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Ischgl zwischen Pisten und Après-Ski: Vom Bergbauerndorf zum Ibiza der Alpen

Ischgl macht keine halben Sachen. Hier ballert die Musik genauso laut wie anderswo die Kanonen zur Pistensprengung. Ein Ort, der das Skifahren neu erfunden hat – mit Glamour, Gaudi und ganz viel Geschrei.

Österreich  |  Natur & Aktivitäten
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Zwischenablage

Noch in den 1960er Jahren hätte kaum jemand geahnt, dass aus dem beschaulichen Bergbauerndorf im hinteren Paznaun einmal das werden würde, was man heute als "Ibiza der Alpen" bezeichnen könnte. Damals war Ischgl noch ein verschlafenes Nest auf 1.377 Metern Höhe, wo die Bauern im Winter ihre Kühe fütterten und im Sommer das Heu einbrachten. Die Geschichte begann eigentlich ganz unspektakulär mit dem ersten Skilift 1963.

Heute zählt das Dorf gerade mal 1.638 Einwohner, aber in der Hochsaison quetschen sich hier zeitweise 40.000 Menschen rein. Das ist schon ziemlich irre, wenn man mal drüber nachdenkt. Die Verwandlung vom stillen Bergdorf zur internationalen Ski-Destination ist dabei keine Zufallsgeschichte. Clevere Touristiker erkannten früh das Potenzial der hochalpinen Lage und der schneesicheren Hänge.

Spannend ist dabei, dass Ischgl seine Erfolgsformel nicht nur dem Schnee verdankt. Die Macher setzten von Anfang an auf spektakuläre Events und Konzerte auf über 2.000 Metern Höhe. Robbie Williams, Elton John, Alicia Keys – sie alle haben schon in der dünnen Bergluft performt. Das ist schon ziemlich verrückt, aber genau diese Mischung aus alpinem Ambiente und Showbiz-Glamour macht Ischgl aus.

Die Silvretta Arena – ein Skigebiet der Superlative

Das Herzstück von Ischgl ist zweifelsohne die Silvretta Arena. Mit 239 Kilometern präparierten Pisten und 45 Lift- und Seilbahnanlagen gehört sie zu den größten zusammenhängenden Skigebieten der Alpen. Besonders clever: Das Gebiet verbindet Österreich mit der Schweiz, genauer gesagt mit dem zollfreien Samnaun. Du kannst also beim Skifahren mal eben die Grenze überqueren – und das sogar ohne Pass.

90 Prozent des Hauptskigebiets liegen zwischen 2.000 und 2.872 Metern Höhe. Das bedeutet nicht nur Schneesicherheit von November bis Mai, sondern auch grandiose Ausblicke. Von der Greitspitze oder dem Palinkopf schweift der Blick über die gesamten Silvretta-Alpen. An klaren Tagen kann man bis zu den Berner Alpen schauen – atemberaubend ist noch untertrieben.

Die Pisten selbst sind technisch anspruchsvoll und abwechslungsreich. Anfänger finden am Idalp oder in Samnaun ihre ersten blauen Hänge, während sich Könner an der berüchtigten Palinkopfabfahrt oder den Freeride-Gebieten abseits der markierten Pisten austoben können. Besonders die Duty-free-Abfahrten auf der Schweizer Seite haben es in sich – steil, lang und einfach nur geil zu fahren.

Après-Ski vom Feinsten – oder auch nicht

Reden wir Klartext: Ischgl ist berühmt-berüchtigt für sein Après-Ski. Fast 20 verschiedene Bars und Clubs kämpfen um die Gunst der partyhungrigen Gäste. Das Kitzloch, nur 30 Meter von der Talstation der Pardatschgratbahn entfernt, gilt als Hotspot schlechthin. Hier wird schon ab 15 Uhr ordentlich gefeiert, und wer nach 17 Uhr noch einen Platz will, hat schlechte Karten.

Die Paznauner Taja an der Talstation ist ein weiterer Klassiker. Hier ballert die Musik so laut, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht – aber genau das wollen die meisten auch gar nicht. Es geht um pure Stimmung, um das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein. Manche nennen es Massentourismus, andere das ultimative Partyerlebnis. Geschmäcker sind halt verschieden.

Wer es etwas gediegener mag, findet in der Trofana Alm oder der Schatzi Bar auch ruhigere Ecken. Hier kann man tatsächlich noch ein Gespräch führen, ohne sich anbrüllen zu müssen. Die Preise allerdings sind überall gesalzen – ein Bier kostet schnell mal acht Euro oder mehr. Aber hey, du bist ja auch in Ischgl, nicht im Dorfgasthaus um die Ecke.

Abseits der Pisten – mehr als nur Skifahren

Auch wenn Ischgl primär für seine Pisten bekannt ist, bietet das Paznaun durchaus Alternativen zum alpinen Skisport. Das über 70 Kilometer umfassende Loipennetz zieht Langläufer aus ganz Europa an. Besonders die Höhenloipe zwischen Ischgl und Mathon gilt als schneesicher und landschaftlich reizvoll.

Winterwanderer finden kilometerlange Wege durch die verschneite Berglandschaft. Der Rundweg um den Silvretta-Stausee ist dabei ein echter Geheimtipp – zumindest im Vergleich zu den überfüllten Pisten. Hier herrscht tatsächlich noch alpine Ruhe, und man kann die Bergwelt ohne Partylärm genießen.

Schneeschuhwanderungen werden ebenfalls angeboten, meist in Kombination mit einer Einkehr in einer der traditionelleren Berghütten. Die Heidelberger Hütte oder die Jamtalhütte sind solche Oasen der Ruhe, wo man noch echte Tiroler Küche und eine entspannte Atmosphäre findet.

Kulinarik zwischen Traditionsküche und Sterneservice

Ischgl hat gastronomisch einiges zu bieten, auch wenn die Preise schon ziemlich heftig sind. Das Restaurant Paznaunerstube gilt als kulinarische Institution und serviert gehobene Tiroler Küche. Hier bekommt man noch echte Gröstl und Kaiserschmarrn, wie sie sein sollen – allerdings zu Preisen, die einem die Tränen in die Augen treiben können.

Auf der anderen Seite findet man im Ort auch internationale Küche. Das Sushi-Restaurant im Zentrum ist tatsächlich überraschend gut, auch wenn die Kombination von rohem Fisch und Berglandschaft schon etwas gewöhnungsbedürftig ist. Aber das ist halt Ischgl – hier prallen Welten aufeinander.

In den Bergrestaurants wie der Alpenhaus oder der Pardorama wird meist deftige Kost serviert. Ein ordentlicher Kaiserschmarrn nach einem langen Skitag ist schon etwas Feines, auch wenn man dafür mittlerweile 18 Euro hinblättern muss. Die Portionen sind allerdings üppig, und der Ausblick ist gratis dabei.

Unterkünfte – von der Pension bis zum Luxushotel

Die Hotellandschaft in Ischgl ist so vielfältig wie das Publikum selbst. Das Trofana Royal gilt als Luxusadresse schlechthin – hier übernachten die Reichen und Schönen. Spa-Bereich, mehrere Restaurants und Service vom Feinsten haben allerdings auch ihren Preis. Eine Nacht kann schon mal 800 Euro oder mehr kosten.

Wer es etwas bodenständiger mag, findet in den traditionellen Gasthöfen wie dem Goldener Adler oder der Post durchaus gemütliche Unterkünfte. Hier stimmt noch das Preis-Leistungs-Verhältnis, und man trifft auf echte Tiroler Gastfreundschaft statt auf aufgesetzten Luxus-Service.

Interessant ist auch die Option, in einem der Nachbarorte wie See oder Kappl zu übernachten. Hier ist es deutlich ruhiger und günstiger, und mit dem kostenlosen Skibus ist man trotzdem schnell in Ischgl. Das Hotel Mallaun in See beispielsweise bietet eine perfekte Mischung aus Ruhe und trotzdem schnellem Zugang zum Ischgler Nachtleben.

Praktische Tipps für den Ischgl-Besuch

Die Anreise nach Ischgl erfolgt meist über Innsbruck oder Landeck. Die Straße ins Paznaun ist gut ausgebaut, kann aber bei Neuschnee schon mal zur Herausforderung werden. Schneeketten sind daher Pflicht, auch wenn sie oft nicht gebraucht werden.

Die Skipässe sind nicht gerade billig – ein Tagespass kostet in der Hochsaison schnell mal 60 Euro oder mehr. Dafür bekommt man aber auch Zugang zu einem der modernsten Skigebiete der Alpen mit hochmodernen Lift- und Beschneiungsanlagen.

Wer das legendäre Ischgler Nachtleben erleben will, sollte früh da sein. Die beliebten Après-Ski-Bars sind oft schon um 16 Uhr brechend voll, und wer später kommt, muss sich draußen in die Schlange stellen. Das kann bei minus 15 Grad schon ziemlich ungemütlich werden.

Ischgl ist einzigartig

Ischgl polarisiert wie kaum ein anderer Skiort. Entweder man liebt das Spektakel, die Massen, die Musik und den ganzen Zirkus – oder man flieht nach spätestens zwei Tagen. Einen Mittelweg gibt es hier kaum.

Fakt ist: Das Skigebiet selbst ist erstklassig. Die Pisten sind perfekt präpariert, die Lifte modern und zuverlässig, die Schneesicherheit legendär. Wer hier nicht skifahren kann, wird es nirgendwo lernen. Und ja, auch das Après-Ski ist einzigartig – im Guten wie im Schlechten.

Ischgl ist definitiv nichts für jeden. Aber für alle, die einmal das Gefühl haben wollen, mitten im Zentrum des alpinen Wahnsinns zu stehen, ist es ein absolutes Muss. Hier pulsiert das Leben wie sonst nirgendwo in den Bergen. Das muss man mögen – aber wenn man es mag, dann richtig.

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