Der Comer See - auf Italienisch Lago di Como - ist mit seinen 146 Quadratkilometern der drittgrößte See Italiens. Seine charakteristische Y-Form entstand durch Gletscherbewegungen während der letzten Eiszeit. Dabei schaufelte das Eis tiefe Furchen in die Landschaft, die heute bis zu 410 Meter unter den Meeresspiegel reichen. Das macht den See zu einem der tiefsten Europas.
Drei Arme prägen die Silhouette: Der südwestliche Arm führt nach Como, der südöstliche nach Lecco, während sich der nördliche Zipfel bis nach Colico erstreckt. Dazwischen liegt die Halbinsel Bellagio - das berühmte "Dreieck", wo sich alle drei Seearme treffen. Die Einheimischen nennen diesen Punkt schlicht "il centro del lago".
Das Klima hier ist außergewöhnlich mild. Die hohen Berge ringsum schützen vor kalten Nordwinden, während das große Wasservolumen als natürlicher Temperaturregulator fungiert. Palmen, Zypressen, Oleander und sogar Zitronen gedeihen prächtig - ein mediteranes Mikroklima auf 200 Meter Höhe.
Como: Seidenstadt mit römischen Wurzeln
Die Hauptstadt am Südufer trägt den Namen des gesamten Sees, obwohl sie nur einen kleinen Teil der Uferlinie beherrscht. Como blickt auf eine bewegte Geschichte zurück: Bereits die Römer schätzten die strategische Lage, später machten mittelalterliche Kaufleute die Stadt zu einem Handelszentrum. Heute noch prägt die Seidenproduktion das Stadtbild - Como gilt als Seidenhauptstadt Europas.
Der gotische Dom von Como überragt das historische Zentrum. Sein Bau dauerte über 300 Jahre, weshalb sich verschiedene Epochen in der Architektur wiederfinden. Besonders beeindruckend ist die Westfassade mit ihren filigranen Steinmetzarbeiten. Im Inneren findest du Gemälde von Bernardino Luini, einem Schüler Leonardo da Vincis.
Von der Piazza Cavour aus starten die meisten Schifffahrten über den See. Die Uferpromenade lädt zum Flanieren ein, während sich in den engen Gassen der Altstadt kleine Restaurants und Boutiquen verstecken. Wer einen Panoramablick über Stadt und See sucht, nimmt die Standseilbahn hinauf nach Brunate. Oben wartet ein Aussichtspunkt, der schon bei den Mailändern als beliebtes Ausflugsziel gilt.
Bellagio: Die Perle des Sees
An der Spitze der Halbinsel, wo sich die drei Seearme treffen, liegt Bellagio. Das kleine Städtchen mit seinen knapp 3.000 Einwohnern zieht jährlich Hunderttausende von Besuchern an. Kein Wunder: Die Lage ist spektakulär, das historische Zentrum authentisch und die Gärten legendär.
Durch enge Gassen mit Kopfsteinpflaster geht es vom Hafen hinauf zur Basilika San Giacomo aus dem 12. Jahrhundert. Der Weg führt vorbei an Souvenirläden, kleinen Trattorien und Boutiquen, die lokale Spezialitäten verkaufen. Die berühmten Gärten der Villa Melzi und der Villa Serbelloni öffnen ihre Pforten für Besucher. Hier wachsen seltene Pflanzen aus aller Welt, während sich zwischen Rhododendren und Azaleen immer wieder atemberaubende Ausblicke auf den See eröffnen.
Ein Geheimtipp ist der Spaziergang zur Punta Spartivento. Von diesem "windteilenden" Kap aus überblickst du alle drei Seearme gleichzeitig. An klaren Tagen reicht der Blick bis zu den schneebedeckten Gipfeln der Bergamasker Alpen.
Varenna: Romantik zwischen Felsen und Wasser
Am Ostufer des Sees klebt Varenna regelrecht am steilen Felshang. Die bunten Häuser scheinen direkt aus dem Wasser zu wachsen, während sich enge Treppen und Gässchen den Berg hinaufwinden. Das Dorf ist deutlich ruhiger als Bellagio, aber nicht weniger reizvoll.
Die Villa Monastero, einst ein Zisterzienserkloster, beherbergt heute ein Museum und einen botanischen Garten. Über zwei Kilometer erstreckt sich die Gartenanlage dem Seeufer entlang. Exotische Pflanzen aus allen Klimazonen finden hier ein Zuhause - von japanischen Ahornbäumen bis zu mexikanischen Agaven.
Spannend ist dabei, dass Varenna seinen ursprünglichen Charakter bewahrt hat. Fischer flicken noch heute ihre Netze am kleinen Hafen, während in den Restaurants lokale Spezialitäten wie "missoltini" - getrocknete Fische aus dem See - serviert werden. Der Geschmack ist gewöhnungsbedürftig, aber authentisch lombardisch.
Menaggio und die Westküste
Menaggio am Westufer punktet mit seiner entspannten Atmosphäre und der direkten Nähe zur Schweizer Grenze. Das Städtchen diente jahrhundertelang als wichtiger Handelsplatz zwischen Italien und den Alpenländern. Heute schätzen Wanderer und Radfahrer die Ausgangslage: Von hier führen Wege ins Val Menaggio und weiter ins schweizerische Lugano.
Die Uferpromenade von Menaggio gilt als eine der schönsten am ganzen See. Platanen spenden Schatten, während sich Cafés und Restaurants aneinanderreihen. Am Lido kannst du schwimmen und Wassersport treiben - eine der wenigen Stellen am See mit öffentlichem Strandzugang.
Nördlich von Menaggio liegt Tremezzo mit der berühmten Villa Carlotta. Das neoklassizistische Gebäude aus dem 18. Jahrhundert beherbergt eine beeindruckende Kunstsammlung und einen der schönsten Gärten Oberitaliens. Zur Blütezeit der Rhododendren und Azaleen im Mai verwandelt sich der Park in ein Farbenmeer.
Promi-Villen und Hollywood-Glamour
Der Comer See ist seit Jahrhunderten ein Refugium für Reiche und Berühmte. Schon im 19. Jahrhundert ließen sich hier europäische Adelsfamilien nieder. Heute besitzen Hollywoodstars wie George Clooney Villen am Seeufer. Seine Villa Oleandra in Laglio ist längst zu einer Touristenattraktion geworden - auch wenn sie von außen kaum zu sehen ist.
Andere prominente Anwesen wie die Villa d'Este in Cernobbio oder die Villa Balbianello auf der Halbinsel di Lavedo dienen regelmäßig als Filmkulissen. Szenen aus "James Bond: Casino Royale" und "Star Wars: Episode II" wurden hier gedreht. Die Villa Balbianello ist übrigens für Besucher zugänglich - der Weg führt entweder über einen 20-minütigen Fußmarsch oder bequem per Boot.
Dass sich so viele Prominente hier niederlassen, hat gute Gründe: Die Privatsphäre ist gewährleistet, die Landschaft spektakulär und Mailand nur eine Stunde entfernt. Zudem herrscht eine diskrete Atmosphäre - Paparazzi sind hier nicht gern gesehen.
Schifffahrt: Die beste Art, den See zu erkunden
Das dichte Netz der Schifffahrtsgesellschaft Navigazione Lago di Como verbindet alle wichtigen Orte miteinander. Die weißen Dampfer und modernen Tragflügelboote verkehren im Sommer alle 30 Minuten zwischen den Hauptdestinationen. Eine Tageskarte lohnt sich fast immer - damit kannst du beliebig oft ein- und aussteigen.
Besonders romantisch ist eine Fahrt mit einem der historischen Raddampfer. Diese nostalgischen Schiffe aus den 1920er Jahren verkehren auf der Strecke Como-Colico und bieten ein authentisches Reiseerlebnis. An Bord gibt es meist ein kleines Restaurant, wo du bei einem Aperitif die vorbeiziehende Landschaft genießen kannst.
Für Individualisten bieten sich Wassertaxis oder Motorboote zum Mieten an. Damit erreichst du auch abgelegene Buchten und versteckte Restaurants, die nur vom Wasser aus zugänglich sind. Ein Bootsführerschein ist für kleinere Boote nicht erforderlich - eine kurze Einweisung reicht.
Wandern zwischen Alpen und Mittelmeer
Die Landschaft rund um den Comer See bietet Wandermöglichkeiten für jeden Geschmack. Gemütliche Spaziergänge führen entlang des Seeufers, während anspruchsvolle Bergtouren bis auf über 2.000 Meter Höhe locken. Besonders beliebt ist der "Sentiero del Viandante" - der Wandererweg - der in fünf Etappen das Ostufer von Abbadia Lariana bis Colico erkundet.
Der Weg folgt alten Handelspfaden und bietet ständig wechselnde Perspektiven auf den See. Mal geht es durch Kastanienwälder, dann wieder über sonnige Terrassen mit Weinreben und Olivenbäumen. Unterwegs passierst du kleine Weiler, wo die Zeit stillzustehen scheint. In Osterie und Agriturismi kannst du lokale Spezialitäten probieren - von hausgemachter Pasta bis zu regionalem Käse.
Für Bergsteiger interessant ist der Monte San Primo oberhalb von Bellagio. Der 1.686 Meter hohe Gipfel bietet bei klarem Wetter einen grandiosen Rundblick über alle lombardischen Seen bis hin zu den Schweizer Alpen. Der Aufstieg dauert etwa drei Stunden und führt durch typische Almlandschaft.
Kulinarische Entdeckungen
Die Küche am Comer See verbindet lombardische Tradition mit mediterranen Einflüssen. Fisch aus dem See spielt eine wichtige Rolle: Forelle, Barsch und der seltene "agone" - eine Sardinenart - landen frisch auf den Tellern. Besonders typisch sind die bereits erwähnten "missoltini", luftgetrocknete kleine Fische, die als Antipasto serviert werden.
Polenta in verschiedenen Variationen ist ein weiterer Klassiker. Sie wird als Beilage zu Fleischgerichten gereicht oder mit Käse und Pilzen als Hauptspeise zubereitet. Dazu passt ein Glas Valtellina, der Rotwein aus dem nahen Alpenvorland. Die Reben wachsen auf steilen Terrassen und bringen kräftige, würzige Weine hervor.
Kleine Familienrestaurants abseits der Touristenströme bieten oft das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. In den Bergdörfern oberhalb des Sees findest du noch Gasthäuser, wo nach alten Rezepten gekocht wird. Ein Tipp: "Brasato al Barolo" - Rindfleisch in Rotwein geschmort - ist hier besonders gut gelungen.
Praktische Reisetipps
Die beste Reisezeit für den Comer See sind die Monate Mai bis Oktober. Im Frühling blühen Azaleen und Rhododendren, der Sommer lockt mit warmen Temperaturen und langen Tagen. Der Herbst überrascht mit mildem Wetter und weniger Touristen - ideal für Wanderungen und Besichtigungen.
Anreise: Der nächste größere Flughafen ist Mailand-Malpensa, von dort fahren Busse direkt nach Como. Mit dem Auto erreichst du den See über die Autobahn A9. Parkplätze sind allerdings knapp und teuer - besonders in den beliebten Orten wie Bellagio oder Varenna.
Übernachtung: Hotels direkt am Seeufer sind entsprechend teuer, bieten aber oft spektakuläre Ausblicke. Preiswertere Alternativen findest du in den Bergdörfern oberhalb des Sees. Viele Unterkünfte schließen zwischen November und März - rechtzeitige Buchung ist daher ratsam.
Ein Tipp für Sparfüchse: Viele Restaurants bieten mittags günstige Menüs an. Das "pranzo" - Mittagessen - ist oft deutlich preiswerter als das Abendessen und qualitativ gleichwertig. Zudem sind die Portionen meist üppig bemessen.