten über 15 Grad steigen, bietet der See eine erfrischende Abkühlung für Mutige. Wer's wärmer mag, genießt das Panorama lieber vom Ufer aus.
Besonders fotogen präsentiert sich der See am frühen Morgen, wenn sich die umliegenden Gipfel – darunter Blüemlisalp, Oeschinenhorn und Fründenhorn – im spiegelglatten Wasser reflektieren. Für Fotografen ist dies die Goldene Stunde. Entsprechend lohnt es sich, mit der ersten Gondel hinaufzufahren oder gar in einem der Berggasthäuser zu übernachten. Die späteren Stunden gehören dann den Tagestouristen, die in den Sommermonaten zahlreich erscheinen.
Wanderparadies für jeden Anspruch
Rund um Kandersteg und den Oeschinensee erstreckt sich ein weitläufiges Wandernetz. Die Region bietet Routen für jede Kondition – von gemütlichen Spaziergängen bis zu anspruchsvollen Hochtouren. Der beliebteste Weg führt einmal um den Oeschinensee herum. Diese rund zweistündige Tour verläuft teils direkt am Ufer, teils etwas oberhalb durch Bergwald. Unterwegs locken mehrere Einkehrmöglichkeiten mit Bergkäse und anderen lokalen Spezialitäten.
Ambitioniertere Wanderer nehmen den Aufstieg zum Heuberg in Angriff. Von dort bietet sich ein grandioser Panoramablick auf den See von oben. Da staunt selbst der erfahrene Alpinist: Die intensive Farbe des Wassers wirkt aus dieser Perspektive noch beeindruckender. Der Weg führt über steile Bergwiesen und erfordert Trittsicherheit, belohnt aber mit einer der schönsten Aussichten im Berner Oberland.
Ein weiteres Highlight ist die Wanderung zur Blüemlisalphütte auf 2.834 Metern. Die anspruchsvolle Tagestour startet am Oeschinensee und führt über Geröllfelder und teilweise ausgesetzte Passagen zur bewirtschafteten SAC-Hütte. Von dort oben reicht der Blick bis zum Thunersee und bei klarer Sicht sogar bis zum Jura. Die Hütte bietet Übernachtungsmöglichkeiten für diejenigen, die den Sonnenauf- oder -untergang in dieser Höhe erleben möchten. Eine Reservierung ist, Donnerwetter, besonders in der Hochsaison unbedingt erforderlich.
Für Familien mit Kindern eignet sich der Heuberg-Erlebnispfad, der mit interaktiven Stationen über die Flora und Fauna der Region informiert. Bergmolche, Murmeltiere und mit etwas Glück auch Steinböcke lassen sich hier beobachten. Die kleinen Gäste freuen sich besonders über die Bergsee-Schaukeln, die einen spielerischen Blick über den See ermöglichen.
Über den Gemmiwanderweg ins Wallis
Ein echter Klassiker unter den Schweizer Wanderrouten ist der Gemmiwanderweg, der Kandersteg mit Leukerbad im Wallis verbindet. Der historische Saumweg wurde bereits im 13. Jahrhundert von Händlern genutzt und überwindet auf rund 10 Kilometern etwa 900 Höhenmeter. Der Weg führt zunächst durch das Gasteretal, bevor er in steilen Serpentinen zur Passhöhe auf 2.322 Metern ansteigt.
Oben auf dem Gemmipass liegt der Daubensee – ein weiterer Bergsee, der jedoch einen völlig anderen Charakter als der Oeschinensee besitzt. Seine kargen Ufer und das oft trübe Wasser stehen im Kontrast zur üppigen Schönheit des Oeschinensees. Direkt am Pass befindet sich das Berghotel Wildstrubel, wo Wanderer eine wohlverdiente Rast einlegen können. Von der Terrasse aus fällt der Blick auf die gewaltige Felswand, die zum Walliser Rhonetal abfällt.
Der Abstieg nach Leukerbad erfolgt entweder zu Fuß über einen stellenweise ausgesetzten Pfad oder bequemer mit der Gemmibahn. Wer mehr Zeit hat, kann diese Route als Teil einer mehrtägigen Wanderung nutzen. Die Strecke zwischen Kandersteg und Leukerbad ist auch Teilstück der Via Alpina, eines internationalen Fernwanderwegs durch acht Alpenländer.
Nicht zu unterschätzen sind allerdings die alpinen Gefahren. Plötzliche Wetterumschwünge, Steinschlag und anspruchsvolle Wegpassagen erfordern entsprechende Vorsicht und Ausrüstung. Die Tour sollte nur bei stabiler Wetterlage unternommen werden, und eine Überprüfung der aktuellen Bedingungen vor dem Start ist ratsam.
Jenseits des Wanderns: Abenteuer für jeden Geschmack
Kandersteg bietet weit mehr als nur Wanderwege. Der Oeschinensee lädt im Sommer zum Baden ein – allerdings nur für Hartgesottene, denn selbst an heißen Tagen bleibt das Wasser kühl. Wer lieber auf dem See statt im See schwimmt, kann Ruderboote und Tretboote mieten. Das Gleiten über das türkisfarbene Wasser, umgeben von der imposanten Bergkulisse, gehört zu den unvergesslichen Erlebnissen.
Adrenalinjunkies kommen beim Klettern auf ihre Kosten. Die Felswände rund um den Oeschinensee bieten zahlreiche Routen verschiedener Schwierigkeitsgrade. Besonders beliebt ist der Klettersteig am Fründenschnur, der mit Stahlseilen gesichert ist und auch Anfängern (mit entsprechender Ausrüstung) zugänglich ist. Auch zum Paragliden eignet sich die Region hervorragend. Die Thermik über dem Oeschinensee lässt Gleitschirmflieger regelrecht schweben.
Familien mit Kindern sollten unbedingt die Rodelbahn an der Oeschinensee-Bergstation ausprobieren. Die 750 Meter lange Bahn schlängelt sich den Hang hinunter und sorgt für Vergnügen bei Groß und Klein. Ebenfalls kinderfreundlich ist der Barfußweg im Talboden von Kandersteg. Auf verschiedenen Untergründen – von weichem Moos bis zu rutschigen Kieseln – werden die Fußsohlen massiert und die Sinne geschärft.
Mountainbiker finden in und um Kandersteg ebenfalls ihr Terrain. Besonders beliebt ist die Strecke durchs Gasteretal, die technisch nicht allzu anspruchsvoll ist und daher auch für Einsteiger geeignet ist. Der Verleih von Mountainbikes und E-Bikes im Dorf ermöglicht spontane Ausflüge auf zwei Rädern.
Winterzauber im Schnee
Wenn der erste Schnee fällt, verwandelt sich Kandersteg in ein Winterparadies. Obwohl das Skigebiet mit seinen wenigen Pistenkilometern nicht mit den großen Schweizer Wintersportorten konkurrieren kann, überzeugt es durch seine Familienfreundlichkeit und moderate Preise. Die Pisten am Oeschinensee und am Sunnbüel bieten Abfahrtsvergnügen für Anfänger und Fortgeschrittene.
Langläufer kommen in Kandersteg besonders auf ihre Kosten. Über 50 Kilometer gespurte Loipen durchziehen das Kandertal. Das flache Terrain eignet sich ideal für klassischen Langlauf und Skating. Ein besonderes Highlight ist die Nachtstrecke, die zweimal wöchentlich beleuchtet wird und ein magisches Skivergnügen unter Sternen ermöglicht.
Schneeschuhwanderer finden markierte Routen, die zu versteckten Winterlandschaften führen. Auf dem Plateau des Oeschinensees, der im Winter zugefroren und verschneit ist, eröffnen sich ganz neue Perspektiven. Die absolute Stille, unterbrochen nur vom Knirschen des Schnees unter den Schneeschuhen, schafft eine meditative Atmosphäre. Nötig ist aber eine ordentliche Portion Respekt vor den winterlichen Bedingungen – Lawinengefahr besteht besonders nach Neuschneefällen.
Praktische Informationen und beste Reisezeit
Kandersteg ist ganzjährig ein lohnendes Reiseziel, wobei jede Jahreszeit ihren eigenen Reiz hat. Die Hauptsaison fällt in die Sommermonate von Juni bis September, wenn die Wanderwege schneefrei und alle Bergbahnen in Betrieb sind. In dieser Zeit präsentieren sich die Bergwiesen in voller Blütenpracht, und die Tage sind lang genug für ausgedehnte Touren.
Die zweite Hochsaison erstreckt sich von Dezember bis März, wenn Wintersportler die verschneiten Hänge bevölkern. Der Oeschinensee ist dann meist zugefroren und bietet eine völlig andere, nicht minder faszinierende Kulisse. Die Nebensaison im Frühjahr und Herbst lockt mit reduzierten Preisen und geringerem Besucheraufkommen. Allerdings sind dann nicht alle Berghütten geöffnet, und einzelne Wanderwege können wegen Schneeresten oder Wartungsarbeiten gesperrt sein.
Die Anreise nach Kandersteg gestaltet sich unkompliziert. Mit der Bahn erreicht man den Ort direkt von Bern oder Brig aus. Die Fahrzeit von Bern beträgt etwa eine Stunde. Autofahrer nehmen die Autobahn A6 bis Spiez und folgen dann der Hauptstraße durchs Kandertal. Kostenlose Parkplätze stehen am Ortsrand zur Verfügung, von wo aus Shuttlebusse ins Zentrum verkehren.
Für den Besuch des Oeschinensees empfiehlt sich ein früher Start, um den morgendlichen Andrang an der Gondelbahn zu vermeiden. Die erste Bahn fährt im Sommer bereits um 8:30 Uhr. Tickets können vorab online gebucht werden, was besonders in der Hochsaison Wartezeiten erspart. Eine Hin- und Rückfahrt kostet für Erwachsene rund 30 Schweizer Franken. Mit der Gästekarte, die bei Übernachtungen in Kandersteg ausgegeben wird, erhält man Ermäßigungen auf die Bergbahnen und andere Attraktionen.
Wer den Oeschinensee zu Fuß erreichen möchte, plant für den Aufstieg etwa 1,5 Stunden ein. Der Weg ist durchgehend gut markiert und auch für ungeübte Wanderer machbar. Festes Schuhwerk ist dennoch ratsam, da der Pfad teilweise steil und bei Nässe rutschig sein kann.