Bayern

Über den Dächern vom Königssee: Wandern vom Jenner zum Watzmannblick

Jennerbahn rauf, Kopf ausschalten. Der Weg zum Watzmannblick ist keine königliche Prachtstraße. Aber das Panorama über dem Königssee? Das ist wirklich herrschaftlich.

Bayern  |  Natur & Aktivitäten
Lesezeit: ca. 7 Min.
Kommentare
Teilen
Facebook
Pocket
E-Mail
0
Kommentare
Facebook
Pocket
E-Mail
Zwischenablage

Der Nationalpark Berchtesgaden ist ein Gebiet, das mit Superlativen nicht geizt. Der Königssee, tiefgrün und fjordartig, der Watzmann, majestätisch und abweisend, und dazwischen ein Netzwerk an Wegen, die durch eine Landschaft führen, die ihresgleichen sucht. Eine dieser Routen, die oft als "Königsweg" tituliert wird – auch wenn der Name auf Wanderkarten nicht immer so prominent auftaucht und eher den Kammweg Richtung Schneibstein bezeichnet –, führt vom Jenner, dem Hausberg des Königssees, hinüber zu einem Aussichtspunkt, der genau das hält, was sein Name verspricht: Watzmannblick. Es ist eine Wanderung, die zugänglich ist, ohne banal zu sein, und ein Panorama bietet, das man so schnell nicht vergisst.

Man startet meist bequem. Die Jennerbahn ist das Vehikel der Wahl, um die ersten gut 1.100 Höhenmeter hinter sich zu bringen. Schon die Fahrt in den modernen Gondeln ist ein Erlebnis für sich. Langsam schält sich die Bergwelt unter dir heraus. Der Königssee wird kleiner, seine Umrisse deutlicher, und die steilen Flanken des Watzmanns, die direkt aus dem Wasser emporsteigen, wirken plötzlich greifbar nah. Oben angekommen, auf über 1.800 Metern Höhe, weht oft schon ein frischer Wind, selbst an warmen Tagen. Das Talgeräusch verebbt, zurück bleibt das Rauschen des Windes und manchmal das Scheppern der Kuhglocken von den Almen, die hier oben noch bewirtschaftet werden.

Vom Gipfelplateau zum Grat

Die Jennerbahn-Bergstation ist mehr als nur Ankunftspunkt. Sie ist ein kleiner Knotenpunkt. Wer nur schnell ein Gipfelfoto will, steigt die paar Meter zum eigentlichen Jenner-Gipfelkreuz hinauf – das lohnt sich schon allein für den ersten umfassenden Rundblick. Unser Wegweiser zeigt aber in eine andere Richtung, grob dem Höhenzug folgend. Der Pfad beginnt zunächst als gut ausgebauter Weg, oft geschottert oder mit Holzstegen über mooriges Gelände versehen. Hier oben, in der alpinen Stufe, ist die Vegetation anders. Latschenkiefern dominieren, dazwischen Heidelbeersträucher und im Frühsommer blühender Almrausch, der pinke Tupfer in der grünen Landschaft. Man trifft hier oben oft auf Bergdohlen, die frech und neugierig umherflattern und auf eine Brotkrume hoffen.

Nach den ersten flacheren Metern beginnt der Weg, Charakter zu zeigen. Er wird schmaler, steiniger. Das Geröll macht jeden Schritt zu einem kleinen Kraftakt, wenn man nicht aufpasst. Man bewegt sich nun auf dem Höhenrücken. Links und rechts fallen die Hänge ab, mal sanfter, mal steiler. Spannend ist dabei, dass die Perspektive ständig wechselt. Mal siehst du hinunter zum Königssee, mal schweift der Blick über das Steinerne Meer, diese bizarre Karsthochfläche jenseits der Landesgrenze zu Österreich, die aussieht wie eine erstarrte Wüste aus Fels.

Der Weg zum Sehnsuchtsort: Terrain und Besonderheiten

Der Abschnitt vom Jenner-Gipfelbereich hinüber zum Watzmannblick ist technisch nicht übermäßig anspruchsvoll, erfordert aber Trittsicherheit. Du läufst oft auf felsigem Untergrund, mal über Geröllfelder, mal auf schmalen Pfaden entlang des Grates. Es gibt keine Kletterpassagen oder ausgesetzten Stellen, die Schwindelfreiheit im extremen Maße verlangen würden, aber ein gewisses Grundvertrauen in den eigenen Schritt ist von Vorteil, gerade wenn der Wind pfeift. Das Gelände steigt und fällt leicht. Es ist kein monotoner Spaziergang, sondern ein ständiges Auf und Ab, das die Muskeln beansprucht und den Kreislauf in Schwung bringt.

Unterwegs passiert man verschiedene Kuppen und Mulden. Oft finden sich hier kleine Pfützen oder Rinnsale, gespeist von Schmelzwasser oder Regentropfen, die sich in den Felsen sammeln. Die Stille hier oben ist bemerkenswert, unterbrochen nur vom Wind, dem Ruf eines Vogels oder dem Knirschen der eigenen Schuhsohlen auf dem Gestein. Manchmal hört man entfernt das Läuten der Kuhglocken, ein warmer, erdiger Klang, der im Kontrast zur Kargheit der Hochgebirgslandschaft steht.

Das Ziel im Blick: Der Watzmannblick

Nach etwa 45 Minuten bis einer Stunde Gehzeit – je nach Tempo und wie oft du für Fotos oder einfach nur zum Schauen stehenbleibst – erreichst du den eigentlichen Watzmannblick. Es ist kein ausgewiesener Gipfel, eher eine markante Stelle am Wegesrand, oft durch ein kleines Schild oder einfach durch die Ansammlung anderer Wanderer erkennbar. Und hier öffnet sich *das* Panorama.

Unter dir liegt der Königssee in seiner ganzen Pracht. Von hier oben sieht er aus wie ein glatt geschliffener Edelstein, eingebettet in die steilen Felswände. Du erkennst die Umrisse der Halbinsel St. Bartholomä mit ihrer berühmten Kapelle, die nur per Boot oder auf langen Bergwegen erreichbar ist. Das Schiff, das langsam über den See gleitet, wirkt aus dieser Höhe winzig, fast wie ein Spielzeug. Und dann ist da natürlich der Watzmann. Er dominiert das Bild, seine Ostwand, die höchste Felswand der Ostalpen, wirkt von hier aus noch imposanter, schroffer, fast abweisend. Man sieht die "Schlafende Hexe", die berühmte Silhouette des Watzmannmassivs mit den Gipfeln Hocheck, Mittelspitze und Südspitze. Der Blick schweift weiter über das Wimbachtal und die umliegenden Gipfel. Es ist ein Anblick, der einem kurz den Atem nimmt und für den sich der Weg hierher gelohnt hat.

Verweilen und Weiterschauen

Der Watzmannblick ist ein idealer Ort für eine Pause. Setz dich auf einen Felsen, pack deine Brotzeit aus und nimm das Bild in Ruhe auf. Das Licht verändert sich ständig, je nach Tageszeit und Wolkenstand, und taucht die Landschaft in immer neue Farben. Man kann hier gut eine Weile sitzen, die Weite genießen und die Stille auf sich wirken lassen. Höre auf den Wind, beobachte die Dohlen, die geschickt durch die Lüfte segeln, oder schau den winzigen Booten auf dem See nach.

Von hier aus hast du verschiedene Optionen. Die einfachste ist, den gleichen Weg zurück zur Jennerbahn zu gehen. Das ist die Route, die die meisten Tagesausflügler wählen. Sie ist bekannt und sicher. Alternativ kannst du dem Höhenweg weiter folgen. Der Weg führt nun grob in Richtung Süden und Westen, tiefer hinein ins Steinerne Meer oder zum Schneibsteinhaus, einer beliebten Alpenvereinshütte. Dieser Abschnitt ist länger, anspruchsvoller und verlangt mehr alpine Erfahrung und Kondition. Er ist Teil des berühmten Königssee-Rundweges oder anderer längerer Touren. Wenn du diesen Weg wählst, plane unbedingt mehr Zeit ein und informiere dich vorher genau über die Route und die Wetterbedingungen. Für die reine Tour zum Watzmannblick und zurück reicht es aber, wenn du den Ausgangspunkt Jennerbahn im Hinterkopf behältst.

Praktische Tipps für die Tour

Diese Wanderung ist, wie viele alpine Touren, stark wetterabhängig. Nebel kann die Sicht auf null reduzieren und den Weg erschweren, Gewitter sind im Sommer eine ernste Gefahr. Informiere dich unbedingt vorab über den Wetterbericht. Die beste Zeit für die Tour ist in der Regel von Ende Mai/Anfang Juni bis in den späten Herbst, bevor der erste Schnee fällt. Im Frühsommer blüht die alpine Flora besonders üppig, der Herbst punktet mit klarem Fernblick und oft stabilerem Wetter.

Du benötigst für diese Tour keine spezielle Kletterausrüstung, aber feste, knöchelhohe Wanderschuhe sind unerlässlich. Das unebene, steinige Terrain verzeiht keine Turnschuhe. Pack einen kleinen Rucksack mit ausreichend Wasser (mindestens 1-1,5 Liter pro Person, es gibt keine Quellen auf dem Weg!), einer Brotzeit, Sonnencreme, Kopfbedeckung und einer wind- und wasserdichten Jacke. Auch an warmen Tagen kann der Wind auf dem Grat kühl sein, und ein schneller Wetterumschwung ist in den Alpen immer möglich. Eine kleine Erste-Hilfe-Ausrüstung gehört ebenfalls ins Gepäck.

Der Weg ist gut beschildert, verläuft aber teilweise durch unübersichtliches Gelände. Eine Wanderkarte oder eine zuverlässige App mit GPS-Funktion kann hilfreich sein, besonders wenn du planst, über den Watzmannblick hinaus weiterzugehen. Unterschätze nicht die Sonneneinstrahlung in dieser Höhe, auch wenn es bewölkt ist. Die UV-Strahlung ist intensiv.

Rechne für die reine Hin- und Rücktour von der Jennerbahn-Bergstation zum Watzmannblick und zurück zur Bergstation etwa 1,5 bis 2 Stunden Gehzeit ein, dazu kommen Pausen für Fotos und zum Genießen des Ausblicks. Die Gondelfahrt dauert etwa 20-25 Minuten pro Strecke. Plane also insgesamt einen halben Tag ein, wenn du die Fahrt und die Zeit oben entspannt gestalten möchtest.

Schreibe einen Kommentar
Bitte anmelden, um einen Kommentar zu schreiben.
 
Du 

Bisher keine Kommentare
Entdecke mehr:
Nach oben scrollen