Der Königssee liegt wie ein smaragdgrüner Fjord eingebettet zwischen den steil aufragenden Felswänden des Watzmanns und des Hagen-Gebirges. Mit einer Länge von knapp acht Kilometern und einer Tiefe von bis zu 190 Metern zählt er zu den tiefsten und saubersten Seen Deutschlands. Seit 1909 verkehren auf dem Königssee ausschließlich Elektroboote – eine frühe Umweltschutzmaßnahme, die bis heute für die besondere Stille auf dem Wasser sorgt. Der See ist Teil des 1978 gegründeten Nationalparks Berchtesgaden und wurde bereits 1930 zum Naturschutzgebiet erklärt.
Vom Hauptort Schönau am Königssee starten die berühmten Elektroboote in Richtung St. Bartholomä. Die Anlegestelle befindet sich inmitten einer kleinen Siedlung mit Restaurants, Souvenirläden und dem Informationszentrum des Nationalparks. Wer früh dran ist, vermeidet die längsten Warteschlangen – besonders in der Hochsaison zwischen Juni und September kann es zeitweise rappelvoll werden. Die erste Bootsfahrt beginnt meistens gegen 8 Uhr morgens, die letzte startet – je nach Saison – zwischen 16 und 18 Uhr.
Die Bootsfahrt selbst ist mehr als nur ein Transportmittel zum Ziel. Nach etwa der Hälfte der Strecke legt der Schiffsführer traditionell eine kurze Pause ein und demonstriert das berühmte Königssee-Echo. An dieser Stelle, wo sich die Steilwände besonders hoch erheben, spielt er auf einer Trompete einige Töne, die mehrfach von den Felswänden zurückgeworfen werden. Das Echo ist so klar, dass man es für einen ganzen Bläserchor halten könnte – ein akustisches Phänomen, das seit Jahrhunderten Besucher verblüfft.
St. Bartholomä – Barocke Perle am Seeufer
Die Wallfahrtskirche St. Bartholomä mit ihren charakteristischen roten Zwiebeltürmen und der weißen Fassade ist zweifellos das Wahrzeichen des Königssees. Sie liegt auf einer kleinen Halbinsel am Westufer, direkt am Fuße des mächtigen Watzmann-Ostwand-Massivs. Der Kontrast zwischen dem zierlichen Kirchlein und der gewaltigen, fast 2000 Meter aufragenden Felswand dahinter schafft jenes ikonische Bild, das auf unzähligen Postkarten und Kalendern zu finden ist.
Die heutige Kirche stammt größtenteils aus dem 17. Jahrhundert, wurde aber an der Stelle eines viel älteren Gotteshauses errichtet. Erste Erwähnungen einer Kapelle an diesem Ort gehen bis ins 12. Jahrhundert zurück. Der Grundriss der Kirche ist außergewöhnlich: Ein achteckiger Zentralbau wird von drei halbrunden Konchen umgeben – eine architektonische Besonderheit, die vom Salzburger Dom inspiriert wurde. Im Inneren beeindrucken vor allem der Hochaltar mit einer Darstellung des Martyriums des heiligen Bartholomäus sowie die kunstvollen Stuckaturen.
Neben der Kirche steht das ehemalige Jagdschloss der Fürstpröpste und späteren Könige von Bayern. Heute beherbergt es ein traditionelles Gasthaus, in dem Spezialitäten wie die berühmte Königssee-Saiblingssuppe oder geräucherter Saibling auf die Teller kommen. Der Fisch stammt aus dem See selbst, wo er nach wie vor nachhaltig gefischt wird.
Wanderungen rund um den Königssee
St. Bartholomä ist nicht nur ein Ort zum Verweilen und Staunen, sondern auch Ausgangspunkt für reizvolle Wanderungen. Der bekannteste Weg führt ins Eistal und zum Eiskapelle genannten Schneefeld, das selbst im Hochsommer nicht vollständig schmilzt. Der Weg dorthin dauert etwa eine Stunde und führt durch einen lichten Wald, vorbei an Geröllfeldern und kleinen Bachläufen. Die Eiskapelle selbst liegt am Ende des Tals, eingerahmt von den schroffen Wänden des Watzmanns. Es handelt sich um die tiefstgelegene permanente Schnee- und Eisansammlung der Ostalpen.
Wer mehr Zeit und Kondition mitbringt, kann von St. Bartholomä auch die anspruchsvolle Wanderung zur Saugasse unternehmen. Dieser steile Pfad führt durch eine Art natürliche Treppe in der Felswand hinauf auf das Hochplateau und bietet atemberaubende Ausblicke. Für diese Tour sollte man allerdings mindestens vier Stunden einplanen und trittsicher sein.
Am anderen Ende des Königssees, etwa 20 Minuten mit dem Boot hinter St. Bartholomä, liegt Salet mit der Anlegestelle für den Obersee. Dieser kleinere See ist durch eine Landenge vom Königssee getrennt und wirkt mit seinen senkrecht aus dem Wasser aufsteigenden Felswänden noch ursprünglicher. Ein flacher Wanderweg führt einmal um den Obersee herum zur Fischunkelalm – eine der letzten bewirtschafteten Almen im Nationalpark Berchtesgaden. Die dortige Buttermilch gilt als legendär erfrischend, erst recht nach dem einstündigen Fußmarsch.
Die beste Reisezeit für den Königssee
Der Königssee zeigt sich zu jeder Jahreszeit von einer anderen, faszinierenden Seite. Im Frühsommer, wenn die Berge noch schneebedeckt sind, während im Tal schon saftige Wiesen grünen, entstehen besonders eindrucksvolle Kontraste. Die Hauptsaison fällt in die Sommermonate Juli und August, wenn das Wetter am stabilsten ist und das kristallklare Wasser des Sees zum Baden einlädt – an den wenigen offiziellen Badestellen nahe der Seelände in Schönau.
Tipp für Fotografen: Der Herbst bringt oft klare Sicht und farbenfrohe Wälder an den Berghängen mit sich. Zugleich sind dann deutlich weniger Touristen unterwegs. Morgenstunden sorgen für die besten Lichtverhältnisse am See, wenn die Sonne langsam über die Berge klettert und die Felswände in warmes Licht taucht. Nicht selten liegt dann noch etwas Morgennebel über dem Wasser, was dem Ganzen eine mystische Stimmung verleiht.
Im Winter ruht der reguläre Schiffsbetrieb meistens, obwohl der See nur selten vollständig zufriert. Stattdessen werden spezielle Winterfahrten zu St. Bartholomä angeboten – ein einzigartiges Erlebnis, wenn die verschneiten Berghänge und die eisbedeckten Bäume eine märchenhafte Kulisse bilden. An manchen Wintertagen wirkt die Gegend wie ein verwunschenes Reich, ganz besonders wenn Schnee die roten Zwiebeltürme von St. Bartholomä bedeckt.
Praktische Informationen für den Besuch
Die Anreise zum Königssee erfolgt am besten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, da die Parkplätze in Schönau am Königssee begrenzt und nicht gerade billig sind (ca. 5 Euro für drei Stunden). Vom Bahnhof Berchtesgaden verkehren regelmäßig Busse zum See. Fahrräder sind auf dem letzten Stück zur Seelände nicht erlaubt – der Bereich ist Fußgängern vorbehalten.
Für die Schifffahrt empfiehlt sich ein frühzeitiger Start, um dem größten Andrang zu entgehen. Eine einfache Fahrt nach St. Bartholomä kostet etwa 10 Euro für Erwachsene, eine Rundfahrt inklusive Obersee etwa das Doppelte. Kinder zwischen 6 und 17 Jahren zahlen weniger, für Familien gibt es spezielle Tarife. Hunde dürfen gegen eine kleine Gebühr mit an Bord. Die Fahrzeit nach St. Bartholomä beträgt etwa 35 Minuten, bei voll besetzten Schiffen können aber auch längere Wartezeiten anfallen.
Wer nicht den ganzen Tag am See verbringen möchte, kann den Besuch gut mit anderen Attraktionen der Umgebung verbinden. Die Wallfahrtskirche Maria Gern, das Salzbergwerk Berchtesgaden oder das beeindruckende Dokumentationszentrum Obersalzberg liegen alle in der Nähe. Für einen kompletten Überblick über die Region lohnt sich auch eine Fahrt auf den Jenner, von dessen Gipfel aus man nicht nur den Königssee, sondern auch die umliegende Bergwelt überblicken kann.
Legenden und Geschichten rund um den See
Um den Königssee ranken sich zahlreiche Legenden und Geschichten. Eine davon betrifft den "Schwimmenden Altar", einen Felsblock im Wasser nahe St. Bartholomä. Der Sage nach soll ein Blitz in diesen Felsen eingeschlagen haben, als dort gerade eine Messe abgehalten wurde. Seitdem erinnere seine Form an einen Altar. Die Bootsführer weisen während der Fahrt gerne auf diesen unscheinbaren Felsen hin, der ohne die Geschichte wohl kaum Beachtung finden würde.
Eine weitere Legende rankt sich um den Namen des Sees selbst. Laut Überlieferung soll er seinen Namen nicht etwa wegen seiner "königlichen" Erscheinung erhalten haben, sondern er leitet sich vom altbayerischen "Künig" ab – was so viel wie "tiefe Schlucht" bedeutet. In der Tat wirkt der langgestreckte, schmale See mit seinen steilen Ufern eher wie ein norwegischer Fjord als wie ein typisch deutscher See.
Die Geschichten um den Watzmann, den mächtigen Berg an der Westseite des Sees, sind besonders dramatisch. Der Sage nach war König Watzmann ein grausamer Herrscher, der mit seiner Familie zur Strafe für seine Untaten versteinert wurde. Die Hauptgipfel des Bergmassivs stellen demnach den König, seine Frau und die Kinder dar. Noch heute werden die Gipfel als Großer Watzmann (der König), Kleiner Watzmann oder Watzmannfrau sowie die Watzmannkinder bezeichnet.
Nachhaltig unterwegs am Königssee
Der Königssee gilt seit langem als Vorreiter in Sachen Umweltschutz. Die Elektroboote, die schon seit über hundert Jahren den Verbrennungsmotor ersetzen, waren ihrer Zeit weit voraus. Diese Tradition des Naturschutzes wird im gesamten Nationalpark Berchtesgaden fortgeführt. Wer den See besucht, sollte diesen Gedanken respektieren und einige einfache Regeln beachten.
Absolutes Muss: Müll wieder mitnehmen. Es gibt nur wenige Abfallbehälter rund um den See, und das aus gutem Grund. Jedes Stück Abfall müsste per Boot abtransportiert werden. Auch das Baden ist nur an ausgewiesenen Stellen erlaubt, um die empfindliche Uferfauna nicht zu stören. Private Boote, Surfbretter oder ähnliches dürfen auf dem See nicht benutzt werden – ausschließlich die offiziellen Elektroboote sind zugelassen.
Ein besonderes Problem stellen mancherorts die Fütterungsversuche von Wildtieren dar. Speziell die Enten an der Seelände sind durch jahrelanges Füttern an Menschen gewöhnt. Inzwischen gibt es aber Bemühungen, dies einzudämmen, da es weder für die Tiere gesund ist noch dem Naturschutzgedanken entspricht. Auch die berühmten Saiblinge des Königssees werden inzwischen nach strengen Nachhaltigkeitskriterien befischt – wer sie im Restaurant bestellt, unterstützt damit eine jahrhundertealte Tradition der Region.
Wer die Natur des Königssees intensiver erleben möchte, kann an geführten Rangerwanderungen teilnehmen, die vom Nationalparkzentrum in Schönau angeboten werden. Diese vermitteln nicht nur Wissen über Flora und Fauna, sondern sensibilisieren auch für den Schutz dieses einzigartigen Ökosystems. Im Besucherzentrum "Haus der Berge" in Berchtesgaden gibt es zudem eine umfangreiche Ausstellung, die die Besonderheiten des Alpenraums und des Nationalparks anschaulich erklärt.
St. Bartholomä durch die Jahreszeiten
Die kleine Kirche St. Bartholomä erlebt im Verlauf eines Jahres erstaunliche Verwandlungen. Im Frühling, wenn die Schneegrenze langsam nach oben wandert, steht sie oft noch auf teilweise verschneitem Grund, während die ersten Frühlingsblumen ihre Köpfe hervorstrecken. Zu dieser Zeit ist der Kontrast zwischen dem leuchtenden Rot der Zwiebeltürme und dem Weiß des Schnees besonders eindrucksvoll.
Der Sommer bringt reges Treiben auf die kleine Halbinsel. Dann flanieren Besucher über den Kiesweg rund um die Kirche, genießen die Aussicht auf den See oder stärken sich in den Gasthäusern. Die Bartholomä-Kirchweihtage Ende August sind ein besonderes Ereignis: Dann wird die Kirche festlich geschmückt, und viele Einheimische kommen in traditioneller Tracht zur Messe. Anschließend findet ein kleines Volksfest statt – eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen es am sonst so beschaulichen St. Bartholomä richtig lebendig wird.
Im Herbst umgibt eine besondere Stimmung den Ort. Die Wälder an den Berghängen färben sich bunt, die Luft wird klarer, und die Besucherzahlen gehen merklich zurück. Nicht selten ziehen Nebelschleier über den See und enthüllen nur gelegentlich den Blick auf die Kirche – ein magischer Anblick, der Fotografen verzückt. Wenn dann auch noch die tief stehende Herbstsonne die roten Zwiebeltürme zum Leuchten bringt, herrscht perfektes Fotolicht.
Der Winter schließlich hüllt St. Bartholomä in Stille. Nur wenige Besucher verirren sich dann hierher, und manchmal liegt der Schnee meterhoch. Die Wallfahrtskirche wirkt in dieser Zeit wie aus einem Wintermärchen entsprungen. Die seltenen Winterfahrten zu diesem Ort haben daher einen ganz besonderen Reiz. Wer das Glück hat, St. Bartholomä an einem sonnigen Wintertag zu erleben, wenn der Schnee glitzert und die Eisgebilde am Ufer phantastische Formen bilden, wird diesen Anblick so schnell nicht vergessen.