Ein besonderes Phänomen tut sich im Meraner Talkessel auf: Während das Thermometer in der Stadt noch angenehme 20 Grad anzeigt, kann man am Horizont bereits die schneebedeckten Gipfel der Texelgruppe bestaunen. Diese klimatische Eigentümlichkeit macht Meran seit jeher zu einem begehrten Reiseziel – und die Gärten von Schloss Trauttmansdorff zu einer botanischen Sensation ersten Ranges.
Auf einer Fläche von zwölf Hektar erstreckt sich ein terrassiertes Gartenreich, dessen Ursprünge auf das 19. Jahrhundert zurückgehen. Kaiserin Elisabeth von Österreich, besser bekannt als Sissi, verbrachte hier einst ihre Kuraufenthalte. Seither hat sich das Areal zu einem der spektakulärsten Botanischen Gärten Europas entwickelt. Offiziell 2001 eröffnet, haben die Gärten schnell internationale Anerkennung erfahren und wurden 2005 zum "Schönsten Garten Italiens" gekürt. Nicht von ungefähr – hier wachsen und gedeihen mehr als 7.000 Pflanzenarten aus aller Herren Länder, kunstvoll arrangiert in rund 80 verschiedenen Gartenlandschaften.
Anders als viele klassische Botanische Gärten, die vor allem wissenschaftliche Ambitionen hegen, setzt Trauttmansdorff bewusst auf ein Gesamterlebnis: Die Pflanzensammlungen sind in lebendige Landschaften eingebettet, die sowohl botanisch Interessierte als auch Laien gleichermaßen faszinieren. Hier geht's nicht um bloße Taxonomie und Schilder mit lateinischen Namen – obwohl man auch diese findet –, sondern um das Zusammenspiel von Gartenarchitektur, Landschaft und botanischer Vielfalt.
Die vier Gartenwelten – Ein Rundgang
Die Gärten gliedern sich in vier Hauptbereiche, die jeweils eigene thematische Schwerpunkte setzen. Wer es systematisch angehen möchte, widmet jeder dieser Welten mindestens eine Stunde. Doch Vorsicht: Die Zeit vergeht hier wie im Flug, und manch Besucher stellt erst beim Blick auf die Uhr fest, dass er bereits den ganzen Tag zwischen blühenden Raritäten verbracht hat.
Die Waldgärten bilden den schattigen Kontrapunkt zu den sonnendurchfluteten Hängen anderer Bereiche. Unter dem dichten Blätterdach finden sich Spezialitäten aus den gemäßigten Wäldern Amerikas und Asiens. Bambushaine mit bis zu zehn Meter hohen Halmen wechseln sich ab mit japanischen Ahornbäumen, deren rotes Herbstlaub an klaren Oktobertagen den gesamten Hang in ein Farbenmeer verwandelt. Besonders eindrucksvoll ist der Bereich der Rhododendren und Azaleen, deren Blütenpracht im Frühjahr schier überwältigend ausfällt. Den Abschluss bildet ein naturnah gestalteter Gebirgsbach, der in mehreren Kaskaden zu Tal stürzt – herrlich, wenn man bei sommerlicher Hitze hier die kühle, feuchte Waldluft genießen kann.
Die Sonnengärten hingegen präsentieren sich dem Besucher von ihrer mediterranen und exotischen Seite. Hier dominieren Olivenhaine, Zitrusgärten und ein Weinberg, der die lange Südtiroler Weinbautradition repräsentiert. Palmen und sukkulentenreiche Trockengärten vermitteln ein fast kalifornisches Flair. Der Olivenhain mit seinen knorrigen, jahrhundertealten Stämmen versetzt einen gedanklich direkt in die Toskana – nur dass hier im Hintergrund stets die Bergkulisse der Südtiroler Alpen präsent bleibt. Diese Kontraste machen den besonderen Reiz der Trauttmansdorff-Gärten aus.
In den Landschaftsgärten des Südens wird's international: Terrassen mit Reisfeldern, ein stilechter japanischer Garten und mediterrane Elemente lassen die Grenzen zwischen den Kontinenten verschwimmen. Der Wassergarten mit seinem großen Seerosenteich und dem kreisrunden, versenkten "Matteo Thun-Garten" bildet einen architektonischen Höhepunkt der Anlage. Hier spiegeln sich Himmel und Berge in der Wasseroberfläche, während tropische Seerosen ihre tellergroßen Blätter ausbreiten. Architektonische Besonderheit: Die in den Seerosenbecken verteilten scheinbar schwebenden Steinquader, auf denen man trockenen Fußes über das Wasser spazieren kann – ein Foto-Hotspot, an dem sich regelmäßig Warteschlangen bilden.
Die Landschaften Südtirols komplettieren das Quartett der Gartenwelten und widmen sich der heimischen Flora. Von alpinen Steingartenanlagen über traditionelle Bauerngärten bis hin zu sommerfrischen Almenwiesen zeigt dieser Bereich die botanische Vielfalt der Region. Als besonders stimmungsvoll erweist sich der Sinnesgarten mit duftenden Kräutern und alten Gemüsesorten. Hiesige Bauernhöfe haben für diesen Bereich traditionelles Saatgut beigesteuert, sodass auch fast vergessene Sorten wie die "Blauer Schwede"-Kartoffel oder der "Kernberger"-Mais wieder kultiviert werden.
Das Juwel in der Krone – Schloss Trauttmansdorff
Inmitten der botanischen Pracht thront das namensgebende Schloss Trauttmansdorff, ein Schmuckstück mit bewegter Geschichte. Ursprünglich im 14. Jahrhundert als "Neuberg" errichtet, erhielt es sein heutiges Aussehen erst im 19. Jahrhundert durch den Grafen Joseph von Trauttmansdorff, der dem Gebäude seinen Namen hinterließ. Die wechselvolle Geschichte des Schlosses spiegelt die turbulente Vergangenheit Südtirols wider – vom österreichischen Kronland bis zur Eingliederung in Italien nach dem Ersten Weltkrieg.
Besondere Bedeutung erlangte das Anwesen durch die Besuche der Kaiserin Elisabeth. Sissi weilte in den Jahren 1870 und 1889 hier, was den Ort gewissermaßen geadelt hat. Das Schloss beherbergt heute das "Touriseum", ein ungewöhnliches Museum, das die Geschichte des Tourismus in Tirol auf höchst unterhaltsame Weise präsentiert. Keine verstaubten Vitrinen, sondern multimediale Inszenierungen, historische Zimmereinrichtungen und interaktive Stationen erzählen vom Wandel der Reisekultur in den Alpen. Besonders vergnüglich sind die nachgestellten Hotelzimmer verschiedener Epochen und eine "Sänfte", in der man virtuell durch das historische Meran getragen wird.
Glanzvoll ist der restaurierte Kaisersaal, in dem noch heute Konzerte und Veranstaltungen stattfinden. Die Panoramaterrasse des Schlosses bietet zudem einen der schönsten Ausblicke über das Etschtal – bei klarer Sicht reicht der Blick bis zum Ortler-Massiv. Tipp für Genießer: Das Restaurant im Schloss serviert regionale Spezialitäten mit Produkten aus den Gärten.
Pflanzenraritäten und botanische Besonderheiten
Für Pflanzenliebhaber sind die Gärten ein wahres Eldorado seltener Arten. Echte Exoten gedeihen hier dank des milden Klimas im Meraner Becken erstaunlich gut. Zu den Highlights gehört die Sammlung alter Olivenbäume, deren älteste Exemplare über 700 Jahre auf dem Buckel haben und aus verschiedenen Mittelmeerregionen hierher verpflanzt wurden. Ihre knorrigen Stämme erzählen Geschichten vergangener Jahrhunderte.
Eine Spezialität ist auch der Sukkulentenhügel mit Kakteen und anderen Dickblattgewächsen, die man eher in Mexiko als in Südtirol vermuten würde. Durch die Hanglage und die damit verbundene gute Drainage haben die Gärtner ideale Bedingungen für diese Trockenspezialisten geschaffen. Bizarr und fotogen zugleich: Die "Eselsschwanz"-Pflanze (Euphorbia myrsinites), deren blaugrüne, fleischige Triebe wie fremdländische Tentakel über die Steinterrassen kriechen.
Im Wasserbereich fallen besonders die tropischen Lotusblumen auf, deren riesige Blüten sich im Hochsommer öffnen. Die Wasserläufe sind zudem Heimat für eine Vielzahl von Libellen und anderen Wasserinsekten – eine Beobachtungsbank lädt zum Verweilen ein. Gartendetektive werden schnell feststellen, dass hier ein ausgeklügeltes Wasserrecyclingsystem am Werk ist: Das Wasser wird in einem Kreislauf vom unteren Seerosenteich wieder nach oben gepumpt und fließt in natürlich wirkenden Bachläufen zurück.
Besonderes Augenmerk legen die Gärtner auf Pflanzenkombinationen, die über die Jahreszeiten hinweg attraktiv bleiben. So folgen im Staudengarten nach der Frühlingsblüte der Zwiebelpflanzen die Sommerstauden, deren verblühende Samenstände wiederum im Herbst und Winter strukturelle Reize bieten. Wintergrüne Gehölze sorgen dafür, dass selbst in der kalten Jahreszeit Farbtupfer verbleiben – die Gärten sind nicht umsonst von April bis November geöffnet.
Praktische Reisetipps und Hinweise
Wer sich für einen Besuch der Gärten von Trauttmansdorff entscheidet, sollte genügend Zeit einplanen – ein Rundgang benötigt mindestens drei Stunden, um alle Bereiche zu erkunden. Für Pflanzenliebhaber ist oft auch ein ganzer Tag nicht ausreichend. Die Gärten sind je nach Saison täglich von Anfang April bis Mitte November geöffnet, in der Hochsaison von 9 bis 19 Uhr (letzter Einlass um 18 Uhr).
Die Anreise gestaltet sich am bequemsten mit der Buslinie 4, die vom Meraner Stadtzentrum direkten Anschluss bietet. Autofahrer können den kostenpflichtigen Parkplatz gegenüber dem Eingang nutzen. Mitunter kann es an Wochenenden oder zu Ferienzeiten recht voll werden – ein früher Besuch am Morgen oder am späteren Nachmittag ist dann empfehlenswert.
Die besten Fotomotive bieten sich morgens und am späten Nachmittag, wenn das Licht weicher ist und die Farben intensiver wirken. Ein klassischer "Money Shot" ist der Blick vom oberen Waldbereich hinab auf das Schloss und die Alpenkette im Hintergrund – für dieses Foto nehmen manche Besucher auch den steilen Anstieg in Kauf.
Wasser ist im Garten ausreichend vorhanden – mehrere Trinkbrunnen mit frischem Quellwasser laden zum Erfrischen ein. Für den kleinen Hunger bieten sich verschiedene gastronomische Einrichtungen an: Das Café am Seerosenteich für einen schnellen Espresso, die Schlossterrasse für regionale Küche oder das "Palmencafé" mit seiner exotischen Atmosphäre unter hohen Palmen.
Familien mit Kindern profitieren von speziellen Angeboten: Ein "Entdeckerrucksack" mit Lupe, Kompass und Forscheraufgaben kann ausgeliehen werden. Die regelmäßigen Familienführungen greifen kindgerechte Themen wie "Pflanzenjäger" oder "Essbare Blüten" auf. Für die kleinen Besucher sind besonders die Wasserspiele am großen Teich und der Abenteuerparcours im Waldbereich reizvoll.
Jahreszeiten und beste Besuchszeit
Jede Jahreszeit in Trauttmansdorff hat ihren eigenen Charme, und kein Besuch gleicht dem anderen. Letztlich hängt die Wahl des idealen Zeitpunkts davon ab, was man sehen möchte. Das Frühjahr beginnt spektakulär mit mehr als einer Million Frühlingsblühern – von Februar bis Mai verwandeln Tulpen, Narzissen und Wildblumen die Hänge in ein Farbenmeer. Besonders die Kamelienberghänge und die Magnolienterrassen zeigen dann ihre volle Pracht.
Der Sommer lockt mit üppiger Vegetation und vor allem mit den tropischen Pflanzen, die nun ihre Blütezeit haben. Die großen Seerosenblüten und die exotischen Sträucher der Waldgärten präsentieren sich von ihrer besten Seite. In den heißen Mittagsstunden kann's in den Sonnengärten allerdings recht warm werden – Sonnenschutz ist dann unerlässlich.
Der Herbst gilt unter Kennern als die heimliche Hauptsaison. Die Laubfärbung der asiatischen Ahorne und Amberbäume schafft dramatische Kontraste, gleichzeitig tragen viele Sträucher jetzt bunte Früchte. Das weiche Herbstlicht taucht die Terrassen in ein goldenes Glühen, und die Weinlese im historischen Weinberg verleiht dem Besuch eine zusätzliche kulturelle Dimension.
Bei der Planung sollte man die Wetterbedingungen berücksichtigen – an Regentagen sind die Gärten weniger besucht, bieten aber ganz eigene Reize, wenn die Tropfen an Blättern und Blüten perlen. Einige Bereiche verfügen zudem über Regenschutz. Packt man einen leichten Regenponcho ein, kann man die Pflanzen in besonders intensiven Farben erleben – ein Geheimtipp für Fotografen.