Sils Maria und Sils Baselgia – die beiden Ortsteile der Gemeinde Sils – thronen auf 1.800 Metern Höhe im Oberengadin. Zwischen ihnen erstrecken sich der Silsersee und der kleinere Silvaplanersee wie zwei glänzende Spiegel in der hochalpinen Landschaft. Das Maloja-Tal öffnet sich hier zu einer weiten Ebene, die von mächtigen Dreitausendern umrahmt wird. Piz Corvatsch, Piz da la Margna und die Berninagruppe bilden eine Kulisse, die selbst hartgesottene Alpinisten ins Schwärmen bringt.
Die beiden Seen entstanden durch glaziale Übertiefung während der letzten Eiszeit. Der Silsersee ist mit einer Länge von 4,1 Kilometern und einer maximalen Tiefe von 71 Metern der größere der beiden. Der Silvaplanersee dagegen ist bescheidener dimensioniert, aber nicht minder reizvoll. Beide werden vom Inn durchflossen, der hier noch ein beschauliches Bächlein ist, bevor er sich auf seinen langen Weg zur Donau macht.
Sils Maria: Wo Geist und Natur sich treffen
Sils Maria ist der bekanntere der beiden Ortsteile, und das nicht ohne Grund. Friedrich Nietzsche verbrachte hier sieben Sommer zwischen 1881 und 1888. Sein ehemaliges Wohnhaus ist heute ein Museum, das Einblicke in das Leben des Philosophen gibt. Interessant dabei: Nietzsche kam nicht wegen der spektakulären Aussicht hierher, sondern weil das Klima seine Kopfschmerzen linderte. Dass er hier Teile seines "Also sprach Zarathustra" schrieb, war sozusagen ein schöner Nebeneffekt.
Das Dorf selbst hat sich seinen ursprünglichen Charakter bewahrt. Engadiner Häuser mit ihren charakteristischen Sgraffito-Verzierungen säumen die schmalen Gassen. Besonders auffällig ist das Hotel Waldhaus, ein Grandhotel aus der Belle Époque, das wie ein Märchenschloss über dem Silsersee thront. Die Familie Kienberger führt das Haus seit 1908 in vierter Generation – ein seltenes Beispiel für Kontinuität in der Hotellerie.
Spaziert man durch Sils Maria, fällt die besondere Ruhe auf. Kein Verkehrslärm, nur das leise Plätschern der Wellen am Seeufer und gelegentlich das Läuten der Kirchenglocken. Die reformierte Kirche aus dem 12. Jahrhundert steht etwas erhöht und bietet einen schönen Blick über den Ort.
Der Silsersee: Wassersport und Wanderungen
Der Silsersee ist ein Paradies für alle, die gerne auf oder am Wasser sind. Im Sommer erwärmt sich das Wasser auf bis zu 20 Grad – für Alpenverhältnisse geradezu mediterran. Mutige können sogar schwimmen gehen, auch wenn das Vergnügen meist kurz ausfällt. Segler und Windsurfer schätzen die thermischen Winde, die nachmittags regelmäßig über den See fegen. Der Malojawind bläst aus südwestlicher Richtung und kann durchaus kräftig werden.
Wer es entspannter mag, kann mit dem Linienschiff von Sils Maria nach Maloja fahren. Die "Panta Rhei" verkehrt von Mai bis Oktober und bietet eine gemütliche Art, den See zu erkunden. Unterwegs passiert man kleine Buchten und kann die Berge aus einer ganz anderen Perspektive betrachten. Besonders schön ist die Fahrt in den Abendstunden, wenn sich die Gipfel golden im Wasser spiegeln.
Rundherum führen zahlreiche Wanderwege. Der Seerundweg ist auch für Familien mit Kindern geeignet und dauert etwa zwei Stunden. Anstrengender, aber lohnend ist die Wanderung zur Alp da Cavloc. Von dort hat man einen fantastischen Blick auf beide Seen und das gesamte Oberengadin. Achtung: Der Weg ist teilweise steil und erfordert Trittsicherheit.
Silvaplanersee: Der kleine Bruder mit großem Charme
Der Silvaplanersee wird oft übersehen, was schade ist. Er ist zwar deutlich kleiner als sein berühmter Nachbar, hat aber seinen ganz eigenen Reiz. Das Wasser ist hier oft ruhiger, da er windgeschützter liegt. Kitesurfer haben ihn längst für sich entdeckt – die konstanten Winde machen ihn zu einem der besten Kite-Spots der Alpen.
Am Südufer des Silvaplanersees liegt eine besondere Sehenswürdigkeit: die Halbinsel Chasté. Archäologen haben hier Überreste einer bronzezeitlichen Siedlung ausgegraben. Die Funde zeigen, dass das Engadin schon vor 3.500 Jahren besiedelt war. Ein kleiner Lehrpfad informiert über die Geschichte des Ortes. Nebenbei bemerkt: Die Aussicht von hier ist grandios, besonders bei Sonnenaufgang.
Der Campingplatz Silvaplana direkt am Seeufer ist einer der schönsten der Schweiz. Morgens beim Aufwachen den Blick auf die schneebedeckten Gipfel zu haben – das vergisst man nicht so schnell. Allerdings sollte man zeitig reservieren, besonders in der Hochsaison ist der Platz schnell ausgebucht.
Sils Baselgia: Tradition und Moderne
Sils Baselgia, der zweite Ortsteil, liegt etwas abseits der großen Touristenströme. Hier geht es noch beschaulicher zu als in Sils Maria. Das Dorf wird geprägt von der katholischen Kirche Sontga Maria, deren Turm schon von weitem sichtbar ist. Im Inneren finden sich kostbare Fresken aus dem 15. Jahrhundert.
Bemerkenswert ist das Kulturhotel Chesa Randolina, das in einem historischen Engadiner Haus untergebracht ist. Die Räume sind mit antiken Möbeln und regionaler Kunst ausgestattet – eine gelungene Mischung aus Tradition und Komfort. Das Restaurant serviert gehobene Bündner Küche, wobei besonders die Gerichte mit Wild aus der Region zu empfehlen sind.
Von Sils Baselgia aus ist die Furtschellas-Bahn zu erreichen, die auf knapp 2.300 Meter führt. Oben wartet ein Panorama, das seinesgleichen sucht. Bei klarer Sicht reicht der Blick bis zu den Walliser Viertausendern. Im Winter ist das Gebiet Teil des Skigebiets Corvatsch, im Sommer starten hier etliche Bergwanderungen.
Kulinarik: Zwischen Alp und Gourmet
Die Küche rund um die Silser Seen verbindet bündnerische Tradition mit internationalen Einflüssen. In den einfacheren Restaurants gibt es Klassiker wie Capuns oder Maluns – Gerichte, die satt machen und wärmen. Capuns sind Mangoldröllchen mit einer Füllung aus Spätzliteig, Kräutern und Speck. Klingt gewöhnungsbedürftig, schmeckt aber hervorragend.
Gehobener geht es im Restaurant des Hotel Waldhaus zu. Hier kocht man auf Michelin-Niveau, ohne den regionalen Bezug zu verlieren. Besonders die Fischgerichte sind einen Versuch wert – der Saibling aus dem Silsersee ist eine Delikatesse. Preislich bewegt man sich allerdings in Dimensionen, die dem gehobenen Hotelambiente entsprechen.
Aktivitäten zu jeder Jahreszeit
Im Sommer stehen Wassersport und Wandern im Vordergrund. Die Seen bieten ideale Bedingungen zum Segeln, Surfen und Schwimmen. Wer höher hinaus will, kann mit der Corvatsch-Bahn auf 3.303 Meter fahren. Oben gibt es sogar einen kleinen Gletscher – im Juli! Der Abstieg zu Fuß dauert etwa drei Stunden und führt durch verschiedene Klimazonen.
Mountainbiker finden hier ein wahres Eldorado. Der Panorama-Trail von der Corvatsch-Bergstation nach Surlej gehört zu den schönsten Singletrails der Alpen. Technisch anspruchsvoll, aber die Aussicht ist unbezahlbar. Weniger erfahrene Fahrer sollten den gemütlicheren Seerundweg wählen.
Im Winter verwandelt sich die Region in ein Wintersportparadies. Das Skigebiet Corvatsch-Furtschellas bietet Pisten für alle Schwierigkeitsgrade. Besonders schön: Die Abfahrt vom Corvatsch nach Silvaplana führt an beiden Seen vorbei – ein Erlebnis, das lange in Erinnerung bleibt. Langläufer finden gespurte Loipen direkt am Seeufer. Die Strecke von Maloja nach St. Moritz gehört zu den klassischen Engadin-Routen.
Praktische Informationen
Sils ist mit dem öffentlichen Verkehr gut erreichbar. Von St. Moritz fahren regelmäßig Postbusse, die Fahrt dauert etwa 20 Minuten. Mit dem Auto nimmt man am besten die Julierpass-Route oder kommt über den Malojapass aus Italien. Parkplätze sind in der Hochsaison knapp und kostenpflichtig.
Die beste Reisezeit hängt von den geplanten Aktivitäten ab. Für Wanderungen und Wassersport sind Juli und August ideal, wenn auch am vollsten. September kann traumhaft sein – weniger Touristen, aber oft noch warmes Wetter. Im Winter ist von Dezember bis März Schneesicherheit gegeben.
Übernachtungsmöglichkeiten gibt es für jeden Geldbeutel. Das Hotel Waldhaus ist die luxuriöse Variante, kleinere Pensionen bieten solide Mittelklasse. Wer sparen will, kann auf dem Campingplatz in Silvaplana übernachten oder in St. Moritz wohnen und mit dem Bus anreisen.