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Füssen und das Ostallgäu: Königsburgen, Kuhglocken und Alpenpanorama

Füssen und das Ostallgäu bieten mehr als Märchenschlösser. Hinter Neuschwanstein fängt die echte Geschichte an. Eine Region, die ihre Gegensätze liebt.

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Zwischenablage

Das Ostallgäu. Ein Name, der sofort Bilder wachruft: saftige grüne Wiesen, darauf verteilt braun-weiße Kühe mit ihren charakteristischen Glocken, dahinter eine Kulisse aus blau schimmernden Seen und schließlich, am Horizont, die Zacken der Alpen. Diese Region, mit Füssen als ihrem pulsierenden Zentrum, ist aber nicht nur Naturkulisse. Sie ist ein Verkehrsknotenpunkt der besonderen Art, ein Ort, an dem sich die vielbesungene Romantikstraße mit der schroffen Realität des Alpenrands trifft. Hier überlagern sich Jahrhunderte touristischer Geschichte – von königlichen Sommerfrischen bis hin zum modernen Massentourismus – mit einer tief verwurzelten lokalen Identität.

Für viele ist Füssen und das Ostallgäu synonym mit einem einzigen Bauwerk: Schloss Neuschwanstein. Man kommt, sieht, knipst, fährt weiter. Das ist schade. Und ganz ehrlich, es greift zu kurz. Das Gebiet um Füssen hat weit mehr zu bieten als die weltberühmten Gipfel des Ludwigschen Bauwahns. Es ist eine Landschaft, die zum Verweilen einlädt, die Details preisgibt, wenn man sich die Zeit nimmt, genauer hinzuschauen. Die Mischung aus zugänglicher Voralpenlandschaft und der Nähe zu ernsten Bergregionen macht sie für verschiedene Arten von Reisenden interessant. Wer hierherkommt, bekommt nicht nur ein Postkartenmotiv serviert, sondern auch die Chance, die Schichten einer Region zu entdecken, die seit Langem Menschen anzieht.

Füssen: Mehr als nur Tor zu den Schlössern

Die Stadt Füssen selbst liegt da, eingebettet zwischen den Ausläufern der Ammergauer Alpen, dem sanften Hügelland des Ostallgäus und dem Forggensee. Ihre Lage am Oberlauf des Lechs ist geografisch und historisch bedeutend. Der Lech, der hier oft dieses unwirkliche, milchige Türkis zeigt, das von den Gletschern herrührt, prägt das Stadtbild. Man hört ihn rauschen, wenn man durch die Gassen der Altstadt geht, ein ständiges Hintergrundgeräusch, das an die wilde Natur vor den Toren erinnert.

Die Altstadt von Füssen ist kompakter, als man vielleicht erwartet. Verwinkelte Gassen, pastellfarbene Häuserfassaden, Brunnen auf kleinen Plätzen. Es hat etwas Gemütliches, Überschaubares. Man kann hier gut einen Nachmittag verbringen, einfach nur durchbummeln. Kernstück ist das Hohe Schloss, das hoch über der Stadt thront. Von außen fällt sofort die Illusionsmalerei ins Auge, sogenannte Trompe-l'œil-Malereien, die dem späten 15. Jahrhundert entstammen und versuchen, eine reiche gotische Architektur vorzutäuschen. Spannend ist dabei, dass diese Technik schon damals genutzt wurde, um Eindruck zu schinden. Im Inneren beherbergt das Schloss eine Filialgalerie der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen mit Spätmittelalterlicher Malerei und Skulptur. Von den Zinnen hat man einen hervorragenden Rundblick – über die Altstadt, den Forggensee und hinüber zu den Bergen.

Direkt daneben steht das ehemalige Benediktinerkloster St. Mang mit der gleichnamigen Basilika. Die Geschichte des Klosters reicht weit zurück, bis ins 9. Jahrhundert. Die heutige Anlage ist vor allem barock geprägt, opulent ausgestattet, wie so oft in dieser Region. Der sogenannte Kaisersaal und die Annakapelle sind besonders sehenswert. Im ehemaligen Klostergebäude ist heute das Museum der Stadt untergebracht, das sich unter anderem mit der Geschichte des Geigen- und Lautenbaus in Füssen beschäftigt – ein Handwerk, das hier früher große Bedeutung hatte. Es riecht dort drinnen ein bisschen nach altem Holz und Geschichte.

Füssen dient vielen als idealer Ausgangspunkt. Die Infrastruktur ist vorhanden: Hotels, Gasthäuser, Cafés, Geschäfte. Von hier aus lassen sich Ausflüge in die Umgebung leicht organisieren. Ob man mit dem Auto unterwegs ist, auf den Bus zurückgreift oder das Fahrrad nimmt – die Anbindung passt meistens. Und abends bietet die Stadt genügend Möglichkeiten, den Tag bei einem Bier oder einem typisch Allgäuer Gericht ausklingen zu lassen. Es ist halt ein Ort, der funktioniert, ohne dabei steril zu wirken.

Die berühmten Nachbarn: Schlösser im Fokus

Man kommt kaum umhin, sie zu erwähnen. Schloss Neuschwanstein und Schloss Hohenschwangau. Sie sind der Magnet, der jährlich Millionen von Besuchern anzieht. Gelegen im Ortsteil Hohenschwangau, nur wenige Kilometer von Füssen entfernt, bilden sie das Herzstück dessen, was viele mit dem Ostallgäu verbinden. Ihre Geschichte ist untrennbar mit König Ludwig II. verbunden – Neuschwanstein als sein verwirklichter Traum, Hohenschwangau als Ort seiner Kindheit, das sein Vater, König Maximilian II., im neugotischen Stil wiederaufbauen ließ.

Der Anblick Neuschwansteins, wie es sich aus den Wäldern auf dem Felsen erhebt, ist zweifellos eindrucksvoll. Gebaut ab 1869, nie ganz fertiggestellt, sollte es eine idealisierte mittelalterliche Ritterburg darstellen, eine Hommage an die Welt Richard Wagners. Heute ist es ein Phänomen des Tourismus. Wenn du planst, die Schlösser von innen zu sehen, ist Vorbereitung unerlässlich. Tickets buchst du am besten online, lange im Voraus. Das spart nervenaufreibendes Anstehen und womöglich leere Kassen. Vor Ort holst du die reservierten Tickets am Ticket Center ab.

Der Weg hinauf zu Neuschwanstein ist kurz, aber steil zu Fuß (ca. 30-40 Min.). Alternativen sind Bus oder Pferdekutsche. Letztere ist zwar "romantischer", aber auch teurer und nicht unbedingt schneller im Stoßverkehr. Der Bus fährt zur Marienbrücke über die Pöllatschlucht. Von dort bietet sich der wohl berühmteste Blick auf Neuschwanstein. Die Brücke selbst ist oft überfüllt, und die Geräusche der vielen Sprachen mischen sich mit dem Rauschen des Wasserfalls in der Schlucht unter dir. Ein Erlebnis für sich. Die Pöllatschlucht selbst ist ein wildes Stück Natur, das im Kontrast zu den perfekt inszenierten Schlössern steht.

Hohenschwangau, das gelbe Schloss unterhalb von Neuschwanstein, wirkt bescheidener, intimer. Hier verbrachte Ludwig II. seine Sommer und Jugend. Es ist ein Ort mit mehr tatsächlicher Geschichte, bewohnt von der Königsfamilie. Die Innenräume geben einen besseren Einblick in das Leben am Hof im 19. Jahrhundert als die Fantasiewelt von Neuschwanstein. Zwischen den beiden Schlössern und den Parkplätzen liegt der Alpsee, ein klarer Bergsee, um den man schön spazieren oder rudern kann. Der Blick vom Ufer auf die Schlösser und die umliegenden Berge ist ebenfalls beeindruckend.

Ja, es sind Touristenmassen dort. Vor allem in der Hochsaison kann es sich anfühlen wie auf einer Völkerwanderung. Aber die Kulisse, die Landschaft, die schiere Existenz dieser Bauwerke an diesem Ort – das hat schon etwas. Man muss es vielleicht als das sehen, was es ist: eine Mischung aus historischem Erbe, persönlicher Obsession eines Königs und einem modernen Tourismusphänomen. Und selbst wenn du die Schlösser nicht von innen besuchst, der Anblick von außen, vielleicht bei einer Wanderung in der Umgebung, gehört einfach zum Erlebnis Ostallgäu dazu.

Das weite Herz des Ostallgäus: Seen, Kirchen, Landschaft

Abseits des Schloss-Trubels entfaltet sich das eigentliche Ostallgäu. Eine sanft wellige Moränenlandschaft, geformt von Gletschern der Eiszeit. Hier bestimmen Felder, Wiesen, kleine Wälder und unzählige Seen das Bild. Es ist ruhiger hier, die Zeit scheint langsamer zu vergehen. Der Duft von Gras, manchmal von Kuhfladen, liegt in der Luft. Die Glocken der Kühe bimmeln mal näher, mal ferner. Das ist der Klang des Ostallgäus.

Die Seen sind charakteristisch für die Region. Neben dem großen Forggensee bei Füssen, der eher ein Stausee ist und im Frühjahr erst gefüllt wird (was ihm im Winter und Frühjahr ein ungewöhnliches, fast trockenes Bett beschert), gibt es viele kleinere, natürlichere Gewässer. Der Hopfensee, auch die "Riviera des Allgäus" genannt, ist touristisch gut erschlossen, mit Promenade, Campingplätzen und Bootsverleih. Hier herrscht eher Badebetrieb und Seeblick-Gastronomie. Der Weißensee oder der Alatsee, letzterer bekannt durch die Legenden um seine rote Färbung in bestimmten Tiefen und die Gerüchte um ein versunkenes Nazi-Vermögen, sind kleiner und ruhiger, oft umgeben von Wald. Sie laden zu Spaziergängen oder einer stillen Ruderpartie ein.

Inmitten dieser sanften Landschaft, umgeben von Feldern, steht die Wieskirche, offiziell Wallfahrtskirche zum Gegeißelten Heiland auf der Wies. Von außen wirkt sie eher schlicht. Doch tritt man ein, wird man förmlich geflutet von Rokoko-Pracht. Stuck, Fresken, Licht, das durch die Fenster fällt und die Farben zum Leuchten bringt – es ist überwältigend. Die Kirche ist ein Meisterwerk von Dominikus Zimmermann und gehört zum UNESCO-Welterbe. Ihre Existenz mitten im Nirgendwo, entstanden aus einer schlichten Wallfahrt zu einer Holzfigur Christi, ist faszinierende Geschichte. Sie ist ein Ort der Stille und der Spiritualität, trotz der vielen Besucher. Man sitzt auf den Holzbänken und lässt den Blick durch das opulente Innere schweifen. Ein starker Kontrast zu den eher weltlichen Schlössern.

Das Ostallgäu ist auch ein Paradies für Radfahrer und Wanderer, je nach Kondition und Vorliebe. Es gibt flache Wege entlang der Seen und durch die Wiesen, ideal für Genussradler oder Familien. Und es gibt anspruchsvollere Routen in den Ausläufern der Alpen, auf Forstwegen oder schmalen Pfaden. Der Aufstieg auf den Tegelberg bei Schwangau, entweder zu Fuß oder bequem per Bergbahn, bietet fantastische Blicke auf die Schlösser, den Forggensee und die umliegende Bergwelt. Für Geübte geht es weiter hinauf bis zum Branderschrofen. Selbst weniger geübte Wanderer finden hier ihre Pfade, zum Beispiel rund um den Alatsee oder auf den Kalvarienberg bei Füssen mit seinem Kreuzweg und den schönen Aussichten.

Die Romantikstraße, die sich von Würzburg bis Füssen zieht, ist hier im Ostallgäu nicht nur eine Marketing-Route, sondern sie verbindet tatsächlich einige der bedeutendsten historischen und kulturellen Punkte der Region, wie eben die Schlösser und die Wieskirche, aber auch kleinere Orte wie Schongau oder Landsberg am Lech, die ihren eigenen Charme haben. Sie dient als roter Faden, muss aber nicht sklavisch befolgt werden. Die wahren Entdeckungen macht man oft auf den Nebenstraßen, die durch kleine Weiler und vergessene Winkel führen.

Praktisches für unterwegs

Die Anreise nach Füssen ist per Bahn gut möglich. Von München gibt es regelmäßige Verbindungen. Mit dem Auto ist man flexibler, um die weitere Region zu erkunden. Die A7 endet quasi hier. Bedenke, dass gerade in der Hochsaison die Straßen rund um Hohenschwangau stark frequentiert sein können und Parkplätze Mangelware sind oder Geld kosten. Ein eigener fahrbarer Untersatz ist im Ostallgäu aber Gold wert, um die vielen kleinen Ecken und Seen abseits der Hauptrouten zu erreichen. Das öffentliche Busnetz verbindet die größeren Orte und die Schlösser, ist aber auf dem Land nicht überall eng getaktet.

Die beste Reisezeit? Frühling und Herbst bieten oft mildes Wetter, weniger Trubel und eine besonders schöne Lichtstimmung über den Bergen und Seen. Der Sommer ist ideal für Badeurlaub und Bergtouren, aber eben auch am vollsten. Im Winter hat die Region ebenfalls ihren Reiz, dann liegt oft Schnee, und die Landschaft wirkt still und märchenhaft – passend zu den Schlössern. Achte auf den Föhn – dieser warme Fallwind kann die Stimmung drücken und Kopfschmerzen verursachen, sorgt aber oft für eine fantastische Fernsicht.

Kulinarisch hält sich das Ostallgäu an die Allgäuer Tradition: Kässpatzen, deftige Braten, Kaiserschmarrn als Süßspeise. Die Milchwirtschaft prägt die Region, entsprechend gut ist der Käse. Schau nach lokalen Sennereien oder Gasthäusern, die Wert auf regionale Produkte legen. Ein zünftiges Abendessen nach einem Tag in den Bergen oder an den Seen gehört einfach dazu.

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