Bayern

Schlittschuhlaufen auf Bayerns Naturseen: Sichere, familienfreundliche Eisflächen

Wenn die Thermometer ins Minus rutschen und die Oberfläche der bayerischen Bergseen zu spiegelndem Eis erstarrt, verwandelt sich die Alpenlandschaft in ein Winterparadies für Schlittschuhläufer.

Bayern  |  Familie & Kinder
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Zwischenablage

Die zugefrorenen Bergseen im bayerischen Oberland gehören zu den bestgehüteten Wintergeheimnissen der Region. Während sich die Massen an Skiliften drängen, bleibt das Eislaufen auf Naturseen ein fast vergessenes Wintervergnügen mit besonderem Reiz. Nur wenige Wochen im Jahr, manchmal sogar gar nicht, erreichen die Temperaturen jene kritische Marke, die für eine ausreichend dicke und tragfähige Eisschicht sorgt. Gerade diese Seltenheit macht das Erlebnis so kostbar. Der Spitzingsee auf 1.084 Metern Höhe und der größere Tegernsee auf 725 Metern bieten hierfür die ideale Kulisse – vorausgesetzt, Frau Holle und Väterchen Frost arbeiten zusammen.

Wer auf Natureis läuft, der tauscht die sterile Atmosphäre künstlicher Eishallen gegen ein unvergleichliches Freiheitsgefühl. Anstelle von Plastikbanden begrenzen schneebedeckte Ufer die Eisfläche, statt piepsender Anzeigetafeln umgibt einen das Knirschen des Eises und das Rauschen der winterlichen Bergwälder. Hier ist Schlittschuhlaufen nicht bloß Sport, sondern ein Naturerlebnis, das alle Sinne anspricht.

Die Physik des Eises: Wann tragen die Seen?

Damit Seen wie der Spitzingsee oder der Tegernsee überhaupt betreten werden können, muss eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein. Mindestens 15 Zentimeter dickes, klares Eis – das ist die Faustregel, die Experten für sicheres Betreten nennen. Doch wie kommt's dazu? Der Prozess beginnt, wenn die Lufttemperatur über mehrere Tage hinweg deutlich unter dem Gefrierpunkt bleibt. Das Besondere an Wasser: Bei etwa 4 Grad Celsius hat es seine größte Dichte und sinkt nach unten. Kälteres Wasser dagegen steigt auf und gefriert an der Oberfläche.

Am Spitzingsee stehen die Chancen aufgrund seiner Höhenlage besonders gut. Durch seine vergleichsweise geringe Tiefe von maximal 16 Metern kühlt er schneller durch als der bis zu 72 Meter tiefe Tegernsee. Daher präsentiert sich der kleinere Bergsee häufiger mit einer geschlossenen Eisdecke. Doch nicht jedes Jahr ist ein Eisjahr – spielt das Wetter nicht mit, bleibt den Schlittschuhläufern nur das Warten auf den nächsten Winter.

Besonders tragfähig wird das Eis, wenn es bei Dauerfrost ohne Schneefall entstehen kann. Dann bildet sich das begehrte "Schwarzeis", das trotz seines Namens glasklar und besonders stabil ist. Liegt hingegen viel Schnee auf dem frisch gebildeten Eis, isoliert dieser und verlangsamt das weitere Gefrieren. Zudem erhöht sein Gewicht den Druck auf die Eisdecke – ein Grund, warum manche Bereiche trotz niedriger Temperaturen unsicher bleiben können.

Sicherheit auf dem Eis: Nicht ohne Kontrolle

Es wäre leichtsinnig, einfach auf jeden zugefrorenen See zu marschieren. In der Region haben sich daher klare Strukturen entwickelt. Sowohl am Spitzingsee als auch am Tegernsee überwachen die Gemeinden in Zusammenarbeit mit der Wasserwacht die Eisdicke. Erst wenn diese offiziell freigegeben wird, solltest du dich aufs Eis wagen. In Rottach-Egern am Tegernsee beispielsweise hisst man eine rote Flagge am Rathaus, wenn das Eis trägt – ein historisches Signal, das bis heute Bestand hat.

Die größte Gefahr lauert in der Ungleichmäßigkeit des Eises. Während an manchen Stellen bereits 20 Zentimeter dickes Eis vorhanden sein kann, sind es anderswo vielleicht nur wenige Zentimeter. Besonders tückisch: Bereiche mit Zu- und Abflüssen sowie Quellen, wo warmes Wasser das Eis von unten schwächt. Am Spitzingsee gibt es solche Stellen nahe der Wurzhütte und beim Abfluss zur Roten Valepp. Am Tegernsee sind vor allem die Einmündungen von Bächen wie dem Rottach-Bach oder dem Söllbach kritische Zonen.

Eislaufen auf Naturseen ist nie hundertprozentig risikofrei. Wer auf Nummer sicher gehen will, der beachtet folgende Regeln: Nie alleine aufs Eis gehen, stets Eispicker (zwei spitze Griffe an einer Schnur) um den Hals tragen, ein Seil und ein Handy wasserdicht verpackt mitführen. Höre auf die typischen Geräusche des Eises – ein tiefes Grollen ist normal und zeigt sogar stabiles Eis an, während helles Knacken durchaus ein Warnzeichen sein kann. Im Ernstfall einer Einbruchstelle gilt: Flach aufs Eis legen und in Richtung Ufer robben, um das Gewicht zu verteilen.

Der Spitzingsee: Kompaktes Eisvergnügen in Alpinkulisse

Mit seinen gerade mal 28 Hektar Fläche ist der Spitzingsee überschaubar, bietet jedoch eine atemberaubende Kulisse. Die imposanten Bergsilhouetten von Rotwand, Brecherspitz und Jägerkamp umrahmen das Naturschauspiel und verleihen dem Eislauferlebnis eine fast unwirkliche Dimension. In Hartschale gehüllt präsentiert sich der See meist zwischen Mitte Januar und Ende Februar – wenn's klappt. Denn trotz seiner Höhenlage kann ein milder Winter die Hoffnungen auf Schlittschuhvergnügen zunichtemachen.

Praktisch für Familien: Die Überschaubarkeit macht den See besonders geeignet für Anfänger und Kinder. Eine Umrundung des Sees auf dem Eis dauert für geübte Läufer keine 15 Minuten – wer will, kann also problemlos mehrere Runden drehen. Hin und wieder trifft man hier auf ehemalige Eishockeyspieler, die auf dem freien Eis ihrer Leidenschaft frönen und spontane Spielfelder mit Schuhen als Torbegrenzung markieren.

Die Anreise zum Spitzingsee gestaltet sich unkompliziert. Mit dem Auto fährst du über die A8 bis Ausfahrt Weyarn und dann über Miesbach und Schliersee bis zum Spitzingsee. Die Zufahrt ist meist gut geräumt, doch an Wochenenden mit gutem Eis kann es eng werden mit Parkplätzen. Schlauer bist du mit der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) bis Neuhaus und weiter mit dem Bus 9562 bis zum Spitzingsee. Die Haltestelle liegt nur einen Steinwurf vom Ufer entfernt – da kannst du praktisch mit Schlittschuhen an den Füßen aus dem Bus steigen.

Der Tegernsee: Großes Eisvergnügen mit geselligem Treiben

Mit über 900 Hektar Fläche bietet der Tegernsee eine beeindruckende Eisbühne – wenn er denn mal komplett zufriert. Das letzte große "Seegfrörn", wie die Einheimischen es nennen, ereignete sich im Winter 2006. Seitdem gab es nur teilweise Vereisung oder dünnere Eisdecken. Doch wenn der See trägt, verwandelt er sich in ein regelrechtes Volksfest auf Kufen. Tausende Einheimische und Touristen bevölkern dann die glitzernde Fläche.

Im Gegensatz zum abgelegenen Spitzingsee herrscht am Tegernsee ein fast urbanes Treiben. Zwischen den Gemeinden Tegernsee, Rottach-Egern, Bad Wiessee, Gmund und Kreuth bilden sich auf dem gefrorenen See regelrechte "Eishighways". Sogar improvisierte Glühweinstände tauchen manchmal auf, und die Stimmung erinnert an eine Mischung aus Volksfeststimmung und Naturerlebnis. Pfiffige Hoteliers am See bieten bei entsprechender Eislage manchmal "Eislauf-Packages" an, die Übernachtung und Schlittschuhverleih kombinieren.

Die schiere Größe des Sees macht ihn zum perfekten Terrain für ambitionierte Eisläufer, die Ausdauer tanken wollen. Eine komplette Umrundung erfordert gute Kondition – schließlich misst der Umfang stolze 20 Kilometer. Für Familien eignen sich besonders die flachen Uferbereiche bei Rottach-Egern oder die Bucht vor Bad Wiessee. Hier bildeten sich in der Vergangenheit selbst in Jahren mit geringer Vereisung noch befahrbare Flächen.

Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichst du den Tegernsee bequem mit der Bayerischen Oberlandbahn bis Gmund oder Tegernsee. Rund um den See verkehren zudem Ringlinienbisse, die alle Ortschaften verbinden. Mit dem Auto nimmst du die A8 bis zur Ausfahrt Holzkirchen und fährst über die B318 zum See. Parkplätze gibt's in allen Ortschaften, doch an Tagen mit "Seegfrörn" sind diese heiß begehrt – früh kommen lohnt sich.

Hüttenzauber: Aufwärmen nach dem Eislaufvergnügen

Nach dem Eislaufen geht nichts über eine Einkehr in einer der urigen Hütten rund um die Seen. Am Spitzingsee lockt direkt am Ufer die Wurzhütte mit deftigen Gerichten und bodenständigem Ambiente. Ein gschmelzter Kas' oder ein saftiger Schweinsbraten mit Knödel stellt die verbrauchten Kalorien rasch wieder her. Auf der anderen Seeseite verwöhnt der Spitzingsee-Alm-Gasthof mit traditioneller bayerischer Küche und einem herrlichen Blick auf den zugefrorenen See.

Rund um den Tegernsee hast du eine deutlich größere Auswahl. Besonders beliebt bei Eisläufern ist das Bräustüberl in Tegernsee mit seinem hauseigenen Bier und der deftigen Brotzeit. In Rottach-Egern empfiehlt sich die Maistaller Einkehr, ein uriger Gasthof mit erstklassiger regionaler Küche. Die Preise rund um den Tegernsee sind allerdings deutlich gesalzener als am beschaulicheren Spitzingsee – kein Wunder, schließlich gilt die Region als Münchner Nobelviertel.

Ein besonderes Schmankerl erwartet Eisläufer im Restaurant Überfahrt in Rottach-Egern. Sollte der See tragen, bietet Christian Jürgens, der mit drei Michelin-Sternen dekorierte Küchenchef, ein "Seegfrörn-Menü" an. Nach Voranmeldung kannst du dort gefriergetrocknete Beeren vom See und andere kreative Interpretationen winterlicher Gerichte genießen – ein kulinarischer Höhepunkt, der allerdings auch preislich in anderen Sphären schwebt.

Für den Notfall: Was tun, wenn's nicht klappt mit dem Eis?

Nicht jedes Jahr beschert uns einen Winter mit zugefrorenen Seen. Wenn die Temperaturen nicht mitspielen, gibt es dennoch Alternativen. Im Tal befindet sich die Eishalle in Miesbach, die ganzjährig geöffnet hat und einen Ausweichort für Schlittschuhbegeisterte bietet. Hier fehlt zwar das besondere Naturerlebnis, dafür ist das Eislaufen wetterunabhängig möglich.

Eine weitere Möglichkeit ist der Ausflug zu den höher gelegenen künstlichen Eisflächen wie dem Natureisplatz in Bayrischzell oder der saisonalen Eisbahn in Bad Wiessee, die direkt am Seeufer aufgebaut wird. Diese gefrorenen Flächen sind zwar kleiner als die Naturseen, bieten aber bei entsprechender Witterung zumindest einen Hauch des ursprünglichen Eislaufgefühls unter freiem Himmel.

Für diejenigen, die gar nicht auf Schlittschuhe verzichten wollen, gibt's am Tegernsee noch eine historische Besonderheit: Seit den 1950er Jahren bietet der Segelclub Tegernsee in strengen Wintern "Eissegeln" an. Dabei werden Segelschlitten mit Kufen auf dem Eis bewegt – eine Randsportart, die bei idealen Bedingungen Geschwindigkeiten bis zu 100 km/h erreichen kann. Zuschauen lohnt sich allemal, und manchmal bieten die Clubmitglieder sogar Mitfahrgelegenheiten an.

Die richtige Ausrüstung für Natureis

Wer aufs Natureis will, sollte anständig gerüstet sein. Anders als in beheizten Eishallen kommt es hier auf die richtige Kleidung an. Das Zauberwort heißt Zwiebelprinzip: mehrere dünne Schichten übereinander, die je nach Aktivitätsgrad an- oder ausgezogen werden können. Eine warme, wasserdichte Hose ist ebenso unverzichtbar wie Handschuhe. Besonderes Augenmerk verdient die Kopfbedeckung – über sie entweicht die meiste Körperwärme. Ideal ist eine dünne Mütze, die unter einem Helm getragen werden kann.

Was die Schlittschuhe betrifft, so eignen sich für Natureis besonders die sogenannten "Touring-Skates". Im Gegensatz zu Eishockey- oder Kunstlaufschlittschuhen haben sie längere Kufen, die auch über unebenes Eis gleiten können. In der Region werden sie allerdings kaum verliehen – wer regelmäßig aufs Natureis will, sollte über eine Anschaffung nachdenken. Alternativ tun es auch normale Eislaufschuhe, idealerweise mit hohem Schaft für mehr Knöchelstabilität.

Neben der grundlegenden Ausrüstung gehören Eispicker und ein mindestens zehn Meter langes Seil zur Sicherheitsausrüstung. Die Picker, zwei mit Metallspitzen versehene Griffe an einer Kordel, werden um den Hals getragen und ermöglichen im Notfall das Herausziehen aus dem Wasser. Im Rucksack sollte zudem ein Ersatz-Set Kleidung in wasserdichter Verpackung nicht fehlen – für den Fall der Fälle.

Die besten Eiszeiten: Timing ist alles

Wer auf Natureis laufen will, muss flexibel sein. Die ideale Eiszeit lässt sich selten Monate im Voraus planen. Die Statistik zeigt: Die höchste Wahrscheinlichkeit für tragfähiges Eis besteht zwischen Mitte Januar und Ende Februar. In strengen Wintern kann der Spitzingsee auch schon um Weihnachten herum zufrieren, während der Tegernsee meist erst später folgt. Aufgrund der Klimaerwärmung werden jedoch die Winter mit tragfähigem Eis tendenziell seltener.

Ein guter Tipp: Halte die Webseiten der Gemeinden im Auge. Sowohl die Gemeinde Schliersee für den Spitzingsee als auch die Anrainergemeinden des Tegernsees informieren zeitnah über den Zustand des Eises. Zusätzlich bieten einige lokale Hotels einen "Eisalarm-Service" an, bei dem du per E-Mail informiert wirst, sobald die Eisdicke zum Betreten freigegeben wurde. Schnell sein lohnt sich dann, denn oft hält die Freude nur wenige Tage an, bevor Tauwetter oder Schneefall das Vergnügen wieder beenden.

Die Tageszeit spielt übrigens auch eine Rolle. Das beste Eis findest du morgens nach einer klaren, kalten Nacht. Dann ist die Oberfläche meist glatt und fest. Nachmittags, besonders bei Sonnenschein, kann das Eis an der Oberfläche antauen und matschig werden. Frühaufsteher werden also mit der besten Eisqualität belohnt – und haben zudem den Vorteil, die Fläche noch weitgehend für sich alleine zu haben.

Klima im Wandel: Eine bedrohte Tradition

Das Eislaufen auf Naturseen hat eine lange Tradition im bayerischen Oberland. Doch die Klimaveränderung macht sich bemerkbar. Alte Einheimische erzählen noch von Zeiten, als der Tegernsee fast jeden Winter zufror. Heute ist ein vollständiges "Seegfrörn" am größeren der beiden Seen zur Seltenheit geworden. Beim letzten umfassenden Zufrieren im Winter 2006 sprachen Meteorologen bereits von einem "Jahrhundert-Ereignis". Klimaforscher der nahen Universität München prognostizieren, dass die Häufigkeit weiter abnehmen wird.

Am höher gelegenen Spitzingsee sind die Chancen zwar besser, doch auch hier werden die Winter milder. Die Gemeinden am Tegernsee haben deshalb begonnen, das Natureis-Eislaufen als kulturelles Erbe zu dokumentieren. Im Heimatmuseum Tegernsee finden sich historische Fotografien von Eisläufern aus den 1920er Jahren bis heute – ein nostalgischer Rückblick auf eine möglicherweise aussterbende Tradition.

Dennoch: Aufgeben gilt nicht. Lokale Initiativen wie der "Freundeskreis Natureis" setzen sich für den Erhalt der Eislauftradition ein und organisieren – sofern die Witterung es zulässt – Eislauftage mit geführten Touren über den See. Dabei werden auch Aspekte des Naturschutzes vermittelt, denn das Eis bietet einzigartige Einblicke in die Ökologie der Seen. Bei klarem Eis kannst du in den Flachwasserzonen Unterwasserpflanzen und manchmal sogar Fische unter deinen Füßen entdecken – ein faszinierendes Naturschauspiel, das man nur vom Eis aus erleben kann.

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