Wer das Logar-Tal zum ersten Mal betritt, dem stockt erstmal der Atem. Das sieben Kilometer lange Hochtal liegt eingekesselt zwischen den schroffen Wänden der Steiner Alpen und wirkt wie eine riesige, grüne Badewanne. Geologen bezeichnen solche Formationen als glaziales Trogtal – entstanden durch die ungeheure Schleifkraft eiszeitlicher Gletscher.
Die Logarska Dolina, wie das Tal auf Slowenisch heißt, gehört zum Landschaftspark Solčavsko und steht seit 1987 unter Naturschutz. Kein Wunder: Hier findet sich auf kompaktem Raum eine Alpenlandschaft, die anderswo längst dem Tourismus oder der Landwirtschaft gewichen ist. Zwischen 600 und 1.200 Metern Höhe erstreckt sich eine Welt aus Bergahornwäldern, Almwiesen und kristallklaren Gebirgsbächen.
Das Tal ist übrigens nicht ganz so abgeschieden, wie es zunächst scheint. Bereits im Mittelalter führte hier eine wichtige Handelsroute über die Alpen, und noch heute verbindet die Panoramastraße durch das Tal Slowenien mit Österreich. Allerdings ist der Verkehr begrenzt – im Sommer kostet die Durchfahrt eine kleine Gebühr, was manchen Tagestouristen abschreckt.
Der Rinka-Wasserfall als Höhepunkt
Am hinteren Ende des Tals wartet die Hauptattraktion: der Rinka-Wasserfall. Mit 90 Metern freiem Fall gehört er zu den höchsten Wasserfällen Sloweniens. Besonders im Frühjahr, wenn die Schneeschmelze einsetzt, stürzt hier eine beeindruckende Wassermenge über die Felswand. Der Sprühnebel ist dann schon aus hundert Metern Entfernung zu spüren.
Interessant ist dabei, dass der Wasserfall je nach Jahreszeit völlig unterschiedliche Gesichter zeigt. Im Hochsommer, wenn der Schnee in den Bergen geschmolzen ist, plätschert oft nur ein dünner Schleier über die Felsen. Dafür entfaltet sich dann die volle Pracht der umliegenden Almwiesen mit ihren typischen Bergblumen.
Der Weg zum Wasserfall führt durch einen lichten Bergahornwald, der im Herbst in allen Goldtönen leuchtet. Etwa eine Stunde braucht man vom Parkplatz bis zum Aussichtspunkt. Wer gut zu Fuß ist, kann den steilen Pfad links vom Wasserfall nehmen und bis zur sogenannten "Quelle" klettern – einem kleinen Bergsee, aus dem die Rinka entspringt.
Wandern zwischen Almen und Gipfeln
Für Wanderer ist das Logar-Tal ein wahres Paradies. Das Wegenetz ist überschaubar, aber abwechslungsreich. Der Panoramaweg entlang der Talsohle eignet sich perfekt für Familien mit Kindern oder ältere Wanderer. Hier spaziert man gemütlich zwischen traditionellen Bauernhöfen hindurch und kann dabei das Treiben auf den Almwiesen beobachten.
Anspruchsvoller wird es auf den Bergwegen zu den umliegenden Gipfeln. Der Ojstrica (1.371 m) ist noch relativ einfach zu erreichen und bietet einen grandiosen Blick über das gesamte Tal. Für erfahrene Bergsteiger locken höhere Ziele wie der Velika Raduha (2.062 m) oder der Steiner Alpen-Hauptkamm.
Was viele nicht wissen: Im oberen Talbereich gibt es mehrere bewirtschaftete Almhütten, die traditionelle slowenische Bergkost servieren. Die Planšarija na Logarski dolini etwa liegt idyllisch am Fuß des Wasserf
alls und ist bekannt für ihre hausgemachten Štruklji – eine Art Strudel mit verschiedenen Füllungen. Hier schmeckt das Essen noch nach dem, was es ist: regionale Zutaten, ohne viel Schnickschnack zubereitet.
Fauna und Flora des Hochtals
Biologisch gesehen ist die Logarska Dolina ein Hotspot der Artenvielfalt. In den ausgedehnten Bergahornwäldern leben noch Braunbären, auch wenn man sie als Wanderer nur selten zu Gesicht bekommt. Häufiger sind dagegen Rothirsche, Rehe und Gämsen anzutreffen. Manche Wanderer haben das Glück, einen der scheuen Steinadler zu beobachten, die in den Felswänden der umliegenden Berge nisten.
Die Pflanzenwelt ist nicht minder beeindruckend. Auf den Almwiesen blühen im Frühsommer seltene Alpenpflanzen wie der Clusius-Enzian oder die Alpen-Küchenschelle. Botaniker kommen hier voll auf ihre Kosten – das Tal beherbergt mehrere endemische Arten, die nur in diesem Teil der Alpen vorkommen.
Spannend ist auch die traditionelle Almwirtschaft, die hier noch praktiziert wird. Von Juni bis September treiben die Bauern ihre Kühe auf die Hochalmen. Das Resultat sind nicht nur malerische Landschaftsbilder, sondern auch ein hervorragender Bergkäse, den man direkt bei den Almbauern kaufen kann.
Anreise und praktische Hinweise
Das Logar-Tal erreicht man am besten über Solčava, einen kleinen Ort etwa 50 Kilometer nordöstlich von Ljubljana. Von dort führt eine gut ausgebaute, aber kurvenreiche Straße ins Tal hinein. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es praktisch keine – man ist also auf das Auto angewiesen.
Wichtig zu wissen: Die Zufahrt ins Tal ist kostenpflichtig. Pkw zahlen in der Hauptsaison (Mai bis Oktober) rund 7 Euro, was aber durchaus gerechtfertigt ist. Das Geld fließt in den Erhalt der Infrastruktur und den Naturschutz. Außerdem sorgt die Gebühr dafür, dass das Tal nicht völlig überlaufen wird.
Parken kann man an mehreren Stellen entlang der Talstraße. Der große Parkplatz am Ende der befahrbaren Strecke ist Ausgangspunkt für die meisten Wanderungen, einschließlich des Wegs zum Rinka-Wasserfall. Von hier aus sind es noch etwa zwei Kilometer bis zum Wasserfall – ein angenehmer Spaziergang auf breitem Forstweg.
Übernachten im Tal
Wer länger bleiben möchte, hat verschiedene Möglichkeiten. Direkt im Tal gibt es einige traditionelle Gasthöfe, die auch Zimmer vermieten. Der Gasthof Plesnik etwa liegt malerisch am Taleingang und wird bereits in der dritten Generation familiengeführt. Die Zimmer sind einfach, aber sauber, und beim Frühstück gibt es hausgemachte Produkte vom eigenen Hof.
Etwas komfortabler, aber immer noch authentisch ist das Hotel Plesnik in Solčava. Von hier aus ist man in zehn Minuten im Tal und hat gleichzeitig Anschluss an die "Zivilisation". Das Hotel verfügt über ein gutes Restaurant, das auf regionale Küche spezialisiert ist.
Für Naturliebhaber gibt es auch die Möglichkeit, auf einer der Almhütten zu übernachten. Die Planšarija beispielsweise bietet einfache Matratzenlager und ist ein idealer Ausgangspunkt für frühmorgendliche Bergtouren. Allerdings sollte man sich vorher anmelden – die Plätze sind begrenzt und gerade im Sommer schnell ausgebucht.
Die beste Reisezeit
Grundsätzlich ist das Logar-Tal von Mai bis Oktober gut zu bereisen. Jede Jahreszeit hat dabei ihre besonderen Reize. Im Frühling, etwa ab Mitte Mai, verwandeln sich die Almwiesen in ein Meer aus Blüten. Gleichzeitig führt der Rinka-Wasserfall durch die Schneeschmelze besonders viel Wasser.
Der Sommer bringt die längsten Tage und das stabilste Wetter. Allerdings kann es dann auch mal richtig heiß werden – die Talsohle liegt immerhin nur auf 600 Metern Höhe. Dafür sind alle Almhütten geöffnet und das Wanderwetter meist optimal.
Persönlich finde ich den Herbst am schönsten. Die Touristenströme ebben ab, die Laubwälder leuchten in warmen Farbtönen, und das Licht hat diese besondere, weiche Qualität, die Fotografen lieben. Allerdings muss man mit kürzeren Tagen und gelegentlichen Regenschauern rechnen.
Im Winter ist das Tal für normale Touristen praktisch nicht zugänglich. Die Zufahrtsstraße wird nicht geräumt, und viele Einrichtungen haben geschlossen. Dafür haben Tourengeher und Schneeschuhwanderer das Tal dann ganz für sich allein.
Warum das Logar-Tal anders ist
Was das Logar-Tal von anderen Alpentälern unterscheidet, ist seine Ursprünglichkeit. Hier gibt es keine Bergbahnen, keine Hotelburgen, keine künstlich angelegten Freizeitparks. Stattdessen findet man eine Kulturlandschaft, die über Jahrhunderte gewachsen ist und noch heute funktioniert.
Die Landwirtschaft spielt nach wie vor eine wichtige Rolle. Das merkt man nicht nur an den weidenden Kühen, sondern auch an der Art, wie die Menschen hier leben. Viele Höfe werden noch traditionell bewirtschaftet, die Almwirtschaft folgt uralten Rhythmen, und die Gastronomy basiert auf dem, was die Region hergibt.
Gleichzeitig ist das Tal kein Freilichtmuseum. Die Bewohner haben durchaus Anschluss an die moderne Welt, nutzen aber ihre natürlichen Ressourcen nachhaltig. Der sanfte Tourismus bringt zusätzliche Einnahmen, ohne die gewachsenen Strukturen zu zerstören.
Für Besucher bedeutet das: Man erlebt hier nicht nur schöne Landschaft, sondern auch ein Stück authentisches Alpen-Leben. Das mag manchmal etwas rauer und weniger perfekt sein als in touristischen Hochburgen – dafür ist es echt. Und das spürt man bei jedem Schritt durch dieses außergewöhnliche Tal.