Wer im Hochsommer nach einem Badesee in den Alpen sucht, der nicht nach Gänsehaut schmeckt, wird am Kalterer See fündig. Das smaragdgrüne Gewässer südlich von Bozen macht seinem Namen keine Ehre – ganz im Gegenteil. Mit Wassertemperaturen von bis zu 28 Grad im Sommer gilt er zurecht als wärmster Badesee der gesamten Alpenregion. Schon der erste Blick auf den See verrät: Hier ist alles etwas entspannter, mediterran eben.
Die Lage ist schuld an diesem thermischen Wunder. Auf nur 215 Metern Höhe eingebettet in die sanften Hügel des Überetsch, profitiert der See von der geschützten Südhanglage und dem milden Klima der Südtiroler Weinstraße. Rundherum recken sich Zypressen gen Himmel, während die Weinreben bis fast ans Ufer reichen. Hier verschmelzen alpine und mediterrane Einflüsse zu einer einzigartigen Kulisse.
Ein See mit Geschichte – geboren aus der Etsch
Interessant ist die Entstehungsgeschichte dieses ungewöhnlichen Gewässers. Der Kalterer See verdankt seine Existenz einem alten Flussbett der Etsch, das während der letzten Eiszeit entstand. Wo einst der Fluss seine Bahnen zog, sammelt sich heute das Wasser in einer natürlichen Senke. Das erklärt auch die ungewöhnlichen Dimensionen: 1,8 Kilometer lang, knapp einen Kilometer breit und maximal 5,6 Meter tief – ein flacher Riese also.
Diese geringe Tiefe ist ein Glücksfall für alle Wasserratten. Durchschnittlich nur vier Meter tief, erwärmt sich das Wasser deutlich schneller als in den tiefen Alpenseen der Umgebung. Bereits Ende April klettert das Thermometer im Wasser auf 17 bis 19 Grad – Temperaturen, die anderswo erst im Hochsommer erreicht werden. Wer also schon im Mai Lust auf ein erfrischendes Bad hat, ist hier goldrichtig.
Badespaß von Mai bis September
Die Badesaison am Kalterer See dauert ungewöhnlich lange. Von Mai bis September herrschen ideale Bedingungen – das ist deutlich länger als an den meisten anderen Alpenseen. Im Hochsommer, wenn das Thermometer im Wasser die 28-Grad-Marke knackt, muss man schon genau hinschauen, um zu glauben, dass man sich nicht irgendwo am Mittelmeer befindet.
Das türkisfarbene Wasser schimmert je nach Lichteinfall in verschiedenen Grüntönen. Besonders schön zeigt sich das am frühen Morgen, wenn noch Nebelschwaden über der Wasseroberfläche tanzen und die ersten Sonnenstrahlen die Weinberge ringsum in goldenes Licht tauchen. Dann ist es fast still am See – nur das leise Plätschern der kleinen Wellen und das gelegentliche Rufen eines Fischreiher sind zu hören.
Übrigens: Trotz der warmen Temperaturen ist die Wasserqualität ausgezeichnet. Das nährstoffreiche Gewässer ist zwar nicht ganz so klar wie manche Bergseen, bietet aber dennoch beste Badebedingungen. Nur das südliche Ufer ist stark verschilft und daher weniger zum Baden geeignet.
Wassersport zwischen Weinreben
Der See ist längst nicht nur zum Baden da. Windsurfer schätzen die zuverlässigen Winde, die täglich gegen Mittag auffrischen. Dann verwandelt sich die spiegelglatte Wasserfläche in ein Revier für Könner und solche, die es werden wollen. Surfschulen am Ostufer sorgen für den nötigen Nachwuchs.
Gemütlicher geht es mit Ruder- oder Tretbooten zu. Mehrere Bootsverleihe rund um den See bieten die passenden Gefährte für eine beschauliche Runde. Dabei eröffnen sich vom Wasser aus ganz neue Perspektiven auf die umliegende Landschaft. Besonders schön ist der Blick hinauf zur Ruine Leuchtenburg, die majestätisch auf einem Felssporn über dem Ostufer thront.
Segler finden hier ebenfalls ideale Bedingungen vor. Der See ist groß genug für ordentliche Manöver, aber klein genug, um nie das Ufer aus den Augen zu verlieren. Ein perfektes Revier also für entspannte Segeltörns in alpiner Kulisse.
Rund um den See – zu Fuß oder per Rad
Wer lieber trockenen Fußes unterwegs ist, dem sei der Seerundweg empfohlen. Die gemütliche Runde führt auf gut ausgebauten Wegen einmal um das gesamte Gewässer. Knapp sechs Kilometer sind es insgesamt – eine Strecke, die sich problemlos an einem Nachmittag bewältigen lässt. Unterwegs laden immer wieder Bänke zum Verweilen ein, während der Blick über das Wasser zu den sanften Hügeln des Unterlands wandert.
Noch entspannter geht die Umrundung per Fahrrad vonstatten. Der Radweg um den See ist Teil der beliebten Weinradroute und führt durch Weinberge, vorbei an historischen Ansitzen und modernen Kellereien. Besonders im Frühling, wenn die Apfelbäume blühen, ist diese Strecke ein wahrer Augenschmaus. Das weiß-rosa Blütenmeer verwandelt dann die gesamte Landschaft in ein Postkartenmotiv.
Für Familien mit Kindern eignet sich besonders der Radweg von Bozen zum Kalterer See. Die gut 30 Kilometer lange Strecke ist größtenteils flach und führt durch das Etschtal und die Weinberge des Überetsch. Der sogenannte Überetsch Express bringt müde Radler dann bequem zurück nach Bozen – Fahrräder inklusive.
Geheimnisvolle Wege zum Wasser
Eine besonders reizvolle Art, den See zu erreichen, ist die Wanderung durch die Rastenbachklamm. Von Altenburg oberhalb von Kaltern führt ein abenteuerlicher Pfad mit Treppen und Brücken hinunter zum Seeufer. Selbst an heißen Sommertagen herrscht in der schattigen Klamm angenehme Kühle. Das Rauschen des Wassers und der Duft von Moos und feuchter Erde schaffen eine fast mystische Atmosphäre.
Von Tramin aus erreichst du den See auf einem fünfeinhalb Kilometer langen Spaziergang durch die Weinberge. Unterwegs passierst du jahrhundertealte Höfe und moderne Kellereien – ein schöner Kontrast, der die Entwicklung der Region sichtbar macht. Immer wieder öffnen sich Durchblicke auf den glitzernden See, bis du schließlich das Ufer erreichst.
Wo Wein und Wasser sich treffen
Was den Kalterer See von anderen Alpenseen unterscheidet, ist seine Lage inmitten der Südtiroler Weinregion. Hier wachsen einige der besten Weißweine Italiens, allen voran der bekannte Kalterersee-Wein. Die Kombination aus warmem Klima, geschützter Lage und kalkhaltigen Böden schafft optimale Bedingungen für den Weinbau.
Diese einzigartige Symbiose aus Wasser und Wein prägt das gesamte Ambiente. Schon am frühen Morgen ziehen Winzer durch die Rebzeilen, während sich die ersten Spaziergänger am Seeufer auf den Weg machen. Später am Tag gesellen sich Badegäste dazu, und abends sitzen Einheimische wie Gäste bei einem Glas Wein in den Gasthäusern rund um den See.
Mehrere Weingüter bieten Verkostungen mit Blick auf den See an – ein Genuss für alle Sinne. Während du am Kalterersee oder Vernatsch nippst, schweift der Blick über das schimmernde Wasser zu den Weinbergen am gegenüberliegenden Ufer. So schmeckt Südtirol.
Praktische Tipps für deinen Besuch
Der Kalterer See ist gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Von Bozen bringt dich der Überetsch Express (Linie 131) in nur 30 Minuten direkt nach Kaltern. Von dort sind es mit dem Bus (Linie 130) nur fünf Minuten bis zum See. Auch von Tramin aus verkehrt ein regelmäßiger Shuttle zum Seeufer.
Wer mit dem Auto anreist, findet rund um den See ausreichend Parkplätze. Allerdings können diese an schönen Sommerwochenenden schnell belegt sein – früh kommen lohnt sich also. Der große Parkplatz am Lido auf der Ostseite ist meist die erste Anlaufstelle für Badegäste.
Am Ostufer findest du auch die meiste Infrastruktur: Restaurants, Cafés, Bootsverleihe und sanitäre Anlagen. Das Westufer ist ruhiger und naturbelassener – ideal für alle, die etwas Abstand vom Trubel suchen. Hier gibt es auch einige schöne Picknickplätze unter alten Bäumen.
Übrigens: Auch außerhalb der Badesaison hat der Kalterer See seinen Reiz. Im Herbst, wenn sich die Weinblätter rot und gold färben, zeigt sich die Landschaft von ihrer malerischsten Seite. Und selbst im Winter, wenn gelegentlich eine dünne Eisschicht das Wasser bedeckt, ist ein Spaziergang am Ufer durchaus reizvoll – wenngleich von den 28 Grad Wassertemperatur dann nichts mehr zu spüren ist.