Frankreich

Savoyens verborgenes Juwel: Der Lac du Bourget und seine königliche Abtei

Ein tiefblauer Alpensee, umgeben von Kalkfelsen und Weinbergen. Und am Ufer liegt eine Abtei, die seit Jahrhunderten die Geschichte Savoyens bewahrt. Der Lac du Bourget ist mehr als nur eine Kulisse für Wassersportler und Sonnenanbeter.

Frankreich  |  Sehenswertes & Attraktionen
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Zwischenablage

Der Lac du Bourget liegt wie ein Juwel im französischen Département Savoie, eingebettet zwischen den markanten Bergketten des Jura und der Alpen. Mit seinen 18 Kilometern Länge und einer Breite von bis zu 3,5 Kilometern ist er der größte natürliche See Frankreichs, der vollständig auf französischem Territorium liegt. Seine maximale Tiefe von 145 Metern macht ihn zu einem regelrechten Wassergiganten, dessen Blau in unzähligen Schattierungen schimmert – von Türkis nahe der Ufer bis hin zu einem tiefen Dunkelblau in seiner Mitte.

Schon der französische Dichter Alphonse de Lamartine ließ sich von der majestätischen Schönheit des Sees inspirieren und verfasste hier 1820 sein berühmtes Gedicht "Le Lac". In seinen Versen fängt er die melancholische Stimmung ein, die über dem Wasser liegt, wenn die Abendsonne die umliegenden Berge in sanftes Gold taucht. Radfahrer kennen diesen Effekt bestens, wenn sie auf dem gut ausgebauten Radweg unterwegs sind, der den See umrundet. Besonders am späten Nachmittag wirkt das Wasser wie ein gigantischer Spiegel, der die umliegenden Landschaften reflektiert.

Geologisch betrachtet ist der Lac du Bourget ein Überbleibsel der letzten Eiszeit. Seine Form wurde durch Gletscherbewegungen geprägt, die ein tiefes Becken in die Landschaft gruben. Anders als viele alpine Seen hat er eine langgestreckte, leicht gebogene Form – fast wie ein umgedrehtes Komma. Das Wasser wird hauptsächlich vom Fluss Leysse gespeist, der bei Chambéry entspringt und in den See mündet, bevor dieser selbst über den Canal de Savières mit der Rhône verbunden ist.

Die Abbaye d'Hautecombe – Mehr als nur alte Mauern

An der Nordwestseite des Sees, etwa 15 Kilometer von Aix-les-Bains entfernt, erhebt sich majestätisch auf einem Felsvorsprung die Abbaye d'Hautecombe. Die weiße Fassade der Abtei sticht kontrastreich gegen das Grün der umliegenden Hügel und das Blau des Sees hervor. Von weitem betrachtet wirkt sie fast unwirklich, wie ein Gemälde auf der Leinwand der Natur. Nähert man sich mit dem Boot, offenbart sich ihre wahre Größe und architektonische Komplexität.

Die Geschichte der Abtei reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Gegründet wurde sie 1125 von Mönchen aus dem Kloster Molesme, bevor sie kurz darauf dem Zisterzienserorden angeschlossen wurde. Doch ihre wahre Bedeutung erlangte sie erst, als sie zur Grablege der Grafen und später Herzöge von Savoyen wurde. Nachdem die Französische Revolution ihre Spuren hinterlassen hatte – viele Gräber wurden geschändet und Wertgegenstände geplündert – erfuhr die Abtei Anfang des 19. Jahrhunderts unter König Karl Felix von Sardinien eine umfassende Restaurierung.

Der Innenraum der Kirche ist ein Paradebeispiel für den neugotischen Stil, der sich im 19. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute. Die Wände sind mit Fresken und Statuen geschmückt, die biblische Szenen und Heiligenfiguren darstellen. Besonders beeindruckend sind die Grabmonumente der savoyischen Herrscher, die in aufwendig gestalteten Marmorsarkophagen ihre letzte Ruhe fanden. Der letzte König von Italien, Umberto II., und seine Gemahlin Marie José wurden hier noch im 20. Jahrhundert beigesetzt – ein Hinweis auf die andauernde Verbindung zwischen dem Haus Savoyen und diesem Ort.

Heute leben in der Abtei wieder Benediktinermönche, die den Besuchern mit zurückhaltender Freundlichkeit begegnen. Sie führen ein einfaches Leben nach den strengen Regeln ihres Ordens: Gebet, Arbeit und Studium bestimmen ihren Tagesablauf. Die Klostermauern sind dick, die Fenster klein – die Temperaturschwankungen, die draußen zwischen Sommer und Winter herrschen, dringen kaum ins Innere vor. Selbst an heißen Augusttagen ist es in der Kirche angenehm kühl, fast wie in einer natürlichen Klimaanlage.

Die Naturkulisse – Zwischen Wasser und Berg

Der Lac du Bourget liegt auf einer Höhe von 231 Metern über dem Meeresspiegel und wird von Bergketten umrahmt, die sich an manchen Stellen bis auf über 1.500 Meter erheben. Diese geographische Lage sorgt für ein besonderes Mikroklima: Die Berge schützen vor kalten Nordwinden, während der See selbst als Temperaturpuffer wirkt. Im Sommer steigt die Wassertemperatur auf angenehme 24-26 Grad – ideal zum Baden und für Wassersportarten aller Art.

Die westliche Seite des Sees wird von der Chaîne de l'Épine dominiert, einer Ausläuferkette des Jura. Steile Kalkfelsen fallen hier teilweise direkt ins Wasser ab, was der Landschaft einen dramatischen Charakter verleiht. Die östliche Uferseite ist sanfter und wird von Weinbergen und kleinen Ortschaften geprägt. Hier findet man auch die besten Strände und Badestellen des Sees.

Naturfreunde kommen am Lac du Bourget voll auf ihre Kosten. In den Feuchtgebieten am südlichen Ende des Sees, dem Marais de Chautagne, hat sich eine vielfältige Flora und Fauna angesiedelt. Weiße Seerosen bedecken im Sommer die Wasseroberfläche, Graureiher stehen regungslos im flachen Wasser, und mit etwas Glück kann man sogar Biber beobachten, die hier wieder heimisch geworden sind. Bei Sonnenuntergang steigt manchmal Nebel auf, der in dünnen Schwaden über dem Wasser schwebt und der Landschaft etwas Mystisches verleiht.

Die umliegenden Hügel sind von einem Netz aus Wanderwegen durchzogen. Eine besonders lohnende Tour führt auf den Mont Revard, von dem aus man einen spektakulären Panoramablick über den gesamten See und bei klarem Wetter bis zum Mont Blanc genießt. Der Aufstieg ist schweißtreibend, aber der Ausblick entschädigt für jede Mühe. Nicht umsonst hat der Lac du Bourget den Beinamen "Perle der Savoie" erhalten.

Aix-les-Bains – Die elegante Kurstadt am Seeufer

Am östlichen Ufer des Sees liegt Aix-les-Bains, eine Stadt mit rund 30.000 Einwohnern und einer langen Geschichte als Kurort. Schon die Römer schätzten die hier entspringenden Thermalquellen und errichteten Badeanlagen, deren Überreste man heute noch besichtigen kann. Der Name "Aix" leitet sich vom lateinischen "Aquae" (Wasser) ab – ein deutlicher Hinweis auf die Bedeutung des Elements für diese Stadt.

Die Belle Époque hat Aix-les-Bains ihren unverkennbaren Stempel aufgedrückt. Prachtvolle Villen im Jugendstil säumen die Uferpromenade, und das Casino – eines der ältesten Frankreichs – zeugt von der Zeit, als die europäische Aristokratie hier die Sommermonate verbrachte. Königin Victoria war ein regelmäßiger Gast, ebenso wie zahlreiche Künstler und Literaten. Mark Twain soll hier die Inspiration für einige seiner Werke gefunden haben. Die Atmosphäre ist noch immer von einer gewissen Grandezza geprägt, wenngleich der Glanz vergangener Tage etwas verblasst ist.

Das moderne Aix-les-Bains hat sich dem Gesundheitstourismus verschrieben. Die Thermalanlagen wurden modernisiert und bieten heute eine Vielzahl von Wellnessanwendungen. Nach einem Tag voller Aktivitäten am See ist ein Besuch in einer der Thermen genau das Richtige, um müde Muskeln zu entspannen. Der Duft von Eukalyptus liegt in der Luft, das mineralreiche Wasser prickelt auf der Haut – balsam für Körper und Seele.

Kulinarisch hat die Stadt einiges zu bieten. In den zahlreichen Restaurants wird die savoyische Küche zelebriert, die stark von den Bergen und dem See beeinflusst ist. Fangfrische Felchen und Hechte aus dem Lac du Bourget landen hier auf den Tellern, begleitet von Weinen aus den umliegenden Anbaugebieten. Der lokale Käse, allen voran der würzige Tomme de Savoie, darf auf keiner Speisekarte fehlen. In den Cafés am Ufer kann man bei einem Glas Pétillant – einem leicht spritzigen Weißwein – den Blick über den See schweifen lassen und den Segelbooten nachschauen, die langsam am Horizont verschwinden.

Auf dem Wasser – Aktivitäten rund um den See

Der Lac du Bourget ist ein Paradies für Wassersportler aller Couleur. Segler schätzen die beständigen Winde, die hier wehen – insbesondere die "Bise", ein kühler Nordwind, der für optimale Segelbedingungen sorgt. Zahlreiche Segelschulen bieten Kurse für Anfänger an, und wer bereits Erfahrung hat, kann Boote verschiedener Größen mieten.

Kajak- und Kanutouren sind eine fantastische Möglichkeit, den See aus einer anderen Perspektive zu erleben. Besonders reizvoll ist eine Paddeltour entlang der Westküste, wo die Felswände steil ins Wasser abfallen und kaum zugängliche kleine Buchten versteckt liegen. Morgens, wenn die Wasseroberfläche noch spiegelglatt ist, gleitet man nahezu lautlos durch das kristallklare Wasser. Nur das rhythmische Eintauchen des Paddels und gelegentlich das Kreischen eines Möwenschwarmes durchbrechen die Stille.

In den Sommermonaten verkehren regelmäßig Ausflugsboote auf dem See. Eine besonders beliebte Route führt von Aix-les-Bains zur Abbaye d'Hautecombe – eine angenehme einstündige Fahrt, die einen wunderbaren Blick auf die umliegende Landschaft bietet. Die Besatzungen dieser Boote sind wahre Kenner des Sees und wissen zahlreiche Anekdoten und Geschichten zu erzählen, die man in keinem Reiseführer findet.

Für Taucher bietet der Lac du Bourget mit seiner beeindruckenden Tiefe und der guten Sichtweite ein interessantes Revier. Mehrere Tauchbasen organisieren geführte Tauchgänge zu versunkenen Booten und unterwasserarchäologischen Stätten. Bei Bourdeau wurden die Überreste einer prähistorischen Pfahlbausiedlung entdeckt, die zur UNESCO-Welterbestätte "Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen" gehört.

Praktische Informationen und beste Reisezeit

Der Lac du Bourget ist dank seiner guten Verkehrsanbindung leicht zu erreichen. Der nächstgelegene internationale Flughafen ist Genf, etwa 70 Kilometer entfernt. Mit dem Auto ist der See über die Autobahn A41 gut angebunden. Die Bahnverbindungen nach Aix-les-Bains sind ausgezeichnet, mit direkten TGV-Zügen aus Paris (nur 3 Stunden Fahrzeit) und regelmäßigen Verbindungen aus Lyon und Genf.

Die beste Reisezeit für einen Besuch am Lac du Bourget ist von Juni bis September, wenn die Wassertemperaturen angenehm sind und die meisten Aktivitäten angeboten werden. Die Hochsaison fällt in die französischen Sommerferien im Juli und August – wer den größten Menschenmassen ausweichen möchte, ist in den Randmonaten Juni und September besser beraten. Dann sind die Temperaturen noch immer angenehm, aber die Strände und Sehenswürdigkeiten deutlich weniger überlaufen.

Unterkünfte gibt es in allen Preisklassen, von einfachen Campingplätzen direkt am Seeufer bis hin zu luxuriösen Spa-Hotels in Aix-les-Bains. Eine besonders charmante Option sind die kleinen Pensionen in den Dörfern rund um den See, die oft von Familien geführt werden und authentische regionale Küche anbieten. Wer etwas Besonderes sucht, kann in einem der renovierten Herrenhäuser übernachten, die als Boutique-Hotels betrieben werden.

Die Abbaye d'Hautecombe ist ganzjährig für Besucher geöffnet, mit Ausnahme des Montags (außer in den Sommermonaten) und einiger religiöser Feiertage. Der Eintritt ist frei, obwohl eine kleine Spende für den Erhalt des Klosters gerne gesehen wird. Für die Überfahrt mit dem Boot sollte man reservieren, besonders in der Hochsaison. Alternativ kann die Abtei auch mit dem Auto erreicht werden, allerdings ist die Anfahrt etwas umständlich, da sie auf einer Halbinsel liegt.

Der See im Wandel der Jahreszeiten

Der Lac du Bourget zeigt sich in jeder Jahreszeit von einer anderen Seite. Im Frühling, wenn die Obstbäume in den umliegenden Hängen in voller Blüte stehen, erwacht der See langsam aus seinem Winterschlaf. Die ersten Segelboote tauchen auf, und die Cafés und Restaurants öffnen ihre Terrassen. Die Luft ist klar, und die Berge sind noch schneebedeckt, was für spektakuläre Fotomotive sorgt.

Der Sommer bringt Leben an die Ufer. Die Strände füllen sich mit Badegästen, auf dem Wasser tummeln sich Boote aller Art, und in den Weinbergen reifen die Trauben in der Sonne. Die Abende sind lang und warm, perfekt für einen Aperitif am Ufer oder ein spätes Bad im See, dessen Wasser dann oft wärmer ist als die Luft.

Der Herbst verwandelt die Landschaft in ein Feuerwerk der Farben. Die Laubwälder an den Hängen leuchten in Gold und Purpur, und die Weinlese bringt geschäftiges Treiben in die Dörfer. Nebelschwaden ziehen über den See, und die Luft wird zunehmend kühler – ideale Bedingungen für ausgedehnte Wanderungen in der Umgebung.

Im Winter kehrt Ruhe ein. Nur selten friert der See vollständig zu, aber an besonders kalten Tagen bildet sich entlang der Ufer eine dünne Eisschicht. Die Berge sind wieder schneebedeckt, und in den nahegelegenen Skigebieten wie Le Revard beginnt die Wintersaison. Der See selbst wirkt in dieser Zeit fast mystisch, wenn sich die niedrig stehende Sonne in seinem dunklen Wasser spiegelt und die Abbaye d'Hautecombe wie eine weiße Erscheinung auf ihrem Felsen thront.

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