Schweiz

Castelgrande & Co: Die drei mittelalterlichen Burgen von Bellinzona

Gleich drei Burgen thronen über der Tessiner Hauptstadt wie steinerne Riesen aus vergangenen Zeiten. Hier, wo sich einst Soldaten und Kaufleute die Klinke in die Hand gaben, kannst du heute durch Jahrhunderte wandeln.

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Zwischenablage

Bellinzona liegt an einer der wichtigsten Handelsrouten Europas – schon die alten Römer wussten das. Wer von Deutschland oder der Schweiz nach Italien wollte, musste praktisch zwangsläufig durch das Tal der Ticino. Klar, dass sich hier im Mittelalter die Herzöge von Mailand eine Festungsanlage hinstellten, die es in sich hatte.

Die drei Burgen – Castelgrande, Montebello und Sasso Corbaro – bildeten zusammen mit der Stadtmauer ein nahezu undurchdringliches Verteidigungssystem. Heute ist das Ensemble UNESCO-Welterbe und eine der besterhaltenen mittelalterlichen Festungsanlagen der Alpen. Nicht schlecht für eine Stadt mit gerade mal 18.000 Einwohnern.

Castelgrande – der Koloss auf dem Hügel

Das Castelgrande ist die älteste und größte der drei Burgen. Schon im 6. Jahrhundert stand hier eine Befestigung, die heutige Anlage stammt größtenteils aus dem 13. und 15. Jahrhundert. Zwei mächtige Türme – der Torre Bianca und der Torre Nera – ragen 27 beziehungsweise 28 Meter in die Höhe und sind schon von weitem sichtbar.

Besonders clever: Du erreichst die Burg nicht nur über den steilen Fußweg, sondern auch mit einem Aufzug, der direkt durch den Felsen führt. Der Eingang befindet sich etwas versteckt an der Piazza del Sole. Oben angekommen, eröffnet sich dir ein fantastischer Blick über die Stadt und das Tessin-Tal.

Im Inneren der Burg ist das Museo Storico untergebracht. Hier erfährst du alles über die Geschichte Bellinzonas und des Tessins. Spannend ist dabei die Sammlung mittelalterlicher Waffen und die Darstellung des Lebens zur Zeit der Mailänder Herrschaft. Der Rundgang dauert etwa eine Stunde, länger, wenn du dich für die Details interessierst.

Tipp: An sonnigen Tagen ist der Innenhof der Burg ein herrlicher Ort für eine Pause. Die dicken Mauern spenden Schatten, und manchmal finden hier sogar Konzerte statt.

Montebello – Kleinod mit Aussicht

Etwas oberhalb des Castelgrande, am östlichen Hang, liegt Montebello. Diese Burg ist kleiner, aber nicht weniger reizvoll. Der Aufstieg zu Fuß dauert etwa 15 Minuten vom Stadtzentrum – nicht ganz ohne, aber machbar.

Montebello wurde im 14. Jahrhundert erbaut und mehrfach erweitert. Heute beherbergt es das Museo Civico und das Museo Archeologico. Während das eine die Stadtgeschichte aufarbeitet, widmet sich das andere den römischen und prähistorischen Funden aus der Gegend. Besonders interessant sind die Gräberfunde aus der Eisenzeit.

Was Montebello aber wirklich auszeichnet, ist die Atmosphäre. Die Burg wirkt intimer als das mächtige Castelgrande, fast schon gemütlich. Der kleine Innenhof mit seinem Brunnen hat etwas Märchenhaftes, und von den Zinnen aus genießt du einen tollen Blick auf das Castelgrande und die Stadt.

Übrigens: Von Montebello aus führt ein Wanderweg weiter zum Sasso Corbaro. Der Weg ist gut ausgeschildert, aber recht steil. Rechne mit etwa 20 Minuten Gehzeit.

Sasso Corbaro – die Krone der Verteidigung

Hoch oben, 462 Meter über dem Meeresspiegel, thront die jüngste der drei Burgen: Sasso Corbaro. 1479 in nur sechs Monaten erbaut – eine Rekordzeit für damalige Verhältnisse – sollte sie die Verteidigungslinie nach oben hin abschließen.

Der Aufstieg ist schweißtreibend, keine Frage. Mit dem Auto kommst du bis fast vor die Tür, zu Fuß brauchst du vom Stadtzentrum gut 45 Minuten. Aber die Mühe lohnt sich. Von hier oben siehst du nicht nur ganz Bellinzona zu deinen Füßen, sondern bei klarem Wetter sogar bis zum Lago Maggiore.

Die Burg selbst ist kompakt und wirkt fast wie ein großer Wohnturm. Im Inneren findest du eine Sammlung zur Geschichte der Schweizer Eidgenossenschaft und zur Eroberung des Tessins durch die Eidgenossen im Jahr 1512. Besonders beeindruckend ist der große Saal mit seiner gewölbten Decke.

Ein kleines Restaurant in der Burg sorgt für das leibliche Wohl – perfekt nach dem anstrengenden Aufstieg. Die Terrasse ist ein traumhafter Ort für ein Mittagessen mit Panoramablick.

Die Stadtmauer – das fehlende Puzzleteil

Was viele Besucher übersehen: Die drei Burgen waren nur ein Teil des Verteidigungssystems. Eine mächtige Stadtmauer verband sie miteinander und schloss das gesamte Tal ab. Teile dieser Mauer sind heute noch erhalten und begehbar.

Besonders gut erhalten ist der Abschnitt zwischen Castelgrande und Montebello. Hier kannst du auf der Mauerkrone entlanggehen und bekommst ein Gefühl dafür, wie undurchdringlich diese Anlage einst gewesen sein muss. Die Mauer war übrigens so breit, dass Soldaten problemlos darauf patrouillieren konnten.

Ein Spaziergang entlang der Mauer ist kostenlos und jederzeit möglich. Plane etwa 30 Minuten dafür ein, mehr, wenn du die Aussicht genießen willst.

Praktische Informationen

Alle drei Burgen sind ganzjährig geöffnet, allerdings mit reduzierten Öffnungszeiten in den Wintermonaten. Ein Kombiticket für alle drei Burgen kostet 20 Schweizer Franken für Erwachsene, ermäßigt 15 Franken. Kinder bis 16 Jahre haben freien Eintritt.

Die Audioguides sind definitiv empfehlenswert – sie gibt es auf Deutsch, Italienisch, Französisch und Englisch. Für den Besuch aller drei Burgen solltest du einen ganzen Tag einplanen, wobei die reine Besichtigungszeit etwa vier Stunden beträgt.

Parken ist in der Innenstadt von Bellinzona schwierig und teuer. Besser, du kommst mit dem Zug – der Bahnhof liegt nur wenige Minuten zu Fuß vom Castelgrande entfernt. Von Zürich aus sind es mit dem direkten Zug etwa zweieinhalb Stunden.

Was du sonst noch wissen solltest

Die Burgen sind nicht nur Museen, sondern auch lebendige Kulturorte. Im Sommer finden regelmäßig Konzerte, Theateraufführungen und Märkte statt. Besonders stimmungsvoll ist das alljährliche Mittelalterfest im September, wenn Ritter, Handwerker und Gaukler die Burgen bevölkern.

Fotografieren ist überall erlaubt, nur in den Museumsräumen solltest du auf den Blitz verzichten. Die besten Fotomotive findest du übrigens nicht nur von den Burgen aus, sondern auch von unten – das Castelgrande wirkt besonders imposant, wenn du es vom Bahnhofsplatz aus betrachtest.

Für Familien mit Kindern gibt es spezielle Führungen und Aktivitäten. Die kleinen Besucher können sich als Ritter verkleiden und bei einer Schatzsuche die Geheimnisse der Burgen entdecken. Das kommt meistens gut an und macht aus einem Kulturausflug ein echtes Abenteuer.

Ein letzter Tipp: Wenn du schon mal da bist, verpasse nicht die Gelegenheit, durch die Altstadt von Bellinzona zu bummeln. Die Collegiata dei Santi Pietro e Stefano mit ihren Renaissance-Fresken ist sehenswert, und die Piazza Collegiata lädt zu einem Aperitivo ein. Hier merkst du, dass du dich schon südlich der Alpen befindest – das Flair ist eindeutig italienisch, die Preise allerdings noch schweizerisch.

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